Keine Panik

Silvester mit Hund – was hilft bei Angst vor dem Feuerwerk?

Berlin - 28.12.2021, 12:00 Uhr

Wie kann man Hunden Silvester erleichtern? (Foto: Daniela / AdobeStock) 

Wie kann man Hunden Silvester erleichtern? (Foto: Daniela / AdobeStock) 


Silvesterfeuerwerk ist für den Menschen schön anzusehen, für Tiere hingegen ist die Knallerei oft der pure Stress. Was kann man tun, um Hunde gut durch diese Nacht zu bringen? Tierärztin Sabine Wanderburg weiß Rat.

Der Start ins neue Jahr beginnt für Hunde oftmals unter massivem Stress: Viele von ihnen fürchten sich vor der Silvester-Knallerei. Wenn nicht medikamentöse Maßnahmen an ihre Grenzen stoßen, können auch Arzneimittel aus der Apotheke zum Einsatz kommen.

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Keine Angst vor Silvester

Eine wichtige Neuerung im Markt gab es zuletzt im Jahr 2016. Damals wurde für Hunde Dexmedetomidin (Sileo®) zur Linderung akuter Geräuschangst zugelassen – als erstes Fertigarzneimittel in dieser konkreten Indikation. „ Aufgrund § 56a, Abs. 2 AMG (Umwidmungskaskade) darf der Tierarzt beim Hund zur Linderung akuter Geräuschangst seitdem nur dieses einzige für diese Indikation und Tierart zugelassene Arzneimittel abgeben“, betont Tierärztin Sabine Wanderburg in einem noch immer aktuellen DAZ-Beitrag von 2018.

Dexmedetomidin ist laut Fachinformation ein potenter und selektiver α2-Adrenozeptorenagonist, der die Freisetzung von Noradrenalin hemmt, dadurch die Schreckreaktion modifiziert und so der Erregung entgegenwirkt. Im Handel ist Sileo® als verschreibungspflichtiges Gel (gebrauchsfertige Applikationsspritzen) zur oromukosalen Anwendung. „Die erste Dosis sollte verabreicht werden, wenn der Hund die ersten Anzeichen von Angst und Furcht zeigt oder der Besitzer einen für seinen Hund typischen Stimulus (z. B. Feuerwerk oder Donner) erkennt, durch den Angst und Furcht ausgelöst werden“, informiert der Hersteller auf seiner Website.

Hinweise zur korrekten Handhabung

Das Mittel erreicht seine volle Wirksamkeit nach 15 bis 60 Minuten. Bei Bedarf kann es bis zu fünfmal im Abstand von jeweils mindestens zwei Stunden gegeben werden. Mögliche Nebenwirkungen sind blasse Schleimhaut an der Applikationsstelle, Erbrechen und Harninkontinenz, bei Überdosierung Sedierung, Bradykardie, Blutdrucksenkung und Abnahme von Atemfrequenz und Körpertemperatur.

Voraussetzung für die Wirkung ist, dass das Gel in die Backentasche auf die Maulschleimhaut zwischen Lefze und Zahnfleisch aufgetragen wird. Auf der Internetseite www.sileodog.com/de wird die Anwendung Schritt für Schritt in einem Video demonstriert. Geben Sie den Webcode S8SS5 in die Suchfunktion hier auf der Website ein und Sie gelangen direkt zum Video.

Finger weg von Acepromazin!

Früher kam bei Angstzuständen wie an Silvester bei Hunden oftmals das Phenothiazin-Derivat Acepromazin zum Einsatz. Davon wird inzwischen jedoch dringend abgeraten. So schreibt etwa die Tierschutzorganisation ASPA auf ihrer Website: „Hier muss mit nicht unerheblichen Nebenwirkungen gerechnet werden und zwar von völliger Sedierung und Kreislaufkollaps bis paradoxer extremer Unruhe und Muskelzittern. Außerdem sind Hunde durch die starke Sedation meist nicht mehr in der Lage sich adäquat zurückzuziehen, so dass sogar mit einer vermehrt auftretenden Angst zu rechnen ist. Deshalb sollte Acepromazin nicht mehr gegeben werden. Von vielen Tierärzten wird diese Therapie mittlerweile auch völlig abgelehnt.“ (cm)

Diazepam vorab testen

Bis zur Zulassung von Dexmedetomidin im Jahr 2016 war Diazepam Mittel der Wahl für Hund vor einem kurzen vorhersehbaren Angstereignis wie Silvester. Bei Verabreichung sollten die Tiere noch ruhig sein. Mögliche Nebenwirkungen sind Enthemmung, Appetitsteigerung, unzuverlässiger Gehorsam (daher Freigang bzw. Freilauf verwehren), albernes Verhalten, Müdigkeit und Torkeln. „Da die Wirkung individuell unterschiedlich ist und paradoxe Reaktionen möglich sind, sollte Diazepam sinnvollerweise im Vorfeld einmal ausprobiert werden“, rät die Tierärztin im DAZ-Beitrag.

