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Großbritannien: Die Pille danach bald auch ohne Rezept?

LONDON (nkh). Der Switch der "Pille danach" vom rezeptpflichtigen zum apothekenpflichtigen Arzneimittel ist in England einen Schritt näher gerückt. Der für die Sicherheit von Arzneimittel zuständige Ausschuss der englischen Zulassungsstelle (Medicines Control Agency, MCA) kündigte letzte Woche an, dass man es nach Begutachtung aller wissenschaftlicher Unterlagen als erwiesen angesehen hat, dass Levonorgestrel 0,75 mg (Levonell®) ohne Risiko als apothekenpflichtiges Medikament an Frauen über 16 Jahren abgegeben werden kann.

Damit reagierte die MCA auf einen Antrag des Herstellers (Schering Healthcare), dem, falls erfolgreich, manch anderes Medikament nachfolgen könnte. Noch sind jedoch einige bürokratische Hürden zu überwinden und die MCA hat jetzt einen sechswöchigen Konsultationsprozess eingeleitet. Es wird jedoch allgemein erwartet, dass die vorgeschlagene Reklassifizierung von Levonell im Herbst von dem englischen Parlament debattiert und verabschiedet wird. Die Pille danach könnte dann schon zum Ende des Jahres ohne Rezept in der Apotheke erhältlich sein.

Die Royal Pharmaceutical Society wies darauf hin, dass Apotheker als Experten in Sachen Arzneimittel im Verlauf ihres täglichen Geschäftes hoch potente Arzneimittel, die nicht rezeptpflichtig sind, abgeben. Ein Sprecher sagte gegenüber der DAZ, dass die Society der Meinung sei, dass Emergency Hormonal Contraception (EHC) vom Apotheker erhältlich sein sollte: "Wir wissen, dass viele unserer Mitglieder sehr interessiert daran sind, an diesem wichtigen Bereich der Gesundheitsversorgung beteiligt zu werden. Es ist unserer Meinung nach im öffentlichen Interesse, dass den Apothekern nach entsprechender Fortbildung diese Verantwortung übertragen wird."

Auch von Seiten des britischen Schwangerschaftsberatungsdienstes (British Pregnancy Advisory Service) wurde der Schritt der MCA begrüßt. Ann Furedi, die Communications Director der BPAS, schrieb in einem offenen Brief an die Tageszeitung "The Guardian": Der Wegfall der Verschreibungspflicht kann mehr tun als es lediglich einfacher zu machen, EHC zu erhalten. Es würde vielmehr ein klares Signal aussenden: es ist sicher, es ist legitim und es ist für Frauen wie du. Das Potenzial für apothekenpflichtige EHC liegt vor allem in der Tatsache, dass Frauen "es einfach und ohne Stigma kaufen können."

Die Frage, ob der Zugang zu Emergency Hormonal Contraception vereinfacht werden sollte, und welche Rolle der Apotheker hierbei erfüllen könnte und sollte, wird in England seit längerem diskutiert. Der Rat der Royal Society debattierte dieses Thema in seiner letzten Sitzung, und kam zu dem Schluss, dass man der Deregulierung der Pille danach von rezept- zu apothekenpflichtig zustimmen müsse. Alles andere sei nach Ansicht eines Ratsmitglieds "beruflicher Selbstmord".

Ein Mitglied des Rates wies darauf hin, dass Levonell deutlich effektiver und sicherer sei als das ebenfalls von Schering hergestellte Präparat PC4, das in einem Pilotprojekt in Manchester verwendet wird. Bedenken wurden jedoch dahingehend geäußert, dass ein auf festgelegten Richtlinien basierendes System gegenüber der einfachen Deregulierung zahlreiche Vorteile habe. Ein solcher Ansatz, wie er z. B. in Manchester seit Dezember durchgeführt wird, erlaubt es dem Apotheker, das Medikament eigenständig zu verschreiben. Nach Meinung des Rates der Royal Society könne hierbei die Öffentlichkeit in die Entwicklung dieser spezifischen Dienstleistung mit einbezogen werden. Außerdem sei die Fortbildung für die Apotheker ein integraler Bestandteil, es gebe Vorteile in Bezug auf die "clinical governance" (ein Lieblingswort der neuen Labour Regierung, gleichbedeutend mit einer Überprüfung der klinischen Effizienz und Kompetenz), und zudem stelle der Preis des Medikamentes keine Hürde dar.

Die erst vor zwei Wochen neugewählte Abgeordnete aus Romsey, eine Apothekerin, zeigte sich in einer Sitzung der parlamentarischen Pharmaziegruppe, an der alle Parteien beteiligt sind, ebenfalls besorgt, dass die Vorschläge der MCA zur Einführung einer Preishürde führen könnten. Außerdem würden nicht alle Apotheker den gleichen Grad an Fortbildung erhalten wie z. B. ihre Kollegen aus Manchester, die an dem Pilotprojekt teilnehmen.

Die Leiterin des Manchester Pilotprojektes, Karen O'Brian, berichtete in der gleichen Sitzung, dass bisher knapp 1500 Anfragen für die Pille danach eingegangen sind und Patientinnen sogar aus dem ferngelegenen Cambridge oder Southampton angereist sind. Miss O' Brian sagte: "Wir sind davon überzeugt, dass dies der richtige Weg ist und dass das Projekt auf Landesebene ausgeweitet werden soll."

Ein Ausschuss der britischen Arzneimittelbehörde kam zu der Auffassung, dass man die "Pille danach" (Wirkstoff Levonorgestrel 0,75 mg) ohne Risiko auch ohne Rezept in Apotheken an Frauen über 16 Jahren abgeben könne. Daher dürften diese Präparate dort demnächst aus der Verschreibungspflicht in die Apothekenpflicht entlassen werden.

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