Recht

R. ZillerArzneimittelwerbung – ein Überblick

Das Mittel schlechthin zur Verbreitung von Informationen aller Art ist heutzutage die Werbung. Im Wege der Werbung erreicht man die potenziellen Verbraucherkreise und kann auf direktem Wege Einfluss auf die Kaufentscheidung nehmen. Werbung für Arzneimittel ist allerdings ähnlich umstritten wie Werbung für Alkohol und Tabakwaren. Es existiert ein weithin verbreitetes Vorurteil, dem man nicht oft genug entgegentreten kann: Werbung führt angeblich zu einem Mehrkonsum an Arzneimitteln.

Wie wirkt sich Werbung auf den Konsum aus?

Es ist schlichtweg falsch zu behaupten, dass Arzneimittelwerbung zu einem Mehrkonsum an Arzneimitteln führt. Für einen kausalen Zusammenhang zwischen Arzneimittelwerbung und Arzneimittel-Gesamtverbrauch gibt es keine empirische Grundlage. Publikumswerbung für Arzneimittel kann allenfalls zu einer Umsatzverschiebung bei einzelnen Produkten, nicht aber zu einer Umsatzsteigerung im entsprechenden Indikationsgebiet führen. Dennoch kann man nicht im Umkehrschluss zu dem Ergebnis kommen, dass Werbung im Arzneimittelbereich überhaupt nichts bringt.

Gute und kreative Arzneimittelwerbung kann einer Firma im Verdrängungswettbewerb wichtige Marktanteile sichern und dazu beitragen, dass sich bestimmte Marken bei den Verbrauchern fest etablieren und dadurch möglicherweise andere, nur auf ihren Bekanntheitsgrad vertrauende Marken verdrängen.

Regelung durch das Heilmittelwerbegesetz

Jedoch ist nicht alles erlaubt, was gefällt, und schon gar nicht, was sich die Marketing-Abteilungen der Unternehmen oft einfallen lassen. Arzneimittel werden vom Gesetzgeber als Waren besonderer Art eingestuft. Das heißt, sie sind ihrer speziellen Art und Wirkung nach nicht vergleichbar mit Konsumgütern des täglichen Lebens. Deshalb gibt es auch für die Arzneimittelwerbung besondere gesetzliche Bestimmungen.

Das Heilmittelwerbegesetz (HWG) ist das einzige Sondergesetz für einen Teilbereich des Wettbewerbsrechts. Die Werbung für alle anderen Produkte wird an den Generalklauseln des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb gemessen. Das Heilmittelwerbegesetz soll den Gesundheitsinteressen des Einzelnen und der Allgemeinheit dienen und enthält demzufolge eine Reihe von Vorschriften mit Gebots- und Verbots-Tatbeständen, die für die Werbung anderer Produkte nicht gelten. Das HWG gilt nicht nur für Arzneimittel, sondern auch für Kosmetika, Gegenstände und Behandlungen, soweit für sie Aussagen gemacht werden, die sich auf das Erkennen, Beseitigen oder Lindern von Krankheiten beziehen.

Exklusive Fachwerbung

So ist z. B. die Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel nur gegenüber den Angehörigen der Heilberufe erlaubt, die solche verordnen dürfen, und gegenüber solchen Personen, die mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln erlaubterweise Handel treiben. Gegenüber dem Publikum darf für verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht geworben werden.

Darüber hinaus darf gegenüber dem Publikum nicht für Arzneimittel zur Beseitigung der Schlaflosigkeit, zur Beseitigung psychischer Störungen oder zur Beeinflussung der Stimmungslage geworben werden. Zudem hat der Gesetzgeber einen Katalog von Krankheiten in einer Anlage zu § 12 HWG aufgenommen, für die ebenfalls gegenüber dem Publikum nicht geworben werden darf. Dort finden sich überwiegend schwerwiegende Erkrankungen, die einer Selbstbehandlung nicht zugänglich sind. Durch die weiten Formulierungen in der Liste werden aber auch Krankheitsbilder erfasst, die keineswegs als derart schwerwiegend eingeordnet werden müssen, z. B. auch die Heilung oder Linderung des unter "Krankheiten des Stoffwechsels" § 12 HWG Anhang A Nr. 3 fallenden erhöhten Cholesterinspiegels.

