Kommentar

Endlich!

Berlin - 30.08.2019, 13:44 Uhr

Dass der CDU-Politiker Michael Hennrich eine neue Abgabequote für EU-Arzneimittel vorschlägt, ist sicher diskussionswürdig. Aber endlich liegen konkrete Maßnahmen zur Diskussion auf dem Tisch, meint DAZ.online-Chefredakteur Benjamin Rohrer. ( s / Foto: dpa)

Dass der CDU-Politiker Michael Hennrich eine neue Abgabequote für EU-Arzneimittel vorschlägt, ist sicher diskussionswürdig. Aber endlich liegen konkrete Maßnahmen zur Diskussion auf dem Tisch, meint DAZ.online-Chefredakteur Benjamin Rohrer. ( s / Foto: dpa)


Endlich ist es soweit: Die Arzneimittel-Lieferengpässe sind in der Bundespolitik angekommen. Erstmals hat sich mit dem CDU-Arzneimittelexperten Michael Hennrich ein Gesundheitspolitiker mit konkreten Vorschlägen zu Wort gemeldet. Seine Ideen, wie etwa eine neue Abgabequote für Apotheker, mögen diskussionswürdig sein. Ein Blick nach Frankeich, wo bereits mehrere Reformen dazu verabschiedet wurden, zeigt aber, dass Umstellungen bei allen Beteiligten nötig sind. Dass Hennrich für sein Vorgehen nun teils heftig angegangen wird, ist schade, meint DAZ.online-Chefredakteur Benjamin Rohrer.

Mit den Arzneimittel-Lieferengpässen ist es nicht wie mit anderen apothekenpolitischen Diskussionen. Wenn es um die Apothekenreform, den Versandhandelskonflikt oder das Apothekenhonorar geht, sind es in erster Linie die pharmazeutischen Fachmedien, die sich dafür interessieren. Die Lieferengpässe sind aber in der Mitte der Gesellschaft angekommen: Jeden Tag sind die Zeitungen auf lokaler, regionaler und überregionaler Ebene gefüllt mit Schlagzeilen wie etwa „Apotheker und Patienten kämpfen mit Engpässen“. 

In der Politik hingegen herrschte bislang Stille zu diesem Thema: Immer mal wieder gab es in Arzneimittelreformen einzelne Stellschrauben, die gedreht wurden, um die Engpässe zu bekämpfen. Geholfen haben sie alle nicht: Die Liste der gemeldeten Engpässe wächst Tag für Tag. Eine Reform, die das komplexe Thema allumfassend, also gleich an mehreren Stellen im System gleichzeitig, aufgreift, gab es bislang aber nicht. Kürzlich meldete sich zwar SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach relativ vage zu Wort und schoss gegen die böse Pharmaindustrie – ohne jedoch konkrete Maßnahmen zu benennen.

Mit Michael Hennrich (CDU) hat nun der erste Gesundheitspolitiker den Schritt nach vorne gewagt. Hennrich führte in den vergangenen Wochen Gespräch um Gespräch – mit Apothekern, Herstellern und Großhändlern, um ein Maßnahmenpaket zu entwerfen und den Ursachen der Defekte auf den Grund zu gehen. Und siehe da: Es zeigt sich, dass weder die Apotheker und Großhändler mit ihrem gesteigerten Exporten noch die Industrie mit ihrer Kontingentierung die Engpässe alleine zu verantworten haben, und auch nicht die Kassen mit ihren Exklusivverträgen. 

Heißt im Umkehrschluss: Es wird keine Hau-Drauf-Lösung geben – man muss also an vielen Stellen ansetzen, auch bei den Apothekern. Heißt für Hennrich: Im Haifischbecken der Gesundheitspolitik, wo sich die Verbände wegen der Engpässe seit Jahren gegenseitig beschuldigen, ist der Stress vorprogrammiert.

Apotheker dürfen nicht zu Beschaffungsfachmännern werden

Dass Hennrich jetzt die Idee hat, in der Apotheke eine neue Abgabequote für Arzneimittel „Made in Europe“ zu schaffen, ist in der Tat zu hinterfragen: Schon jetzt kämpfen die Apotheker damit, die Importquote zu berücksichtigen und an den Lieferengpässen vorbei Arzneimittel überhaupt irgendwie zu beschaffen. Arzneimittel aus Europa sind inzwischen eine Seltenheit. Eine solche Quote könnte die Apotheker also endgültig zum Arzneimittelbeschaffungs-Fachmann machen – die pharmazeutische Beratung würde darunter leiden. Hinzu kommt: In Frankreich, wo seit Jahren immer wieder Reformen gegen die Engpässe beschlossen werden, wurde genau das Gegenteil unternommen: Die Substitutionsregeln für Apotheker wurden aufgeweicht, damit sie im Engpass-Fall flexibel reagieren und austauschen können.

Das Ziel ist aber das richtige: Es kann nicht sein, dass beispielsweise im Antibiotikamarkt einige wenige asiatische Hersteller den Großteil unserer Versorgung in den Händen haben. Europa muss die Arzneimittel-Produktion wieder mehr in die eigene Hand nehmen. Aber wenn es eine feste Abgabequote für EU-Arzneimittel in Apotheken soll, dann sollte die Politik an anderer Stelle dafür sorgen, dass es genau diese Arzneimittel auch gibt. Und hier sind wiederum die Hersteller in die Pflicht zu nehmen. Gleichzeitig kann es nicht sein, dass durch exklusive Rabattverträge die Auswahl von vornherein so dramatisch eingeschränkt wird.

Hennrich macht hier den ersten Aufschlag, einiges davon wird sicherlich verworfen, anderes könnte bleiben. Aber immerhin: Er kommt seiner Pflicht als Gesundheitspolitiker nach. Es geht hier um die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln, um die Gesundheit der Bundesbürger – dass ein dafür zuständiger Bundestagsabgeordneter dazu Pläne entwirft, gehört zu seinen Pflichten. Dass der CDU-Politiker nun in Kommentaren dafür abgestraft wird, ist schade. Denn selbst wenn seine Ideen – beispielsweise zur Abgabequote – ausbaufähig sind, haben wir jetzt endlich einen Plan, über den wir reden können.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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2 Kommentare

Experte Hennrich

von Roland Mückschel am 30.08.2019 um 16:06 Uhr

Ich halte Herrn Hennrich für diese Aufgabe
für völlig ungeeignet.
Solange ich ihn in der Politik beobachte hat er
sich nie für eine positive Aufgabe empfohlen.

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den letzten beißen die Hunde

von Karl Friedrich Müller am 30.08.2019 um 14:24 Uhr

das sind wir. Wir können für die Zustände nichts, sollen aber wieder die Kohlen aus dem Feuer holen.
Am Ende mir Quoten, Drohungen, Regressen, aber ohne Vergütung. So ist das System.
WIR gehören definitiv NICHT zu den BETEILIGTEN (die die Suppe eingebrockt haben), wir sind Leidtragende, (die die Suppe auslöffeln) diejenigen, die dafür sorgen, dass die Kunden noch versorgt werden.
Weitere Belastungen sind nicht möglich. ENDE

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