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Wo bleiben eigentlich die Ideen, Vorschläge, Konzeptpapiere aus dem Berliner Apothekerhaus, die auflisten, mit welchen Forderungen man auf eine neue Bundesregierung zugehen wird? Wie könnten Ideen und Konzepte für ein zukünftiges Honorierungssystem aussehen? Oder bleibt es nur bei der Forderung nach einer ersten Soforthilfe für Apotheken? Und überhaupt, was hat die Apothekerschaft der Gesellschaft anzubieten? Ein Weiter-So wird nicht reichen. Vor dem Hintergrund von KI und Digitalisierung müssen wir zeigen, warum es auch in Zukunft nicht ohne Apotheke, nicht ohne Apothekerinnen und Apotheker geht. Die pharmazeutischen Dienstleistungen könnten hier auch noch genannt werden. Und was ist mit der elektronischen Patientenakte? Sie schwächelt, zumindest auf Seiten der Sicherheit. Vielleicht doch lieber einen Leitzordner im Schrank? Auf alle Fälle: ein gutes neues Jahr für alle!
30. Dezember 2024
Die Metapher „Apothekenpreise“ ist in so manchen Redaktions- und Medienzentralen immer noch präsent. Das Wort stammt vermutlich aus den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts, als die Arzneimittelpreisverordnung – für heutige Verhältnisse – prozentual relativ hohe Aufschläge vorgab. „Apothekenpreise“ standen für unverhältnismäßig hohe Preise, für Mondpreise. Und dies für eine Leistung, die von Außenstehenden nicht nachvollziehbar war: Womit waren die hohen Aufschläge beim Verkauf von Arzneimitteln zu rechtfertigen? Die Beratungsleistung in den Apotheken war damals, sagen wir es so, oft suboptimal, Lieferengpässe und Rabattverträge gab es nicht – die Abgabe, der Verkauf eines Arzneimittels bestand für die Kundschaft in dem kurzen Moment der Übergabe einer Arzneimittelschachtel und dem Abkassiervorgang: Kein Wunder, wenn das Wort „Apothekenpreise“ die Runde machte. Spätestens seit 2004, als die Arzneimittelpreisverordnung das Apothekenhonorar auf ein Fixum und einen kleinen prozentualen Aufschlag umstellte, hätten die Apothekenpreise der Vergangenheit angehören sollen, hätten. Der Begriff hielt und hält sich hartnäckig. Erst in dieser Woche war in einem Beitrag über Erfahrungen mit dem Laden von E-Autos (Stuttgarter Zeitung) zu lesen: „…die Angst vor Apothekenpreisen und unkomfortablen Bezahlsystemen ist geblieben“. Da sind sie wieder, die Apothekenpreise, mein liebes Tagebuch, sie konnten nicht ausgerottet werden, dabei müssten sie längst abgelöst sein durch Begriffe wie Trüffelpreise, Juwelierspreise oder sonstige Preise für teure Waren. Apothekenpreise sind einfach ein Relikt vergangener Zeiten. Als Apothekerinnen und Apotheker wissen wir, dass unsere seit über 20 Jahren kaum erhöhten Apothekenhonorare zu einer wirtschaftlichen Schieflage geführt haben. Vor allem in Verbindung mit weiteren ungünstigen Entwicklungen, als da sind die Begrenzung von Großhandelsskonti, ständig steigende Personal- und Betriebskosten sowie dem Fachkräftemangel. Was daraus folgt: „Apothekenpreise“ führen dazu, dass seit einigen Jahren jährlich 300 bis über 500 Apotheken schließen; dass es immer weniger Neugründungen von Apotheken gibt; dass junge Apothekerinnen und Apotheker lieber in der Industrie arbeiten als in Apotheken. Mein liebes Tagebuch, bis diese Zusammenhänge zwischen Apothekenpreisen und Apothekensterben in den Tagesmedien ankommt, wird es wohl noch einige Jahre und einige Apotheken mehr kosten. Vielleicht bekommt dieser Begriff in zwanzig, dreißig Jahren eine Umkehr der Bedeutung: Apothekenpreise sind Preise, die in den wirtschaftlichen Ruin führen.