Verbotene Werbemethoden

Für Arzneimittel darf gegenüber dem Publikum mit einer ganzen Reihe von Werbemethoden nicht geworben werden, die bei der Werbung für andere Produktgruppen das "Salz in der Suppe" sind. Verboten ist z. B. die Werbung mit fachlichen - sprich: ärztlichen, pharmazeutischen etc. - Empfehlungen oder Gutachten. Darüber hinaus ist die Werbung mit Dankes- und Empfehlungsschreiben von Dritten verboten. Ebenfalls nicht erlaubt ist ein Vorher/Nachher-Vergleich sowie die Werbung mit Personen in Berufskleidung von Ärzten, Pharmazeuten, Krankenschwestern etc. Bei den zuletzt genannten Werbemethoden wird die Gefahr gesehen, dass diese besonders geeignet sind, den Verbraucher zu beeinflussen und zu manipulieren. Dies gilt also insbesondere für per se vertrauenswürdige Personen, wie Ärzte, aber auch für scheinbar unabhängige Dritte oder seriös wirkende wissenschaftliche Zitate.

Sicherlich ein Herzstück des HWG sind die in § 3 beschriebenen Fälle möglicher Irreführung. So darf u. a. nicht für Arzneimittel geworben werden

  • mit Wirkungen, die es nicht hat,
  • mit Aussagen, die eine Erfolgszusage beinhalten,
  • mit irreführenden Aussagen zur Zusammensetzung und Beschaffenheit des Arzneimittels.

Pflichtangaben bei der Arzneimittelwerbung

Jede Werbung für Arzneimittel muss bestimmte Pflichtangaben enthalten, die je nach Adressatenkreis differenziert werden. Für die Publikumswerbung in Printmedien sind dies:

  • der Satz "Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker" ,
  • der Name des Mittels und seine Anwendungsgebiete,
  • die Angabe "Wirkstoff", wenn es sich um ein Präparat mit nur einem wirksamen Bestandteil handelt, sowie
  • Warnhinweise, z. B. bei Schmerzmitteln und alkohol-haltigen Arzneimitteln.

Die Angaben müssen von den Werbeaussagen deutlich abgesetzt und abgegrenzt sowie gut lesbar sein.

Freiverkäufliche Arzneimittel, d. h. Mittel, die nicht über die Apotheken abgegeben werden müssen, sondern auch in Drogerien und im Einzelhandel verkauft werden dürfen, brauchen nur den Namen und das Anwendungsgebiet aufzuführen und können den Satz "Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker" weglassen, wenn sie keinerlei Risiken und Nebenwirkungen haben. Für die Fachwerbung müssen zusätzlich der Name des pharmazeutischen Unternehmers, die Zusammensetzung, Gegenanzeigen, Nebenwirkungen und Warnhinweise angegeben werden. In den audiovisuellen Medien gilt schon seit 1990 der allgemeine Hinweis "Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker", ohne weitere Zusätze.

Die vergleichende Werbung

Seit In-Kraft-Treten des Gesetzes zur vergleichenden Werbung im September 2000, mit dem die EU-Richtlinie 97/55 zur vergleichenden Werbung umgesetzt wurde, ist das Verbot vergleichender Publikumswerbung für Arzneimittel in das HWG aufgenommen. Gemäß § 11 Abs. 2 HWG darf nunmehr ausdrücklich keine Publikumswerbung mit Angaben betrieben werden, aus denen hervorgeht, dass das jeweilige Arzneimittel einem anderen Arzneimittel entspricht oder überlegen ist. Diese Regelung war notwendig geworden, da sich aus dem neuen § 2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) eine grundsätzliche Zulässigkeit der vergleichenden Werbung ergibt, wenn sie auch an bestimmte Bedingungen geknüpft ist.

