Kommentar

Arzneiverordnungsreport 2001 vorgestellt: Umsatzanstieg trotz Sparerfolgen

Berlin (sw). Der jährlich erscheinende Arzneiverordnungsreport (AVR) zeigt die aktuellen Trends im Verordnungsverhalten der Kassenärzte auf und gibt Impulse zur Kosteneinsparung. Er ist eine wichtige und anerkannte Informationsquelle für alle, die mit Gesundheitspolitik zu tun haben. Der aktuelle, wieder im wissenschaftlichen Springer-Verlag erschienene AVR wurde am 17. Oktober in Berlin vorgestellt.

Im Berichtszeitraum 2000 hat es weitere Rückgänge in der Verordnung umstrittener Arzneimittel sowie einen wachsenden Generikaanteil gegeben. Gleichzeitig stiegen die Ausgaben für innovative Arzneimittel erheblich. Der aus diesen gegenläufigen Prozessen resultierende Anstieg im Fertigarzneimittelumsatz de gesetzlichen Krankenkassen lag zwar unter dem Zuwachs von 1999, die Ausgaben stiegen aber trotzdem auf 37,8 Mrd. DM. Die Ärzteschaft hat mit ihren Sparanstrengungen wesentlich dazu beitragen, dass der Umsatzanstieg nur 2,8% betrug (in Frankreich, den USA, Italien, Australien und Neuseeland liegt er zwischen 9 und 13%). Die Verordnungshäufigkeit ist im Jahr 2000 um 4,3% gesunken, die Preise haben sich um nur 0,7% erhöht. Die Verschiebung zu teureren Präparaten hat am stärksten zum Umsatzanstieg beigetragen. Der Wert je verordneter Arzneimittelpackung ist von 1992 bis 2000 um ca. 60% angestiegen und lag im Jahr 2000 bei 50,47 DM.

Kritik an der Politik

Der Politik wird vorgeworfen, dass sie seit Jahren unnötige Arzneimittelausgaben in Milliardenhöhe toleriert - 1 Mrd. durch das Fehlen einer rechtssicheren Festbetragsregelung seit 1999, 650 Mio. DM durch juristische Blockade der neuen Arzneimittelrichtlinie im April 1999 und 2 Mrd. DM durch Verschieben der Positivliste auf das Jahr 2003. Hinzu kam nun in diesem Jahr die durch die Ankündigung der Abschaffung des Arzneimittelbudgets entstandene Kostenlawine, die die Arzneimittelausgaben im 1. Halbjahr 2001 um 10,8% anstiegen ließ. Hingewiesen wurde auch erneut auf die Nützlichkeit einer Senkung der Mehrwertsteuer für Arzneimittel auf europäisches Durchschnittsniveau und die Notwendigkeit der Entlastung der GKV von versicherungsfremden Leistungen.

Einsparpotenziale

Allein für umstrittene Arzneimittel sind die Kosten seit 1992 von 9,4 auf 3,9 Mrd. DM zurückgegangen - diese Einsparungen durch die Ärzteschaft haben sich gegen erhebliche juristische Widerstände der Pharmaindustrie durchgesetzt. Bei der Generikaverordnung ist Deutschland Spitzenreiter. In den letzten 20 Jahren ist ihr Anteil von 11% auf 49% angestiegen. Die Tagestherapiekosten sanken in den letzten zehn Jahren um 7 bis 55% (im gesamten Arzneimittelmarkt stiegen sie um 26%). Weitere Einsparmöglichkeiten könnten realisiert werden, wenn innerhalb der Generika jeweils die preisgünstigsten eingesetzt würden. Für die Analogpräparate werden erstmals Einzelpräparate mit Substitutionsvorschlägen aufgelistet. Das höchste Einsparpotenzial hat der Calciumantagonist Amlodipin (Norvase), wenn eine Substitution mit dem ursprünglichen Innovationsprodukt Nitrendipin (z. B. Nitrensal) vorgenommen wird. Die umsatzstärksten zwölf Präparate ergeben zusammen eine Einsparung von 1.061 Mio. DM (die Hälfte aller Analogpräparate). Würden alle KV danach handeln, hätten die Vertragsärzte 8,1 Mrd. DM (= 21% an den GKV-Arzneimittelkosten) einsparen können.

Innovative Arzneimittel

Sie waren auch im Jahr 2000 der Hauptgrund für die gestiegenen Arzneimittelausgaben - Cholesterinsynthesehemmer, Opiodanalgetika, COX-2-Inhibitoren, Immuntherapeutika, atypische Neuroleptika und selektive Antidepressiva. Diese sechs Präparategruppen mit gesichertem therapeutischen Zusatznutzen waren mit 843 Mio. DM für den größten Teil des Umsatzanstiegs verantwortlich. Sie haben teilweise zu beträchtlichen therapeutischen Erfolgen geführt, z. B. bei der lipidsenkenden Sekundärprophylaxe bei Koronarpatienten. Von einer Unterversorgung, die sie von der pharmazeutischen Industrie behauptet wird, kann nicht die Rede sein. Es wurde darauf verweisen, dass neue Arzneimittel nicht zu schnell und nur dann eingesetzt werden sollten, wenn ein Zusatznutzen bewiesen ist bzw. wenn gut erprobte Standardtherapeutika nicht vertragen werden.

Regionale Arzneiverordnungsprofile

Eine Kernaussage des AVR ist: Wenn alle Kassenärzte entsprechend der im AVR empfohlenen Therapiegrundsätze verordneten, dann hätten insgesamt 8,1 Mrd. DM eingespart werden können - das wären dann sogar Budgetunterschreitungen. Tatsächlich aber schwanken beispielsweise die Verordnungsanteile der Generika zwischen 69 und 82%, die Anteile umstrittener Arzneimittel zwischen 7 und 12%. Insbesondere gibt es noch erhebliche Reserven innerhalb der Palette der Generika (z. B. kostet die Tagestherapie mit dem Protonenpumpenhemmer Omeprazol in der KV Mecklenburg-Vorpommern 3,78 DM, in der KV Bremen 3,26 DM - 16% Unterschied). Bei entsprechender Bereitschaft der Kassenärzte zu Wirtschaftlichkeit blieben ausreichend Möglichkeiten zur Finanzierung neuer und teurer Arzneimitteltherapien dort, wo sie nötig sind, so heißt es im Report.

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