Apropos wirtschaftliche Entwicklung der Apotheken: DAZ-Wirtschaftsredakteur Dr. Thomas Müller-Bohn hat sich in seinem Rückblick die wirtschaftliche Entwicklung der Apotheken in 2024 angesehen. Hier lässt sich nachvollziehen, welche Faktoren es waren, die vielen Apotheken trotz hoher Umsätze negative Betriebsergebnisse brachten. Müller-Bohn schaut aber auch darauf, wie mit den Herausforderungen im vergangenen Jahr umgegangen wurde, z. B. mit den Reformideen von Lauterbach. Da zeigte sich, dass die Reformideen zwar die eine oder andere Diskussion und Alternativen herausforderte, aber ein tragfähiges Konzept zur Weiterentwicklung unseres Honorierungssystems ist daraus bis heute leider nicht entstanden. Mehr als die immer wieder geforderte Soforthilfe für Apotheken kam nicht aus dem Berliner Apothekerhaus. Mein liebes Tagebuch, klar, die Anstrengungen, die Lauterbach-Apothekerreform abzuwehren, waren groß. Aber wo bleiben die Konzepte für ein zukunftsgerichtetes Honorierungssystem? Was können wir von der Politik mehr fordern als nur eine erste Soforthilfe für Apotheken?
2. Januar 2025
Ab 15. Januar kommt die elektronische Patientenakte (ePA) für alle, besser gesagt sie soll kommen. Ob sie tatsächlich schon kommt – wir werden sehen. Außerdem: Wie die Gematik selbst mitteilt, könne ab dem 15. Januar zunächst nur in den Modellregionen von den Gesundheitsdienstleistern zugegriffen werden. Also, mein liebes Tagebuch, kein Stress: falls überhaupt nur in Modellregionen und wer weiß, welche Datensicherheitslücken bis dahin noch aufgedeckt werden. Der Computer Chaos Club (CCC) hat soeben nachgewiesen, dass es einige gravierende Schwachstellen gebe. So seien z. B. Fernzugriffe auf Patientenakten über unsicher konfigurierte IT bei Arztpraxen und Krankenkassen möglich. Mit wenig Aufwand sei es zudem möglich, gültige Heilberufs- und Praxisausweise sowie Gesundheitskarten Dritter zu beschaffen, so könnten Unbefugte auf die Gesundheitsdaten in der ePA zugreifen. Und es könnten sogar Zugriffs-Token erstellt werden für die Patientenakten beliebiger Versicherter. Mein liebes Tagebuch, eine ePA auf „höchstem“ Sicherheitsstandard sieht anders aus. Die Gematik meint dazu kleinlaut, die vom CCC entworfenen Angriffsszenarien seien zwar technisch möglich, die praktische Umsetzung sei jedoch „nicht sehr wahrscheinlich“, es handle sich doch um „technisch-komplexe“ Manipulationen, die strafbar seien. Mein liebes Tagebuch, was ist das denn für eine absurde Antwort! Bloß weil etwas strafbar ist, wird es schon keiner machen – welcher Hacker oder Cyberkrieger lässt sich schon davon abhalten, in fremde Netze einzudringen. Also, wir müssen feststellen: Die ePA hat Sicherheitslücken, der Schutz vor unberechtigtem Zugriff ist noch nicht auf der Höhe der Zeit. Und was sagen wir in der Apotheke, wenn uns die Patientinnen und Patienten um Rat fragen, ob sie der ePA widersprechen sollen oder ihre Patientendaten schon dort abspeichern sollen? Die Aussage, dass die ePA sicher sei, zumindest so sicher wie es heute möglich ist, lässt sich bisher noch nicht treffen. Andererseits, wenn die ePA irgendwann mal tatsächlich und sicher funktioniert, ist sie ein interessantes und durchaus nützliches Angebot. Vielleicht könnte ein Rat vorerst so aussehen: Erstmal der ePA nicht widersprechen, sondern laufen lassen und die Entwicklung verfolgen. Außerdem wird es noch eine Zeitlang dauern, bis Arztpraxen und Krankenhäuser routinemäßig die Daten in der ePA ablegen. Und bis dahin kann man es sich immer noch überlegen, ob das Sicherheitsniveau akzeptabel ist oder eben nicht.
