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Wir brauchen eine Anpassung der Honorierung als Sofortmaßnahme – so lautet die zentrale Forderung unserer Berufsvertretung ABDA, aller Kammern und Verbände in den Ländern. Stimmt. Diese Anpassung zu erreichen, wird die Herkulesaufgabe in diesem Jahr werden. Bis jetzt sieht allerdings nichts danach aus, dass die Bundesregierung, dass Lauterbach auch nur ein bisschen daran denken, Anpassungen nach oben vorzunehmen. Ganz zu schweigen von einer Anpassung in Milliardenhöhe, wie einst gefordert. Wie wird unsere Strategie aussehen? Wir schauen rüber zur Hausärzteschaft, sie hat ihre Entbudgetierung erreicht. Und was hat Lauterbach mit den Apotheken vor? Eine weitere Dezimierung? Was ist ihm die Arbeit der Apotheken wert?
8. Januar 2024
Vermutlich hält Karl Lauterbach die Apotheken immer noch für überbezahlt. Es ist bei ihm wohl nicht wirklich angekommen, wie wenig die meisten Apotheken (also die Apotheken in der Umsatzklasse bis 2,5 Mio. Euro – und das ist die Mehrheit in Deutschland) erwirtschaften, welche Kosten (Personal-, Energiekosten etc.) sie zu stemmen haben und wie wenig Gewinn sie abwerfen. Und mit Sicherheit ist es ihm nicht bewusst, welche große Arbeit das Unternehmen Apotheke leistet und welchen immensen Nutzen die Apotheke für die Gesellschaft hat. Die große Zahl an Apothekenschließungen in den letzten Jahren ist Zeugnis dafür, dass sich viele Apotheken betriebswirtschaftlich nicht mehr gerechnet haben und nicht mehr rechnen. Diese Entwicklung wird sich noch weiter fortsetzen, wenn Apotheken kein Honorarplus erhalten. Warum diese Erkenntnisse und Zahlen den Minister nicht erreichen oder warum er sich hier taub stellt – darüber lässt sich viel spekulieren. Mein liebes Tagebuch, für mich läuft dies letztlich darauf hinaus, dass ihm die Arbeit der Apotheken nicht mehr wert ist. Und wenn noch ein paar Apotheken schließen, so what! Ja, es ist schlimm, wirklich schlimm, so eine Person als Bundesgesundheitsminister zu haben. Aber wir müssen uns mit ihm auseinandersetzen, auch gegen seine Pläne protestieren. Protest ist legitim in der Demokratie. Auch andere Berufsgruppen, wie z. B. die Ärzteschaft, die Bauernverbände, die Lokführer – sie alle wehren sich und protestieren. Die Frage ist auch, wie weit Protest gehen darf. Wenn persönliche Schmähungen, Diffamierungen oder gar Symbole wie Galgen auftauchen (vereinzelt bei den Demonstrationen des Bauernverbands gesehen) oder Politiker persönlich bedrängt werden (wie Habeck bei Schlüttsiel), sind Grenzen überschritten. Der Verein Freie Apothekerschaft hat Plakate und Postkarten in Umlauf gebracht, die Lauterbach als Sensenmann und Terminator darstellen. Geht das zu weit? Es gibt, so mein Eindruck, einige Apothekerinnen und Apotheker, die solche Plakate gut finden. Die ABDA distanziert sich dagegen deutlich „von jeglichen diffamierenden und personalisierten Angriffen auf einzelne Politiker/-innen“. Die Plakate der Freien Apothekerschaft kann man durchaus als grenzwertig einstufen. Ob sie einem gefallen, das muss jeder nach eigenem Temperament und Gusto für sich entscheiden. Der Unterschied: Die ABDA muss noch mit Lauterbach reden, die Freie Apothekerschaft nicht.
2024 wird das Jahr der Herausforderungen, und zwar der ganz großen Herausforderungen. ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening bereitet uns darauf in ihrem Neujahrs-Video vor. Mein liebes Tagebuch, es könnte sogar ein Schicksalsjahr für die Apotheke werden. Stellen wir uns mal vor, alle von ihr angekündigten intensiven Gespräche mit Lauterbach, mit dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) und den Abgeordneten führen nicht zu einer „Anpassung der Honorierung als Sofortmaßnahme“, wie Overwiening die zentrale Forderung nennt, was dann? Was, wenn nicht „ein sofort wirksames Apotheken-Rettungspaket zur wirtschaftlichen Stabilisierung der Arzneimittelversorgung über heilberuflich getragene Apotheken vor Ort“ kommt? Lauterbach will nicht mehr Geld ins Apothekensystem stecken, das hat er mehrfach deutlich gemacht, für ihn kommt allenfalls eine Umverteilung des heutigen Honorars in Frage. Eine Katastrophe! Wer kann ihn überzeugen, dass ein Honorarplus notwendig ist? Das Parlament, der Bundestag, die Abgeordneten?
