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- DAZ 34/2001
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Arzneimittel und Therapie
Rückruf von Cerivastatin: Arzneimittelinteraktionen müssen beachtet werden
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Herr Prof. Dr. Ammon nach Einnahme des Lipidsenkers Cerivastatin (Lipobay) sollen weltweit mehr als 50 Todesfälle vorgekommen sein. Wie konnte es dazu kommen?
Ammon:
Solche schwerwiegenden Nebenwirkungen treten zwar äußerst selten auf; sie haben aber dann, wenn sie auftreten, bekannte Ursachen.
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Welche Ursachen sind das?
Ammon:
Über Lovastatin haben wir bereits in der dritten Auflage unseres Handbuchs "Arzneimittelneben- und -wechselwirkungen" berichtet, dass es in seltenen Fällen zur Rhabdomyolyse führen kann. Dies scheint eine allgemeine Nebenwirkung dieser Substanzgruppe zu sein. Diese Nebenwirkung ist in unserer neuesten, soeben erschienenen vierten Auflage auch für Fluvastatin (sehr selten) und Pravastatin (sehr selten) angedeutet. Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Werkes war uns allerdings diese Nebenwirkung für Cerivastatin noch nicht bekannt. Es scheint sich jedoch ganz allgemein um eine Nebenwirkung zu handeln, die der gesamten Gruppe der CSE-Hemmer eigen ist.
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Was versteht man unter Rhabdomyolyse?
Ammon:
Es handelt sich dabei um eine pathologische Auflösung von Muskelgewebe, in deren Verlauf Myoglobin freigesetzt wird. Myoglobin wird seinerseits über die Nieren ausgeschieden. Größere Mengen von Myoglobin können jedoch zu einer akuten Niereninsuffizienz führen. Dies war schon immer bekannt.
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Gibt es auch andere Situationen, bei denen es zur Myoglobinurie kommt?
Ammon:
Dies ist z. B. auch der Fall bei Herzinfarkten oder nach größeren Muskelverletzungen. Es dürfte dabei jedoch jeweils das Ausmaß der Schädigung dafür verantwortlich sein, wie viel Myoglobin entsteht. In extremen Fällen kann es dann tatsächlich auch hier zur Niereninsuffizienz kommen.
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Es wird gesagt, dass die Todesfälle auch im Zusammenhang mit einer Arzneimittelinteraktion mit Gemfibrozil zu sehen sind. Ist Ihnen darüber etwas bekannt?
Ammon:
Bereits in unserer Ausgabe von 1991 haben wir unter dem Kapitel Wechselwirkungen darauf hingewiesen, dass Lovastatin in Kombination mit Ciclosporin, Gemfibrozil und Nicotinsäure das Risiko einer Myopathie bzw. Rhabdomyolyse erhöht, und geraten, eine Kombination zu vermeiden. Wir haben damals auch darauf hingewiesen, dass eine vorhandene Myopathie eine Kontraindikation für Lovastatin darstellt und dieses in unserer neuesten Auflage generell auf alle Statine erweitert. Jetzt haben wir auch darauf hingewiesen, dass das Risiko von Myopathie und Rhabdomyolyse unter CSE-Hemmern nicht nur durch Gemfibrozil und Nicotinsäure sowie Ciclosporin sondern auch durch Erythromycin und andere Makrolide und einige andere Stoffe erhöht ist und von der Kombination dieser Stoffe abgeraten.
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Wenn solche Hinweise schon seit langer Zeit bekannt sind, warum haben sich dann dennoch jetzt diese Todesfälle ereignet?
Ammon:
Wie schon gesagt, es handelt sich bei der Rhabdomyolyse mit tödlichem Ausgang um eine äußerst seltene Erscheinung, bedenkt man die vielen Millionen von Anwendungen. Sie hätten sich allerdings in den Fällen, bei denen es sich um Arzneimittelinteraktionen gehandelt hat oder bei Patienten, bei denen vielleicht bereits eine Myopathie vorgelegen hat, vermeiden lassen.
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Wem ist also die Schuld an diesen tragischen Fällen anzulasten?
Ammon:
Eine Schuldfrage ist hier wahrlich schwer zu ermitteln. Es handelt sich bei den Statinen um sehr wirkungsvolle Cholesterinspiegelsenker, die das Risiko von Makroangiopathien, insbesondere auch des Herzinfarktes, herabsetzen. Ich gehe nun einmal davon aus, dass die verordnenden Ärzte durchaus sich des eher unwahrscheinlichen Risikos bewusst sein könnten, aber in Abwägung aller Güter sich für eine wirksame Therapie extrem gefährdeter Patienten entscheiden.
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Und was ist mit den Kombinationen?
Ammon:
Die verschiedenen Lipidsenker üben ihre Wirkung über unterschiedliche Mechanismen aus, so dass man synergistische Effekte erwarten kann, was ja wiederum zum Nutzen des Patienten ist. Freilich wäre es in einem solchen Fall sicher sehr ratsam gewesen, sich zu überlegen, ob Interaktionen mit anderen Arzneistoffen nicht die Gefährdung des Patienten im Sinne einer Rhabdomyolyse oder Myopathie erhöhen. Hier wäre vielleicht ein Ansatzpunkt. Ein anderer Ansatzpunkt wäre sicher der Ausschluss einer eventuellen Myopathie und die Berücksichtigung anderer Kontraindikationen.
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Wie könnten sich die Apotheker hier einbringen?
Ammon:
Natürlich ist zunächst einmal die Verordnung des Arztes maßgebend. Der Apotheker könnte sich für den Fall einbringen, in welchem mehrere Medikamente - vielleicht auch von unterschiedlichen Ärzten - verordnet werden, indem er sich über eventuell auftretende Interaktionen kundig macht. Dazu ist es aber nicht nur notwendig, dass er auf ein Rezept sieht und die einzelnen verordneten Präparate hinsichtlich einer Interaktion überprüft oder beurteilt. Leichter wäre dies - und das würde ich empfehlen - wenn ein Arzneimittelpass eingeführt würde, anhand dessen dem Apotheker ersichtlich ist, welche Medikamente ein Patient von ein und demselben Arzt oder von mehreren Ärzten bekommt.
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Jetzt drohen schon die ersten Sammelklagen gegen die Firma Bayer. Was meinen sie dazu?
Ammon:
Es ist natürlich für gewisse Anwälte ein gefundenes Fressen, hier Geld zu machen, indem sie sich der bedauerlichen Einzelschicksale annehmen. Es sollte aber nicht die globale Sicht der Dinge von Nutzen und seltenem Risiko übersehen werden; und insofern meine ich, dass es kontraproduktiv wäre, jetzt eine Hysterie zum Thema Lipidsenker aufkommen zu lassen.
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Herr Professor Ammon, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
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