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Cross-sektionale Beobachtungsstudie

Beruflicher Stress und Aufschub des Toilettengangs können Verstopfungen begünstigen

01.07.2019, 00:00 Uhr


Eine Obstipation kann den Alltag von Betroffenen und insbesondere auch deren Lebensqualität beeinträchtigen. Inwieweit die eigenen Verhaltensweisen dazu beitragen, sollte eine Befragung unter den Mitarbeitern einer spanischen Klinik ans Licht bringen.

Englische Erstveröffentlichung

Turk J Gastroenterol 2018; 29:580-7
 

Studienart

Cross-sektionale Beobachtungsstudie zur Fragestellung, ob ungünstige Gewohnheiten das Verstopfungsrisiko verdoppeln können¹

Im Allgemeinen wird angenommen, dass gesunde Essgewohnheiten, eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme und regelmäßige Bewegung den Stuhlgang erleichtern. Allerdings sind diese Maßnahmen bei Menschen mit chronischer Obstipation alleine nur selten ausreichend wirksam.

Des Weiteren werden auch Verhaltensweisen rund um den Toilettengang empfohlen, um einer Obstipation vorzubeugen; die Datenlage hierzu ist jedoch begrenzt. 

Ziel dieser Studie war es daher herauszufinden, ob eine chronische Obstipation mit ungünstigen Verhaltensweisen im Alltag zusammenhängt. Zu diesen gehören:

  • der Aufschub des Toilettengangs
  • die Unlust, zum aktuellen Zeitpunkt - trotz Drang - zur Toilette zu gehen
  • das Vermeidungsverhalten, außerhalb der eigenen vier Wände zur Toilette zu gehen

 

¹ Cerdán-Santacruz C, Ortega-López M, Vigara-García M, Fernández-Pérez C, Cerdán-Miguel J. Do bad habits bring a double constipation risk? Turk J Gastroenterol 2018; 29: 580-587.

 

Wie wurden die Daten erhoben?

An die Belegschaft einer spanischen Klinik (4466 Mitarbeiter) wurden nach dem Zufallsprinzip 910 Fragebögen verteilt. Sie waren anonym auszufüllen.

415 Mitarbeiter (45,6 Prozent) leiteten die Bögen so zurück, dass sie ausgewertet werden konnten. Der männliche Anteil lag bei 119 Personen (28,7 Prozent), der weibliche bei 296 (71,3 Prozent). Das Durchschnittsalter betrug 43,8 +/- 11,9 Jahre.

 

    Anzahl Anteil 
Altersgruppe 
[in Jahren] 
20 - 30 90 21,7 % 
31 - 40 67 16,1 % 
41 - 50 117 28,2 % 
51 - 60 114 27,5 % 
61 - 70 27    6,5 % 
Geschlecht Männer 119 28,7 % 
Frauen 296 71,3% 

Faktor Geschlecht: Deutlich mehr Frauen berichteten von Verstopfung 

Insgesamt gaben 100 Teilnehmer (24,1 Prozent) an, sie würden sich verstopft fühlen. Während das Alter keine nennenswerte Rolle spielte, wurden Unterschiede hinsichtlich der geschlechtsspezifischen Verteilung offenkundig: Signifikant mehr Frauen als Männer gaben an, unter Verstopfung zu leiden (31,8 gegenüber fünf Prozent; p<0,001).

Die Dauer der Beschwerden betrug im Durchschnitt 113 +/- 66 Monate.

Obstipation: Gute Übereinstimmung von Selbsteinschätzung und Rom-III-Kriterien 

Im Jahr 2006 wurden die so genannten Rom-III-Kriterien definiert und so eine einheitliche Diagnose einer chronischen Obstipation ermöglicht. Auch in der vorliegenden Erhebung waren diese Kriterien Teil des Fragebogens.

Abb. 1: Rom-III-Kriterien² zur Diagnose der funktionellen Obstipation

Es zeigte sich, dass jedes der aufgeführten Rom-III-Kriterien häufiger von Frauen als von Männern erfüllt wurde. Frauen erfüllten auch häufiger zwei der Rom-III-Kriterien als dies bei Männern der Fall war (32,1 Prozent gegenüber 12,6 Prozent).

Generell fand sich ein guter Zusammenhang zwischen den Rom-III-Kriterien und der getroffenen Selbsteinschätzung: Verstopft fühlten sich die Befragten vorwiegend dann, wenn zwei oder mehr der Rom-III-Kriterien auf sie zutrafen (p<0,001).

Abführmittel: Mehr Frauen als Männer verwenden Abführmittel
 

Auch zum Thema Abführmittel und Verdauungshilfen wurden die Teilnehmer befragt. Hier gaben rund zehn Prozent an, Laxantien einzunehmen. Geschlechtsspezifische Unterschiede wurden auch hier offenkundig: Signifikant mehr Frauen als Männer griffen auf Laxantien zurück (12,2 Prozent gegenüber 4,2 Prozent; p=0,014).

Darüber hinaus verwendeten rund zwei Prozent der Teilnehmer Klistiere, 5,3 Prozent Suppositorien und acht Prozent griffen auf manuelle Manöver zur Erleichterung des Stuhlgangs zurück.



¹ Cerdán-Santacruz C, Ortega-López M, Vigara-García M, Fernández-Pérez C, Cerdán-Miguel J. Do bad habits bring a double constipation risk? Turk J Gastroenterol 2018; 29: 580-587.