9. Januar 2024
Es holpert und stolpert ins neue Jahr, das E-Rezept. Laut einer Umfrage des Apothekerverbands Nordrhein bei 450 Apotheken kam etwa die Hälfte der Verschreibungen elektronisch in die Apotheke, jede fünfte davon war fehlerhaft. Oh mein Gott, das macht keinen Spaß. Die meisten Probleme: fehlerhaft ausgestellte E-Rezepte in den Arztpraxen (sollte doch gar nicht möglich sein, hieß es mal), technische Probleme bei den Servern außerhalb der Apotheken, aber vereinzelt auch in der Apotheken-Software. Immerhin, eingelöst werden die E-Rezepte zu über 80 Prozent mit der elektronischen Gesundheitskarte, rund 18 Prozent als Papierausdruck. Die Gematik-App wird nur für ein Prozent der E-Rezepte genutzt – kein Wunder, die Voraussetzungen (modernes Smart-Phone, PIN, umständlicher Authentifzierungs-Prozess) sind eine Hürde. Mein liebes Tagebuch, bis das E-Rezept (weitgehend) störungsfrei läuft, wird’s noch dauern.
Eigentlich sollten von einer Arztpraxis nur einwandfrei richtig ausgestellte E-Rezepte in der Apotheke ankommen. Eigentlich. So nach und nach kommt heraus, was die Praxen alles falsch machen können, und die Praxis-Software lässt dies durchgehen. Zum Beispiel ist es möglich, dass auf den Verschreibungen die Berufsbezeichnung der verschreibenden Person fehlt. Und das bedeutet für die Apotheke Retaxgefahr! Aber warum ist das möglich? Weil Ärztinnen und Ärzte aktuell die Berufsbezeichnung noch händisch eintragen können! Und das führe zu Fehlern. Unglaublich, mein liebes Tagebuch, warum ist die händische Eintragung überhaupt möglich? Warum hat die Praxissoftware keine Sperre: Wenn diese Bezeichnung fehlt, kann das E-Rezept nicht versandt werden. Übrigens, während die Apotheke eine fehlende Berufsbezeichnung auf dem analogen Rezept selbst nachtragen kann, ist diese Heilungsfunktion beim E-Rezept nicht vorgesehen. Der Deutsche Apothekerverband (DAV) empfiehlt daher, fehlerhaft ausgestellte E-Rezepte zurückzuweisen und neu ausstellen zu lassen. Der DAV ist im Übrigen der Auffassung, dass die Berufsbezeichnung auf dem E-Rezept überflüssig sei, denn ein E-Rezept könnten per se nur Ärztinnen und Ärzte mittels der von den Ärztekammern ausgegebenen Heilberufsausweise signieren und auf den Server hochladen. Der DAV will daher auf das Bundesgesundheitsministerium und die Kassenärztliche Bundesvereinigung zugehen und diese Forderung, die übrigens nicht neu ist, nochmals vorbringen. Wenn also, so der DAV, die ärztliche Berufsbezeichnung fehle, dann halte man dies „für einen unbedeutenden, die Arzneimittelsicherheit und die Wirtschaftlichkeit der Versorgung nicht wesentlich tangierenden, insbesondere formalen Fehler, der den Vergütungsanspruch des Apothekers nicht entfallen lässt“. Nett formuliert, die Frage ist nur, ob dies die peniblen Bürokraten der Kassen genauso sehen. Mein liebes Tagebuch, da muss umgehend eine eindeutige Regelung her. Solche Bagatellfragen hätten schon längst geklärt werden müssen.
