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Medicentre in Großbritannien: Der Arztbesuch - ganz locker
Konzept der Medicentre ist es, den Besuch beim Hausarzt in den normalen Tagesablauf der Patienten zu integrieren. Im Gegensatz zu Deutschland ist in Großbritannien der Hausarzt immer die erste Anlaufstelle für den Patienten, er wirkt somit als "gatekeeper" (Pförtner) für das nationale Gesundheitssystem (NHS). Insgesamt sieben Medicentre wurden seit 1996 in England inzwischen eröffnet, 24 weitere sind großbritannien-weit für dieses Jahr geplant. Die Standorte dieser Medicentre liegen sehr zentral, vier in Londoner Bahnhöfen (zweimal Victoria, Waterloo und Euston), zwei in Supermärkten (Sainsbury's, Sheffield). Jedes Medicentre ist mit ein oder zwei Ärzten besetzt, die von Sinclair Montrose Healthcare (SMH), der Firma hinter den Medicentres, angestellt werden. Diese werden zusätzlich von Teilzeitkräften unterstützt. Selbst Reiseimpfungen, Physiotherapie und ein umfassender Check-up sowie alternative Therapien wie z.B. Aromatherapie, Reflextherapie, Akupunktur und Streßberatung sind in den Medicentres erhältlich. Den Luxus, zum Arzt gehen zu können, wo immer und wann immer man es möchte, genießt man jedoch nicht ganz umsonst. Eine 15minütige Beratung durch den Arzt kostet £36, während weiblichen Patienten für einen Zervixabstrich inklusive Brustuntersuchung £40 in Rechnung gestellt wird.
Medicentres bald bei Boots Trotz ihres Status als private Arztpraxis ist man bei SMH auf eine gute Zusammenarbeit mit dem NHS (National Health Service) bedacht. Dies spiegelt sich vor allem in dem kürzlich zustande gekommenen Abkommen mit Boots the Chemist wider. Boots wird SMH die Örtlichkeiten für die Medicentre zur Verfügung stellen, diese wiederum werden NHS-Ärzten die Möglichkeit bieten, sogenannte Satellitenpraxen in Haupteinkaufszentren einzurichten. Ein Pilotprojekt soll in Kürze gestartet werden. "Wir sind sehr begeistert über das bevorstehende Pilotprojekt mit Großbritanniens größtem Apothekenbesitzer, was Medicentre eine zusätzliche Präsenz in den Einkaufszentren gibt", so Kate Bleasdale, Sprecherin von SMH. Die Reaktion der Ärzteschaft ist vorsichtig positiv. Ein Sprecher der British Medical Association (BMA) sagte: "Medicentre gibt den Patienten eine größere Wahl bezüglich des Wann und Wo sie zum Arzt gehen - das muß als eine gute Sache angesehen werden." Die BMA hat jedoch Bedenken im Hinblick auf die Kontinuität der ärztlichen Versorgung. Der Sprecher der BMA weist darauf hin, daß im Rahmen des NHS ein Doktor rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr auf Abruf bereit steht. Dies ist bei den Medicentre, trotz deren verlängerten Öffnungszeiten, seiner Meinung nach nicht der Fall (die meisten Medicentre sind montags bis freitags von 7.00 bis 21.00 Uhr geöffnet und samstags von 9.00 bis 17.00 Uhr). Der BMA bemängelt außerdem, daß der Doktor in Medicentres auf die Angaben des Patienten bezüglich seiner Krankengeschichte angewiesen ist. Außerdem, so der BMA-Sprecher, sei es unbedingt nötig, daß der Hausarzt des Patienten über jegliche Verschreibung von Medikamenten und eventuelle Probleme unterrichtet wird. Kate Bleasdale weist dagegen darauf hin, daß der Arzt in einem Medicentre vor einer Diagnose immer eine vollständige Krankengeschichte erfragen wird. In einem BBC-Interview sagte sie vor kurzem: "Wir bieten einen etwas anderen Service an und hoffen im Endeffekt zum Hausarzt des Patienten zu werden."
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