Bericht

Psychotrope Arzneipflanzen: Phytos für die Psyche

Psychotrope Phytopharmaka gewinnen zunehmend an Beliebtheit. Prof. Dr. Volker Faust, Weissenau - Zentrum für Psychiatrie, Ravensburg, sprach auf dem diesjährigen Pharmacon Davos über Vorteile und Grenzen des Einsatzes von Baldrian, Ginkgo biloba, Hopfen, Johanniskraut, Kava-Kava, Melisse und Passionsblume.

Johanniskraut gegen Depressionen
"Johanniskraut ist der Renner unter den Phytopharmaka", erklärte Faust. Es macht ein Viertel aller psychotropen Phytos aus, die sich derzeit auf dem Markt befinden. Indikationen für Johanniskraut sind leichte Depressionen, wobei die Betonung auf leicht liegt - bei mittelschweren oder schweren Depressionen mit Suizidgefahr ist eine Therapie mit Johanniskraut nicht ausreichend. Bei der sogenannten Winterdepression, von der vor allem Frauen betroffen sind und die sich durch einen Kohlenhydratheißhunger und einen erhöhten Schlafbedarf zeigt, sowie beim Burnout-Syndrom, zeigt der Einsatz von Johanniskraut gute Erfolge. Auch die Trauerreaktion ist laut Faust eine sinnvolle Indikation für Johanniskraut, da es zwar die Trauer mindert, im Gegensatz zu Benzodiazepinen jedoch nicht die Phase der Trauerarbeit unterbricht.
Verschiedentlich wird Johanniskraut auch zur Behandlung des Prämenstruellen Syndroms eingesetzt. Die Therapie ist laut Faust jedoch problematisch: Johanniskraut benötigt etwa ein bis drei Wochen, bis es eine Wirkung zeigt, mit der Behandlung muß also praktisch direkt nach Beendigung der Periode begonnen werden, damit bis zum Auftreten des nächsten Prämenstruellen Syndroms ein Effekt beobachtet werden kann. Eine weitere Indikation für Johanniskraut ist die Altersdepression. Allerdings wirkt Johanniskraut in diesem Falle nicht so gut wie bei der Depression bei jungen Menschen.
Johanniskraut wird in der Regel in einer Dosierung von dreimal 300 mg pro Tag verordnet. Die Behandlungsdauer beträgt mehrere Monate und sollte drei Monate nicht unterschreiten. Patienten, die Johanniskraut einnehmen, sollten darauf hingewiesen werden, daß die Therapie nicht kurzfristig abgesetzt werden sollte, da dies zu einer Verstärkung der Depression führen kann. Nebenwirkungen, die sich unter der Behandlung mit Johanniskraut gezeigt haben, sind vor allem Magen-Darm-Beschwerden sowie allergische Reaktionen, seltener Müdigkeit und Schwindel. Die oft erwähnte Lichtempfindlichkeit unter Johanniskraut findet man laut Faust nur sehr selten. Prof. Dr. Faust wies darauf hin, daß Johanniskraut ohne Bedenken auch in Kombination mit Baldrian und Melisse verabreicht werden kann. Die lange Zeit verbreitete Meinung, daß diese Kombinationen eine Suchtgefahr in sich bergen würden, hat sich nicht bestätigt.

Kava-Kava gegen Ängste
Bei leichteren generalisierten Angststörungen kann Kava-Kava als Alternative zu trizyklischen Antidepressiva oder Serotonin-Wiederaufnahmehemmern verabreicht werden. Auch hier gilt jedoch, daß sich Kava-Kava nur für leichte Formen eignet und nicht für psychotische Erkrankungen. Die Dosierung von Kava-Kava sollte nach neueren Studien zufolge bei 120 bis 240 mg am Tag liegen. Die geltende Meinung, daß Kava-Kava nicht länger als drei Monate verabreicht werden sollte, ist laut Faust diskussionsbedürftig. Auch Kava-Kava besitzt eine Latenzzeit von mindestens drei Wochen. Nebenwirkungen sind unter Kava-Kava kaum zu erwarten. Selten auftretende Nebenwirkungen sind Magen-Darm-Beschwerden, Kopfschmerzen, Allergien, erhöhter Bewegungsdrang, Mundtrockenheit, Müdigkeit und Gelbfärbung der Nägel. Letzeres allerdings nur bei extrem hoher Dosierung. Interaktionen sind laut Faust ebenfalls keine zu erwarten. Als Kontraindikation für Kava-Kava gelten Schwangerschaft und Stillzeit sowie endogene Depressionen.

"Edelplazebos" bei Befindlichkeitsstörungen
Die sedierenden Phytopharmaka Baldrian, Melisse, Hopfen und Passionsblume bezeichnete Faust als "Edelplazebos". Die Substanzen werden meist in Form von Kombinationspräparaten verordnet und besitzen eine angst- und spannungslösende, einschlaffördernde und beruhigende Wirkung. Wie Faust erklärte, eignen sich die sedierenden Phytopharmaka zur Behandlung des psychovegetativen Syndroms, von dem etwa ein Viertel der Bevölkerung zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr betroffen ist - allerdings nur im Rahmen des Gesamtbehandlungskonzeptes. Eine Behandlungsmaßnahme mit diesen Substanzen alleine steht laut Faust auf verlorenem Posten, im Zusammenhang aber führt der richtige Einsatz meist zu einem befriedigenden Erfolg. Baldrian, Melisse, Hopfen und Passionsblume stehen bereits seit langer Zeit zur Verfügung. Sie zeichnet sich durch eine milde Wirkung, praktisch ohne Nebenwirkungen und/oder Wechselwirkungen aus.

Ginkgo biloba bei Demenz
Der Einsatz von Ginkgo biloba zur Therapie der Demenz ist sehr umstritten. Wie Faust erklärte, ist die Anwendung, auch wenn die Wirksamkeit nicht erwiesen ist, jedoch zumindest als psychologische Unterstützung sinnvoll: "Stellen Sie sich vor, sie haben einen Patienten mit einer Demenz vor sich und können ihm eigentlich nur sagen, daß sie nichts für ihn tun können. Da ist es doch sehr viel besser, ein Phytopharmakum wie Ginkgo biloba zu verordnen, um dem Patienten zumindest das Gefühl zu geben, man könne ihm helfen."
Insgesamt betonte Faust, gilt für alle psychotropen Psychopharmaka, daß sie eingepaßt in den Gesamtbehandlungsplan eine sinnvolle Therapiesäule darstellen. Zusammen mit Psychotherapie, soziotherapeutischen Korrekturen und Hilfen sowie physikalischen Unterstützungsmaßnahmen können sie erfolgreich in der Therapie von psychischen Leiden eingesetzt werden. "Es gilt die Vorteile zu nutzen und die Grenzen zu respektieren".


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