Nochmal ePA: Die Zeitschrift „AWA – Apotheke und Wirtschaft“ hat sich der ePA satirisch genähert. Dort heißt es: „Aus ePA wird aPA – die analoge Patientenakte“. Das Bundesgesundheitsministerium hat ein Einsehen, weg mit der Elektronik. Bis zum 31.12. 2045 wird auf die analoge Patientenakte umgestellt. Soll heißen: In den nächsten Wochen erhalten alle gesetzlich Krankenversicherten einen Leitz-Hängeordner mit 200 Blatt A4-Papier, zwei Bleistiften einem Spezial-Radiergummi und Spitzer. Ärzte und Apotheker müssen ab sofort sämtliche Befunde, Medikationspläne etc. von Hand in die aPA eintragen.“ Mein liebes Tagebuch, wir haben’s ja immer gesagt: Was man schwarz auf weiß im Schrank zuhause stehen hat, kann einem keiner nehmen.
Sie sollten der Hoffnungsträger für die Apotheken sein, vor allem fürs Image und ein bisschen auch zum Aufbessern der Portokasse: die honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL). Mein Gott, welche großen Erwartungen waren damit verbunden. Um dem Ganzen noch mehr Schub und Power zu verleihen, lockte man den Pharmazeutennachwuchs sogar mit Schoko-Paketen und bundesweiten Wettbewerben: Wer überredet die meisten Patientinnen und Patienten, sich den Blutdruck messen zu lassen. Allein es fruchtete nicht. Die Apothekerschaft ist weit davon entfernt, den Jackpot mit 150 Mio. Euro, der für die pDL zur Verfügung steht, zu knacken. Warum ist das so? Tja, alles nett gemeint, aber falsch gedacht: Es dürfte bei den meisten Apotheken, die kaum oder noch gar keine pDL angeboten und abgerechnet haben, kaum am guten Willen liegen, hier mitzumachen. Es fehlt bei den meisten wohl schlicht und einfach an ausreichend Personal, das für die pDL geschult ist, und an Zeit. Viele Apotheken können es sich einfach nicht leisten, pDL zu erbringen, sie kämpfen ums Überleben. Mein liebes Tagebuch, es ist mehr als schade, dass die pDL-Möglichkeit in eine Zeit der schlechten Betriebsergebnisse fällt, in eine Zeit, in der eine echte und seit 20 Jahren fehlende Honoraranpassung offen zu Tage tritt. Mittlerweile lecken sich schon EU-Versandhäuser und Krankenkassen die Finder nach den Millionen im Fondstopf. Mein liebes Tagebuch, hoffen wir, dass dies nicht eintritt, geben wir den pDLs noch eine Chance. Der Deutsche Apothekerverband hat sogar angekündigt, dass er neue Honorare für die pDL erwartet, immerhin seien die Personalkosten massiv gestiegen. Erwarten kann man bekanntlich viel…
8 Kommentare
Augen auf oder Beutel auf ...
von Reinhard Herzog am 05.01.2025 um 15:01 Uhr
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AW: Augen auf oder Beutel auf
von Reinhard Rodiger am 05.01.2025 um 15:54 Uhr
Ein Wort zu den phDL...
von Michael Reinhold am 05.01.2025 um 10:40 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten
AW: Beißreflex in den pDL-Topf entwickeln!
von Andreas P. Schenkel am 05.01.2025 um 15:40 Uhr
AW: AW: Beißreflex in den pDL-Topf entwickeln!
von Michael Reinhold am 05.01.2025 um 17:11 Uhr
Schmunzeln
von Ulrich Ströh am 05.01.2025 um 9:47 Uhr
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Frechheit
von Beldowitz am 05.01.2025 um 9:11 Uhr
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AW: Frechheit
von Roland Mückschel am 05.01.2025 um 11:14 Uhr
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