Futtermittel und Pheromone in leichten Fällen

Zur Unterstützung kann das stresslindernde Futterergänzungsmittel Zylkène® in einer Dosierung von 15 mg/kg Körpergewicht einmal täglich gegeben werden. „Es enthält Alpha-Casozepin aus Caseinhydrolysat, das die GABA-Aktivität potenziert und ohne Benzodiazepin-typische Nebenwirkungen mild anxiolytisch wirkt“, erläutert Wanderburg. Eine Alternative ist der Veterinärmedizinerin zufolge das Produkt Calm®, das neben Alpha-Casozepin auch L-Tryptophan enthält und als Alleinfutter gefüttert wird. „Die Verabreichung sollte mindestens zwei Wochen vor dem angstauslösenden Ereignis begonnen werden, da eine erkennbare Wirkung erst nach zehn bis 14 Tagen auffällt.“

Mit sogenannten Wohlfühlpheromonen arbeitet Adaptil®, das zum Beispiel als Halsband, Spray, Verdampfer und Kausnack zur Verfügung steht. „Es enthält die synthetische Formulierung des Dog Appeasing Pheromons, das in speziellen Drüsen in der Zitzenumgebung gebildet wird und mit dem die Welpen beim Saugen ständig ‚konfrontiert‘ werden“, schreibt Wanderburg. Das Pheromon sei daher für alle Hunde, die in den ersten fünf Wochen gesäugt wurden, ein Geborgenheitsreiz, der auch im späteren Leben eine Erinnerung an den Zustand von Wohlbefinden auslöst. Als alleinige Maßnahme reiche es jedoch nur in milden Fällen von Unsicherheit und Stress aus.

Nicht medikamentöse Intervention

Besonderer Bedeutung in einer Stresssituation wie in der Silvesternacht kommen nicht medikamentöse Maßnahmen zu. Hundebesitzer sollten das Tier soweit möglich vor Knallgeräuschen abschotten und Rückzugsmöglichkeiten bieten. Auch die Musik, den Fernseher oder andere bekannte Geräusche etwas lauter zu drehen als üblich, kann helfen. Beschäftigung, zum Beispiel mit Kauartikeln, Suchspielen und leichten Gehorsamsübungen, kann im Vorfeld für Ablenkung sorgen.

Was tun, wenn der Hund Angst bekommt?

Bekommt das Tier Angst, sollten Hundebesitzer möglichst Ruhe und Souveränität ausstrahlen. „Ein ängstlicher Hund sollte weder überschwänglich getröstet werden, noch sollte mit mitleidiger Stimme ‚beruhigend‘ auf ihn eingeredet werden“, so die Expertin. Denn das könnte er als Bestätigung seines Verhaltens auffassen und ihn in seiner Angst bestärken. „Andererseits sollte die Angst auch nicht komplett ignoriert und damit dem Vierbeiner das Gefühl gegeben werden, ihn in seiner Not allein zu lassen. Lassen Sie Körperkontakt zu, streicheln Sie das Tier wortlos, halten Sie es fest oder setzen Sie sich daneben. Dieses Trostverhalten existiert auch unter den Tieren. Es ist wichtig für Bindung und Vertrauen und verstärkt nicht die Angst. In Angstsituationen sollte eine Bezugsperson immer in der Nähe des Tieres sein.“

Den ausführlichen Beitrag von Tierärztin Sabine Wanderburg könenn Sie hier abrufen. Darin erfahren Sie auch, welche Mittel nach einem Geräuschtrauma zum Einsatz kommen, welche Psychopharmaka im Zuge einer Verhaltenstherapie für Hunde zugelassen sind und welche weiteren nicht medikamentösen Maßnahmen Hunden den Übergang ins neue Jahr erleichtern können.



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


Deutsche Apotheker Zeitung
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