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- DAZ 4/1998
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Arzneimittel und Therapie
Nervensystem: Dauerstreß schädigt Nervenzellen
Unter Streß werden Glucocorticoide als Streßhormone vermehrt ausgeschüttet, und erhöhte Glucocorticoid-Blutspiegel können nachgewiesen werden. Bei akut erhöhten Glucocorticoid-Spiegeln wird Energie mobilisiert, das kardiovaskuläre System angeregt und das Denkvermögen erleichtert. Chronische Erhöhungen führen neben Blutdruckanstieg und erhöhtem Risiko für Diabetes, Magengeschwüre und Infektionen zu einem Absterben von Nervenzellen im Hippocampus, einem entscheidenden Gehirnareal für Lernen und Gedächtnis. Durch erhöhte Glucocorticoidspiegel verliert das Neuron seine Fähigkeit, Energie zu speichern, da der Glucosetransport in die Nervenzelle gehemmt wird. Glucocorticoide verschlimmern so Nervenschädigungen, die durch zerebrale Krämpfe, Hypoglykämie, Hypoxie/Ischämie, Radikalbildner, Beta-Amyloid (ein Peptid, das bei der Pathogenese von Morbus Alzheimer eine entscheidende Rolle spielt) und gp120 (das Hüllprotein des HIV-1-Virus) ausgelöst werden. Glucocorticoide wurden und werden zur Therapie eines Ödems nach einem Schlaganfall verabreicht, was diesen Erkenntnissen zufolge allerdings zu einer Verschlimmerung der Situation der Nervenzellen führen dürfte. Bei Patienten, die nach Dauereinnahme von Glucocorticoiden an einem Cushing-Syndrom leiden, treten Gedächtnisprobleme auf, die auf einer selektiven Zerstörung von hippocampalen Neuronen beruhen. Bei genaueren histologischen Untersuchungen stellt man eine reversible Atrophie der Dendriten fest. Ähnliche Nervenschädigungen findet man bei Vietnam-Veteranen und bei Personen, die als Kind mißbraucht wurden, weil diese Nervenschädigungen auch noch Jahre nach den Ereignissen durch den Dauerstreß ausgelöst werden können. Auch bei etwa der Hälfte von Patienten mit Depressionen sind die Glucocorticoidspiegel infolge von Streßreaktionen erhöht.
Arzneistoffe wie Aminoglutethimid blockieren die Glucocorticoid-Sekretion. Ist das Hormon aber bereits ausgeschüttet, kann eine Blockade der Glucocorticoid-Rezeptoren und die Energiesupplementierung in Form von Mannit und Ketonen vorteilhaft sein. Die Gentechnologie eröffnet heute die Möglichkeit, eine "bessere", widerstandsfähigere Nervenzelle zu kreieren, indem spezielle Gene durch Viren als Vektoren in das Genom der Zelle eingeführt werden. Erste Versuche wurden mit dem Gen für den Glucosetransporter durchgeführt: Die genetisch veränderten Nervenzellen mit einem erhöhten Gehalt an Glucosetransportern waren unter experimentellen Bedingungen widerstandsfähiger gegenüber anoxischen, aglykämischen und exzitotoxischen Bedingungen.
Für den Einsatz von Vektoren in der Klinik stellt sich das Problem, daß der Vektor nach dem Insult (der Schädigung) gegeben noch wirksam sein muß. Diese Forschungsrichtung steckt noch in den Kinderschuhen, da die vorgestellten Vektoren bisher noch Entzündungsprozesse auslösen. Forschungsziel ist es, die Genexpression durch diese Vektoren zu erhöhen und größere Gehirnbereiche durch den Gentransfer zu erreichen. Phantastisch wäre es natürlich, wenn die Genexpression durch die Schädigung selbst induziert werden könnte. Bei einem Experiment an Ratten zeigt ein Vektor, der so konzipiert ist, daß der durch erhöhte Glucocorticoidspiegel "angeschaltet" wird, erste Erfolge durch protektive Eigenschaften bei epileptischen Krämpfen.
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