² Longstreth GF, Thompson WG, Chey WD, et al. Functional bowel disorders. Gastroenterology. 2006 Apr; 130 (5): 1480–1491.


Unterschiede bei Ernährungs- und Toilettengewohnheiten

Der Fragebogen erhob auch Daten zu den Gewohnheiten beim Toilettengang. Zudem sollten die Teilnehmer angeben, ob sie Ernährungsgewohnheiten haben, die allgemein als verdauungsförderlich gelten [Tabelle 2].

Im Gegensatz zu Männern berichteten signifikant weniger Frauen von regulären Toilettenzeiten. Frauen zögerten zudem vermehrt die Stuhlentleerung hinaus und hatten mehr Probleme damit, außerhalb der eigenen vier Wände zur Toilette zu gehen.

Auch waren Frauen insgesamt stärker von Stress betroffen als Männer, Stress zeigte sich hier – wie schon zuvor in anderen Studien - als bedeutender Einflussfaktor auf die Verdauung.


Tab. 2: Lebenssituation, Ess- und Toilettengewohnheiten der Studienteilnehmer (Männer n=119; Frauen n=296) mod. nach 1

Männer Frauen
  Anteil in Prozent p
Wasseraufnahme (> 1.5 Liter) 65,5 55,1  0,05
Ballaststoffreiche Ernährung 68,9 75,3  0,18
Sportliche Betätigung 50,4 42,9  0,164
Reguläre Toilettenzeiten 63,0 48,3  0,007
Hinauszögern des Stuhlgangs 35,3 46,6  0,035
Stuhlgang außerhalb der eigenen vier Wände 79,8 51,7  < 0,001
Stress 32,8 56,1  < 0,001

Die Autoren der Studie kommen zu dem Schluss, dass folgende drei Faktoren das Obstipationsrisiko erhöhen:

  • Weibliches Geschlecht
  • Hinauszögern der Stuhlentleerung
  • Stress (egal ob Familie, berufliches Umfeld oder andere Stressoren) 

 


Auf der anderen Seite zeigte sich, dass folgende Gewohnheiten einer Obstipation vorbeugen können:

  • regelmäßige Toilettenzeiten
  • bereitwillige Toilettenbesuche auch außerhalb der eigenen vier Wände. 



¹ Cerdán-Santacruz C, Ortega-López M, Vigara-García M, Fernández-Pérez C, Cerdán-Miguel J. Do bad habits bring a double constipation risk? Turk J Gastroenterol 2018; 29: 580-587.


Zusammenfassung

Gewohnheiten rund um die Stuhlentleerung standen häufiger mit einer Obstipation im Zusammenhang als Ernährungsgewohnheiten.

Die aktuelle Datenerhebung unter 415 Erwachsenen ergab: Eine Ballaststoffreiche Ernährung, die Trinkmenge oder eine regelmäßige körperliche Bewegung standen in keinem Zusammenhang mit der Ab- oder Anwesenheit einer Obstipation. Gewohnheiten rund um die Stuhlentleerung,  insbesondere ungünstige  Angewohnheiten wie das ständige Hinauszögern des Stuhlgangs oder das Vermeiden fremder Toiletten, zeigten dagegen eine signifikante Korrelation.

Experimentelle Arbeiten haben gezeigt, dass ein absichtliches Aufschieben der Stuhlentleerung den Kolon-Transit verlangsamen und zu einer selteneren Stuhlentleerung mit geringer Stuhlmenge führen kann.

Auch die vorliegende Befragung unterstreicht diesen Aspekt: Viele Menschen können nur auf ihrer eigenen Toilette den Stuhlgang verrichten, nicht aber außer Haus. Dadurch schieben sie die Stuhlentleerung so lange hinaus bis sie wieder zu Hause sind. Ganz besonders betrifft dies Frauen, wie die Studie deutlich herausstellt. Dieses Verhalten könnte eine mögliche Erklärung dafür sein, wieso Frauen häufiger unter Verstopfung leiden als Männer, so die Autoren der Studie. 

Die Studie zeigt auch, dass Stress ein bedeutender Einflussfaktor auf  die normale Darm-Rhythmik sein kann. Auch andere Untersuchungen konnten diesen Zusammenhang aufzeigen. Bei der vorliegenden Befragung gab jeder Zweite (49,2 Prozent) an, unter Stress zu leiden. Dabei fühlten sich Frauen gestresster als Männer (56,1 Prozent gegenüber 32,8 Prozent) und gaben an, dass insbesondere Spannungen im beruflichen Umfeld ihren Stresspegel erhöhten. 

Abschließend lässt sich festhalten, dass Laxantien einen zurückhaltend Einsatz fanden: Etwa 24 Prozent der Befragten fühlten sich verstopft, wobei nur rund 10 Prozent Laxantien verwendeten. Die Autoren konnten zeigen, dass bestimmte Angewohnheiten rund um den Stuhlgang mit einer Obstipation im Zusammenhang standen. Dazu gehörte vor allem, dass der Besuch von Toiletten in bestimmten Situationen vermieden oder zurückgestellt wurde, aber auch regelmäßige und täglich gleiche Defäkationszeiten nicht eingehalten wurden.

Könnten diese Einflussfaktoren verändert und angepasst werden, so wäre dies möglicherweise ein deutlicher Gewinn in der Prävention und Therapie der Obstipation.


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Eva-Maria Hierl, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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