Arzneimittel und Therapie

Neurodegenerative Erkrankungen: Einsatz von Caspasehemmern?

Bei akuten Gehirnverletzungen, die beispielsweise durch eine verminderte Durchblutung entstehen, scheinen sowohl Nekrosen aufzutreten als auch Zellen durch Apoptose abzusterben. Bei Mäusen konnte durch die Hemmung der Caspasen die Intensität von akuten Gehirnverletzungen infolge einer Durchblutungsstörung vermindert werden.

Ob bei chronischen neurologischen Erkrankungen des Menschen ebenfalls Nervenzellen durch Apoptose sterben, war bisher schwer nachzuweisen, da die Zellen nach und nach absterben und dann auch sofort aus dem Gewebe entfernt werden. Durch neue empfindlichere Nachweismöglichkeiten gibt es jetzt Hinweise, daß die Apoptose tatsächlich auch bei neurodegenerativen Erkrankungen auftritt.

Caspasehemmer könnten zur Behandlung von neurodegenerativen Erkrankungen genutzt werden. In einem Tiermodell für die Amyotropische Lateralsklerose (ALS), eine progressive, degenerative Erkrankung von motorischen Neuronen, wird mit transgenen Mäusen gearbeitet, die einen Inhibitor der Caspase-1, das ≥Interleukin-1ß Converting Enzym" (ICE), überexprimieren.
Zwar konnte ein derartiger Hemmstoff das Auftreten der ersten Symptome nicht hinausschieben, aber das Fortschreiten der Krankheit wurde signifikant verlangsamt. Dieses Ergebnis ist auch deshalb interessant, weil nur eine von zehn Caspasen, die für die Regulation der neuronalen Apoptose verantwortlich sind, gehemmt wurde. Die Blockade der Caspaseaktivität kann somit einen Einfluß auf den Verlauf von neurodegenerativen Erkrankungen haben.
Durch Überexpression des Anti-Apoptoseproteins Bcl-2 in dem gleichen ALS-Mäusemodell konnte dagegen das Auftreten der Krankheit verzögert und außerdem die Lebenszeit der Neuronen verlängert werden. Allerdings blieb in diesem Fall die Krankheitsdauer unbeeinflußt. Im Gegensatz dazu wurden durch die Überexpression des Anti-Apoptoseproteins Bcl-2 in einem Mausmodell für die progressive motorische Neuropathie, motorische Neuronen vor Atrophie und dem Absterben geschützt.
Es zeigte sich jedoch, daß erstens der Krankheitsverlauf nicht gebremst wurde und zweitens Axone nicht vor einer Degeneration geschützt werden konnten. Daraus läßt sich ableiten, daß die Symptome von einigen neurodegenerativen Erkrankungen vorwiegend durch Funktionsstörungen und Degeneration von Axonen oder Dendriten verursacht werden und nicht durch den Zelltod per se. Demnach bleibt die Therapie mit Caspaseinhibitoren auf einige neurodegenerative Erkrankungen beschränkt.

Nach einer Modellvorstellung wird die Apoptose durch eine spezifische Reihe von Vorgängen ausgelöst, in der die Aktivierung der Caspasen der letzte Schritt ist. Ob der Abbau vieler Proteine durch die Caspasen der Auslöser für die Apoptose von Neuronen ist, oder ob die Spaltung einiger Proteine ausreicht, ist ungeklärt.
Einige spezifische Proteine scheinen in einem direkten Zusammenhang zu einer neurodegenerativen Erkrankung zu stehen. Diese Proteine, die Preseniline 1 und 2, werden von den Caspasen-3 abgebaut. Mutationen in den Genen dieser Preseniline sind der häufigste Grund für den frühen Ausbruch einer familiären, dominant vererbten Alzheimer-Erkrankung. Daraus könnte man schließen, daß die Spaltung der Preseniline der entscheidende Auslöser für die Apoptose ist. Allerdings stellt der Abbau der Preseniline nur eine Möglichkeit der vielen intrazellulären proteolytischen Reaktionen dar, die von den Caspasen katalysiert werden.




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