Kommentar

Transparency International: Von kleinen Unkorrektheiten bis hin zum korruptiven

(diz). "Saubere Verhältnisse" und Transparenz im Gesundheitswesen - dies zu erreichen hat sich die Organisation Transparency International, Deutsches Chapter e. V., zum Vorsatz genommen. Die Organisation, bei der angesehene Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und von roßen Unternehmen in Beirat und Vorstand sind, will Intransparenzen aufhellen und das komplizierte Wechselspiel der im Gesundheitswesen Beteiligten deutlich machen. Die Öffentlichkeit und einzelne Versicherte, Ärzte, Apotheker und Kassenvertreter sollen dadurch besser Missständigen begegnen können.

Bereits im April 2000 legte TI eine Untersuchung vor, die sich mit Transparenzmängeln im Gesundheitswesen beschäftigte und auf Ressourcenverschwendung, Missbrauch und Betrug aufmerksam machte. Im Rahmen eines Dokuments, das auch im Internet abrufbar ist (www.ti-deutschland.de)beschäftigt sich die Organisation mit "Korruption und Betrug im deutschen Gesundheitswesen". Das Thesenpapier beleuchtet die aktuelle Situation und versucht Lösungsvorschläge zu geben. Zum Thema "Abrechnungsbetrug - von der kleinen Unkorrektheit zum korruptiven Netzwerk" nimmt sich Transparency International alle Beteiligten vor.

Das Papier hinterfragt kritisch auch die Konstruktion der Apothekerorganisation auf Bundesebene, der ABDA, (s. nebenstehenden Kommentar). Bei den Ärzten wird zum Beispiel die Abrechnung nicht erbrachter Leistungen aufgeführt, die Abrechnung nicht persönlich erbrachter Leistungen, Falschabrechnungen, die Abrechnung nicht indizierter Leistungen, die Abrechnung von Leistungen aus finanzieller, nicht medizinischer Indikation u. a.

Apotheker, Ärzte, Industrie und Patienten

Bei den Apotheken werden als Abrechnungsbetrug aufgeführt die Gewinnmaximierung durch Waren aus dem "grauen Arzneimittelmarkt", die Berechnung von Originalpräparaten, aber Abgabe von Reimporten, die Verrechnung des Profits aus teuren Rezepten mit der Abgabe weiterer anderer Waren, die Fälschung der Mengenangaben auf dem Rezept, die Abrechnung teuerer Rezepte, die aufgekauft, aber nicht beliefert werden und Provisionszahlungen durch Apotheker und verordnende Ärzte.

Bei der Pharmaindustrie weist TI auf Kundenfang durch überzogene bzw. unrichtige Heilversprechungen hin (z. B. in der Werbung, im Internet), aus Abwälzung von Forschungskosten auf die Versicherten bzw. Krankenkassen bei Arzneimittelstudien oder auf die Verhinderung des Preiswettbewerbs durch finanzielle Abfindung von Generikafirmen, um preiswerte Generika nicht oder verspätet auf den Markt zu bringen.

Aber auch Betrügereien von Versicherten werden in dem Thesenpapier aufgeführt. TI nennt hier beispielsweise das Verleihen und/oder den Verkauf der Chipkarte gegen Bargeld, Rabatterpressungen von Apothekern bei Privatrezepten (Abzug von 10 %) zum Schaden der Versicherung, die Nötigung von Ärzten mit Wunschverordnungen unwirtschaftlicher oder nutzloser Arzneimittel, den Verkauf von Rezepten in der Apotheke gegen Bargeld oder im Austausch gegen andere als die verordneten Produkte, z. B. auch Kosmetika, den Mehrfachverkauf von teueren Rezepten gegen Bargeld mittels Ersatzrezepten bei angeblichem Rezeptverlust, meist in Absprache mit beteiligten Ärzten oder Apothekern, die Nötigung von Apothekern mit Verlangen nach Quittierung von ezepten ohne Belieferung, um sich eine Kostenerstattung von eihilfe oder Versicherung zu erschleichen und bei teuren Erkrankungen Absprache mit Firmenvertretern zur Verwendung von speziellen Firmenprodukten mit "Gewinnbeteiligung" durch den Lieferanten.

Fehlsteuerungen des Abrechnugnssystems

Durch solche Praktiken und Machenschaften kommt es zu Fehlsteuerungen des Abrechnungssystems. Dies gehe so weit, dass wichtige ärztliche Maßnahmen unterblieben, wie TI ausführt, da sie sich wegen der Budgetierung und des Punktewertes wirtschaftlich nicht lohnen. Unwichtige oder überflüssige werden dagegen durchgeführt. Die Fehlsteuerungen seien problematisch, weil der Patient sie nicht durchschauen und schon gar nicht steuern könne. Er könne sich bestenfalls darüber wundern, so heißt es in dem Thesenpapier, warum bestimmte Medikationen seinen Beschwerden abhelfen sollen. Auch die Krankenkassen könnten hier nicht steuernd tätig werden, da sie die Daten der geltend gemachten Leistungen eines Arztes nicht pro Patient aufschlüsseln können. Auch betrügerischen Abrechnungspraktiken einzelner Ärzte könnten sie kaum beikommen, da ihr Instrumentarium nicht ausreichte und auch Fachkenntnisse fehlten.

Grauer Markt bei Arzneimitteln

Weiter heißt es in dem Thesenpapier, dass auch in der Arzneimittelversorgung zunehmend Vertriebsstrukturen entstünden, die Therapieerfordernisse und Qualitätsfragen der Arzneimittelversorgung dem Absatzinteresse der Warenanbieter unterordneten. Bei Arzneimitteln habe sich, so schreibt TI, ein "grauer Markt" etabliert, der die Größenordnung von etwa 250 Mio. Euro (Herstellerabgabepreis) Warenwert besitzt und der sich aus nach Deutschland zurückgeleiteten Arzneimittelspenden oder in die Apotheke umgeleiteter Krankenhausware speist.

Letzteren Weg würden etwa zehn Prozent der zu Sonderkonditionen erworbenen Krankenhausware nehmen. Dies verstößt, so TI, gegen die Arzneimittelpreisverordnung und benachteiligt einseitig die legal arbeitenden Offizinapotheker.

Arzneimittelhandel reformbedürftig

Transparency International belässt es jedoch nicht beim Anprangern der Missstände. Konzepte für Lösungsansätze werden für alle Beteiligten gegeben. Als "besonders reformbedürftig" sieht TI die Organisation des Arzneimittelhandels an. Transparenz sei hier dringend notwendig. Der Weg eines Arzneimittels von der Produktion bis zum Patienten müsse lückenlos dokumentiert werden können. Und die Tätigkeit der Kammern als mit hoheitlichen Aufgaben betrauten Organisationen muss, so führt TI deutlich aus, zweifelsfrei von den wirtschaftlichen Interessen der Distribution von Arzneimitteln und deren Marketing abgegrenzt sein. Unterschiede im Preisniveau der EU-Länder müssen abgeschmolzen werden, so heißt es in dem Thesenpapier weiter, um dem grauen Markt das Wasser abzugraben. Die entsprechenden Daten müssen über das Internet zugänglich sein.

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