10. Januar 2024
Schauen wir mal zur Ärzteschaft, die ebenfalls mit Lauterbach im Clinch liegt. Zwischen den Jahren machten die Hausärztinnen und -ärzte mit Praxisschließungen Druck auf den Gesundheitsminister. Und siehe da, jetzt kommt er ihnen entgegen: Das Zauberwort heißt Entbudgetierung. Lauterbach spricht bereits von einer „großen Honorarreform“ z. B. mit „Vorhaltepauschalen, mit einer Umstellung von Quartals- hin zu Jahrespauschalen und mit einer Entökonomisierung der Praxen. Entbudgetierung bedeutet vereinfacht ausgedrückt, dass Ärzten auch die Leistungen vergütet werden, wenn das Budget der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung aufgebraucht ist. Die Budgetobergrenzen werden aufgehoben. Die Hausärzteschaft ist erleichtert, sie hat es geschafft. Aber die Fachärzteschaft fällt da nicht darunter, sie ist enttäuscht – der Protest wird weitergehen. Die SPD will die Pläne ihres Ministers so schnell wie möglich durchs parlamentarische Verfahren bringen. Die FDP hat schon angekündigt, dass sie sich auch für Fachärztinnen und -ärzte einsetzen will. Und die CDU nannte das Treffen Lauterbachs mit der Vertretung der Ärzteschaft einen „Gipfel der Ankündigungen und Durchhalteparolen“ und macht sich Sorgen, wie die Neuregelungen finanziert werden sollen. Auch die GKV meldet natürlich Bedenken an: Es sei nicht angemessen, dass die Honorare zu Lasten der Beitragszahlenden noch weiter steigen“. Und Lauterbach beruhigt, dass durch diese Reform der Beitragssatz nicht steigen werde. Mein liebes Tagebuch, die Gemengelage ist bunt wie immer. Und wann ist endlich die Apothekerschaft an der Reihe?
11. Januar 2024
Man kann zur Homöopathie stehen wie man will: Die Lauterbachsche Ankündigung, Homöopathie als Kassenleistung zu streichen, ist blanker Aktionismus. Die Kosten, die die Krankenkassen für diese Leistungen aufbringen, liegen – wir bleiben im Szenario – im homöopathischen Bereich. Mein liebes Tagebuch, das muss man Lauterbach lassen, er hat ein Talent, sich mit allen gleichzeitig anzulegen, jetzt auch mit den Patientinnen und Patienten, die der Homöopathie frönen. Warum agiert ein Gesundheitsminister in dieser Zeit, in der ihm die Proteste der Ärzte- und Apothekerschaft nur so um die Ohren fliegen, in der die Umsetzung seiner Digitalgesetze an vielen Ecken und Enden klemmen, derart unverfroren? Ist das Unsensibilität, mangelnder Durchblick, Verlust der Bodenhaftung oder grenzt das schon an Wahnsinn?
Ja, Lauterbach hat sich vorgenommen, die Strukturen des Gesundheitssystems zu verändern. Nichts dagegen, die Welt, die Lebensgewohnheiten der Menschen, die Systeme sind ständig im Fluss. Es wäre mit Sicherheit falsch, nicht über Veränderungen nachzudenken. Lauterbach will Strukturreformen angehen, auf vielen Gebieten: Krankenhausreform, Digitalgesetze, mehr Prävention, Honorarreform der Ärzteschaft. Und ja, die Apotheken bekommen auch ihre Reform ab, allerdings ganz nach Lauterbachs Geschmack. Mit einer Umverteilung des vorhandenen Honorars. Nein Danke! Immerhin hat er erkannt, dass es auf dem Land ein Apothekensterben gibt und meint: Da muss die Telepharmazie kommen.“ Telepharmazie à la Lauterbach heißt nämlich: Die PTA-Filialleiterin macht einen Videochat mit der Hauptapotheke, falls sie nicht mehr weiter weiß oder weiter darf. Wie putzig ist das denn? Mein liebes Tagebuch, das hat nichts mit Telepharmazie zu tun! Ganz zu schweigen davon, dass von PTA geleitete Filialen nicht die Lösung sind.