Das Verbot vergleichender Publikumswerbung für Arzneimittel war bereits in Art. 5b der EU-Werberichtlinie für Humanarzneimittel 92/28/EWG verankert. Hinter dieser Verbotsvorschrift steht die Überlegung, dass Laien im komplizierten Feld der medizinischen und pharmazeutischen Zusammenhänge die Grundlagen eines Präparatevergleichs nicht ausreichend nachvollziehen können und mit der übermittelten Botschaft überfordert und damit manipulierbar sind. Diese unsachgemäße Beeinflussung soll mit dem Verbot verhindert werden. Eine Klarstellung in der Begründung des Gesetzes löst auch den vieldiskutierten Fall des Preisvergleichs: Ausdrücklich soll der Preisvergleich auch im Bereich der Publikumswerbung für Arzneimittel möglich sein.

Die vergleichende Fachwerbung für Arzneimittel ist grundsätzlich möglich, solange sie die in § 2 UWG genannten Bedingungen einhält. Insbesondere darf die Werbung nicht irreführend sein und darf den genannten Wettbewerber und seine Produkte nicht verunglimpfen. Außerdem darf nur dem Wesen nach Vergleichbares verglichen werden. Die Elemente des Vergleichs müssen nachvollziehbar sein, und der Wettbewerber darf sich nicht an den guten Ruf eines anderen Produktes anhängen.

E-Commerce mit Arzneimitteln

Der gesamte Bereich des Internethandels mit Arzneimitteln hat durch die in den letzten Monaten veröffentlichten Gerichtsentscheidungen, insbesondere gegen die Internet-Apotheke aus den Niederlanden unter der Adresse "0800DocMorris.com", besondere Brisanz erhalten. Die komplizierte Rechtslage ist Gegenstand zahlreicher Veröffentlichungen und Gutachten, sodass hier nur eine kurze Darstellung des Spannungsfeldes erfolgen soll.

Das deutsche Recht sieht ein Versandhandelsverbot für apothekenpflichtige Arzneimittel vor, dies ist in § 43 Abs. 1 AMG verankert. Spiegelbildlich dazu sieht § 8 Abs. 1 HWG ein Verbot vor, für diese (verbotene) Abgabeform zu werben. Für den Versandhandel deutscher Anbieter gegenüber deutschen Kunden und dessen Bewerbung ist demnach alles klar, denn dies ist ausdrücklich verboten.

Problematischer werden die Folgen des deutschen Versandhandelsverbots mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, wenn das globale Medium Internet ins Spiel kommt, über das elektronische Dienste jedweder Art auch aus dem Ausland angeboten werden. Der Status der deutschen Regelung ist deshalb vor allem auch vor dem Hintergrund der neuen E-Commerce-Richtlinie der EU zu diskutieren. Weder eine uneingeschränkte Geltung des deutschen Verbots gegenüber aus dem Ausland nach Deutschland eingeführten Arzneimitteln noch die Europarechtswidrigkeit der Vorschrift ist bisher letzt- instanzlich festgestellt. Rechtssicherheit gibt es derzeit nicht.

Die bereits ergangenen Gerichts-entscheidungen der Landge-richte Frankfurt, Hamburg und Stuttgart scheinen in die Richtung einer Unzulässigkeit des Angebots, das als Werbung gewertet wird, und der Lieferung von Arzneimitteln aus einer niederländischen Apotheke an deutsche Kunden zu weisen.

Heilmittelwerberechtliche Restriktionen im europäischen Kontext

Dem gesamten Wettbewerbsrecht ist eigen, dass es viele unbestimmte Rechtsbegriffe enthält, die ihre konkrete Ausfüllung durch die Rechtsprechung erfahren haben. So gibt es eine Vielzahl von Urteilen zu fast jeder Vorschrift und auch unterschiedliche Urteile, die es dem Werbungtreibenden und Werbungdurchführenden nicht immer einfach machen, festzustellen, ob nun letztlich eine zulässige oder bereits schon eine unzulässige Werbung vorliegt. Selbst mit der Materie vertraute Juristen sind manchmal von Gerichtsentscheidungen überrascht.

