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Einwurf: Menschen als "Wohlstandsmüll"
Nachdem die Gesellschaft für deutsche Sprache bereits im Dezember den "Reformstau" als WORT DES JAHRES gewählt hatte, bestimmte am Dienstag dieser Woche eine unabhängige Jury unter Federführung der Universität Frankfurt "Menschen als Wohlstandsmüll" zum UNWORT des Jahres 1997. Damit wurde der Präsident des Nestlé-Verwaltungsrates, Helmut Maucher, ganz schön an den Pranger gestellt, hatte er doch in einer Fernsehsendung gesagt: "Wir haben einen gewissen Prozentsatz an Wohlstandsmüll in unserer Gesellschaft. Leute, die entweder keinen Antrieb haben, halb krank oder müde sind, die das System ausnutzen." Auch wenn er seine Bemerkung als "plastische Formulierung" verteidigte, sah der Jury-Vorsitzende Professor Horst Dieter Schlosser das als den schlimmsten aller Vorschläge, würden hier doch auch Kranke diskriminiert, als Leergut einer Wegwerfgesellschaft. Auf den zweiten Platz der Unwort-Liste kam die "Organspende". Die Entnahme von Organen bei Menschen, die meist gar keine Entscheidung mehr treffen könnten, als Spende zu bezeichnen, sei nicht mehr tolerabel. Oder seien wir inzwischen so weit, "daß Sterbende auf eine Stufe mit Artefakten wie Handtuch-, Honig- oder Seifenspender gestellt werden?" In der Hitliste der 20 am meisten vorgeschlagenen Unworte tauchen Begriffe aus dem medizinisch-pharmazeutischen Bereich noch mehrfach auf, etwa das "Notopfer Krankenhaus", der "Hirntod" oder die "Gesundheitsreform". Wie wahr: denn die Gesundheit läßt sich kaum reformieren. Aus medizinisch-pharmazeutischer Sicht ist dennoch zu fragen, ob die gewählten Worte und Unworte des letzten Jahres auch die Wirklichkeit dieser Welt treffen. Ich hätte hier vielleicht die "Nullrezepte" zum Unwort gewählt und "Zuzahlungen" als Wort des Jahres. Die Frage ist auch, wählt man mehr unter positiven oder negativen Aspekten aus. Negativ wären sicher die "Versandapotheken" und der "Arzneimittelversand" hervorzuheben, positiv die "Pharmazeutische Betreuung". Und die Ärzte würden sich möglicherweise für das Hamsterrad entscheiden, in dem sie durch den Chipkartentourismus und das Ärztehopping für die Praxisbudgets strampeln müssen. Als Satz des Jahres käme schließlich der Ausspruch des SPD-Gesundheitsexperten Rudolf Dressler in Frage: "Es gilt das gebrochene Wort", so sein Ausspruch während der Bundestagsdebatte über die dritte Stufe der Gesundheitsreform. Vielleicht wären Pharmazeuten und Mediziner gut beraten, am Ende dieses Jahres selbst einmal das sie am meisten betreffende und sie erregende Wort und Unwort des Jahres zu wählen, um sensibler die Vorgänge eines Jahres auf den Punkt zu bringen. Die DAZ wird im November dazu aufrufen. Dann haben Sie das letzte Wort! Hans Mohl
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