12. Januar 2024
Es gibt immer weniger Apotheken in Deutschland. Die Landesapothekerkammer Hessen meldet einen Rückgang von 39 Apotheken im vergangenen Jahr im Vergleich zum Vorjahr. Hessen zählt derzeit nur noch 1350 Apotheken. „Die Entwicklung ist alarmierend“, kommentiert die hessische Kammerpräsidentin Ursula Funke die Entwicklung. Sie fordert: „Die Apotheken vor Ort benötigen eine sofortige und wirksame wirtschaftliche Stärkung. Andernfalls drohen weitere Schließungen und damit die Verschlechterung der wohnortnahen Versorgung der Patientinnen und Patienten.“
Auch aus Baden-Württemberg kommt die Meldung: Apothekensterben auf neuem Höchststand, 88 Apotheken mussten 2023 schließen. "Der Rückgang der öffentlichen Apotheken erreicht damit auch in Baden-Württemberg bislang nicht gekannte Ausmaße", so die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg. LAK-Präsident Dr. Martin Braun: „Es ist für viele Politiker eine unbequeme Wahrheit, aber hinter diesem Trend stecken in erster Linie wirtschaftliche Ursachen." Mein liebes Tagebuch, so oder ähnlich tönt es derzeit aus allen Regionen Deutschlands. Aber der Bundesgesundheitsminister will nichts von einer „sofortigen und wirksamen wirtschaftlichen Stärkung“ für die Apotheken wissen. Was tun? Holger Seyfarth, Chef des Hessischen Apothekerverbandes, kündigte an, dass „die hessische Apothekerschaft auch im neuen Jahr für die längst überfällige Stabilisierung ihrer politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen streiten“ werde – wie auch immer dies aussehen mag. Mein liebes Tagebuch, man fragt sich wirklich, wie viele Apotheken noch schließen müssen, bis die Bundesregierung aufwacht. Oder anders gefragt: Wann ist für unser Land die unterste Zahl an Apotheken erreicht? Bei 15.000 Apotheken, bei 13.000 Apotheken? Wie viele Apotheken braucht unser Land nach Meinung des Bundesgesundheitsministers?
Entlassrezepte sollten eigentlich die Versorgung erleichtern. Aber Deutschland und seine über alles geliebte Bürokratie (bloß keine Formfehler!) schafft es, dass auch diese eigentlich sinnvolle Regelung nur Ärger und Verdruss bringt. Ein eklatantes Beispiel ist der aktuelle Ärger um das „Standortkennzeichen 77“ (Betriebsstättennummer für Krankenhäuser). Die für Apotheken verbindliche Anlage 8 des Rahmenvertrags sehe das Kennzeichen 77 nicht vor, der Deutsche Apothekerverband habe eine Neufassung dieser Anlage abgelehnt. Wenn nun Entlassrezepte in der Codierzeile und im Personalienfeld ein Standortkennzeichen beginnend mit der „77“ enthalten, „müssen diese Rezepte leider privatliquidiert werden“, empfiehlt der Apothekerverband Schleswig-Holstein – das heißt, die Patienten müssen die Arzneimittel erstmal aus der eigenen Tasche bezahlen, was naturgemäß oft schwer umzusetzen ist. Der Ausweg: Die Patienten müssen zu ihrem Hausarzt, der für die verordneten Arzneimittel ein neues Kassenrezept ausstellt. Und genau dies sollte eigentlich durch Entlassrezepte vermieden werden. Mein liebes Tagebuch, jeder ruft nach Bürokratieabbau, aber das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Wir brauchen eine Antibürokratie-Agentur, die Organisationen wie GKV-Spitzenverband, Deutsche Krankenhausgesellschaft, Kassenärztliche Bundesvereinigung und Deutschen Apothekerverband (letztlich haben sie alle ihren Anteil daran) dazu verdonnert, nur solche Verträge abzuschließen, die auf keinen Fall ein Mehr an Bürokratie mit sich bringen.
11 Kommentare
Man kann zur Homöopathie stehen wie man will
von Sven Linnartz am 26.01.2024 um 16:09 Uhr
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Aus die Maus ...
von Reinhard Herzog am 14.01.2024 um 14:16 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 3 Antworten
AW: Aus die Maus ...
von Reinhard Herzog am 14.01.2024 um 14:23 Uhr
AW: Aus die Maus
von Anita Peter am 14.01.2024 um 15:22 Uhr
AW: Aus die Maus
von Martin Didunyk am 14.01.2024 um 15:40 Uhr
NICHT VIEL wird passieren...
von Dr.Diefenbach am 14.01.2024 um 13:21 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: NICHT VIEL wird passieren
von Michael Reinhold am 14.01.2024 um 14:09 Uhr
Ende Gelände
von Thomas Kerlag am 14.01.2024 um 12:25 Uhr
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Wir brauchen eine Anpassung der Honorierung als Sofortmaßnahme
von Bernd Haase am 14.01.2024 um 9:38 Uhr
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Gesprächsresultate
von Ulrich Ströh am 14.01.2024 um 8:50 Uhr
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AW: Gesprächsresultate
von Anita Peter am 14.01.2024 um 9:25 Uhr
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