Man mag die restriktive Gesetzgebung zur Arzneimittelwerbung beklagen, aber sie stellt insgesamt keinen nationalen Alleingang dar. Die EU-Richtlinie über die Werbung für Humanarzneimittel 92/28/EWG orientiert sich stark an dem deutschen HWG und enthält im Großen und Ganzen vergleichbare Restriktionen. Allerdings existieren beim Vergleich zwischen der EU-Werberichtlinie und dem HWG einige Unterschiede, die eine liberalere Handhabung der Arzneimittelwerbung in Deutschland möglich machen würden. Zum Beispiel findet der Katalog des § 12 HWG keine hundertprozentige Entsprechung in der EU-Werberichtlinie. Im Hinblick auf die Bewerbung von Lebensmitteln, wie Margarine und Öl mit Hinweisen auf die Beeinflussung des Cholesterinspiegels, erscheint z. B. das umfassende Werbeverbot für Mittel gegen "Stoffwechselkrankheiten" problematisch. Auch hier wären Liberalisierungen möglich und sinnvoll.

Überwachung und Selbstkontrolle

Abschließend sei erwähnt, dass die Einhaltung der rechtlichen Vorschriften zur Arzneimittelwerbung in Deutschland intensiv überwacht wird. Zuständig sind die für die Einhaltung des AMG verantwortlichen Behörden der Länder. Mehrheitlich werden jedoch gerichtliche Unterlassungsurteile von den Wettbewerbern selbst erwirkt. Darüber hinaus gibt es einige Wettbewerbsvereine, die sich mit Arzneimittelwerbung beschäftigen und gerichtlich gegen unzulässige Werbung vorgehen.

Integritas - Verein für lautere Heilmittelwerbung e.V. ist als Selbstkontrollorgan der pharmazeutischen Industrie tätig, führt eine Werbenachkontrolle durch und verfolgt unlautere Werbung in Zusammenarbeit mit Behörden und Gerichten. Der Verein legt Wert darauf, dass er sich nicht über Abmahngebühren finanziert, sondern durch die Mitgliedsbeiträge der drei Verbände BAH, BPI und VRH (Verband der Reformwaren-Hersteller) sowie der 69 Einzelfirmen.

Im Bereich der Überwachung der Arzneimittelwerbung sind aber auch der Verband Sozialer Wettbewerb in Berlin, die Wettbewerbszentrale in Bad Homburg und der Schutzverband gegen Unwesen in der Wirtschaft in München zu nennen.

Bei aller Kritik an einzelnen, über das Ziel hinausschießenden Werbemaßnahmen in der Vergangenheit können aber sowohl Verbraucher als auch Werbungtreibende vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Integritas seit seiner Gründung 1962 ca. 28 000 Werbungen überprüft, aber insgesamt "nur" ca. 2000 Abmahnungen ausgesprochen und 45 Gerichtsverfahren geführt hat, positiv in die Zukunft blicken.

Kastentext: Nicht nur für Arzneimittel

Das HWG gilt nicht nur für Arzneimittel, sondern auch für Kosmetika, Gegenstände und Behandlungen, soweit für sie Aussagen gemacht werden, die sich auf das Erkennen, Beseitigen oder Lindern von Krankheiten beziehen.

Werbung ist ein altbekanntes Mittel, um Kunden zu gewinnen. Bei Waren besonderer Art, wie sie z. B. Arzneimittel darstellen, ist die Werbung gesetzlich reglementiert und darüber hinaus auch nicht unumstritten. Neben der behördlichen Überwachung der Arzneimittelwerbung gibt es auch eine gut funktionierende Selbstkontrolle der Hersteller.

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