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Hormonersatztherapie
Was man von der Substitution erwarten kann
Egal, welche Dosierung von Indivina gewählt wird, innerhalb von nur drei bis vier Wochen ist mit einer deutlichen Verbesserung von neuro-vegetativen Beschwerden wie Hitzewallungen, nächtlichen Schweißausbrüchen und Schlafstörungen zu rechnen. Das zeigen zwei große klinische Studien, an denen insgesamt über 850 Frauen in der Postmenopause teilnahmen. Die Effektivität lag in einem Bereich, wie er auch mit 2 mg mikronisiertem Estradiol plus 1 mg Norethisteronacetat (NETA) erreicht wird, berichtet Prof. Dr. Klaus Rudolf aus Hamburg. Auch Beschwerden wie Müdigkeit, Harninkontinenz, Ödeme oder Kopfschmerzen besserten sich.
Ein Osteoporoseschutz ist bei Langzeitgabe ebenfalls zu erwarten. In den vierjährigen Studien nahm der vertebrale Knochenmineralgehalt in Abhängigkeit von der verabreichten Östrogendosis signifikant zu: bei denen, die 1 mg Estradiolvalerat (E2V) erhielten, um 6,2%, bei denen, die täglich 2 mg E2V nahmen, um 7,3%. Auch am Oberschenkelhals stieg die Knochendichte, allerdings nicht ganz so stark. Auch das Lipidprofil veränderte sich günstig. Das Gesamtcholesterin fiel um 6%, das LDL sogar um 13%, das HDL stieg um 4%. Dies lasse auch einen günstigen Effekt der Hormonsubstitution auf das langfristige kardiovaskuläre Risiko der Patientinnen erwarten, so Prof. Rudolf. Ein für die Compliance besonders wichtiger Aspekt ist das Blutungsverhalten. Unter der kontinuierlichen Gabe von E2V und MPA haben die meisten Frauen keine Blutungen mehr. Bei einer Dosis von 1 mg E2V sind über 85% der Frauen binnen drei Monaten blutungsfrei, nach zwölf Monaten sind es sogar 98%.
Trotz der geringen Blutungsrate sind alle in dem Präparat verwendeten Gestagendosierungen in ihrer Endometrium-protektiven Wirkung sehr zuverlässig. Eine Endometriumhyperplasie wurde bei keiner einzigen Frau während der vierjährigen Therapie beobachtet. Und noch ein für die Praxis wichtiger Punkt: Auch Gewichtsveränderungen sind unter der maßgeschneiderten Substitution selten zu erwarten. Im Mittel blieb das Körpergewicht konstant, die mittlere maximale Änderung betrug weniger als 1 Kilogramm.
Kastentext Gegen alle Evidenz: Die unsinnige Angst vor den Hormonen
Obwohl etwa zwei Drittel aller Frauen in den Wechseljahren unter Beschwerden leiden – die Hälfte davon sogar unter starken –, will jede Zweite keine Hormone einnehmen, hat eine repräsentative Emnid-Umfrage im vergangenen Jahr ergeben. Oft reißerisch aufgemacht, haben Medienberichte viele Patientinnen verunsichert. Zu Unrecht, wie Experten betonen.
Evidenzbasierte Daten gibt es inzwischen zu einigen positiven Wirkungen der Östrogene, die in diesen Berichten immer wieder in Zweifel gezogen werden. So zeigt die dänische Osteoporose-Präventionsstudie nach Angaben von Professor Dr. Thomas von Holst von der Universitätsfrauenklinik Heidelberg eindeutig, dass nicht nur der Surrogatparameter "Knochendichte" erhöht, sondern auch die Frakturrate durch die Hormonsubstitution gesenkt wird. Unbestritten sind nach Worten des Experten auch die positiven Effekte auf die Blutfette. Was venöse Thromboembolien angeht, muss zwar mit einer leichten Risikoerhöhung – etwa um ein bis drei Ereignisse pro 10 000 Frauenjahre – gerechnet werden. "Andererseits mehren sich jedoch die Hinweise, dass mit einer Östrogen-Langzeittherapie der Krankheitsbeginn beim Morbus Alzheimer hinausgezögert werden kann und der Verlauf etwas günstiger ist", so Prof. von Holst. "Auch kann ein positiver Effekt im Hinblick auf die Vermeidung von Dickdarmkarzinomen nicht verleugnet werden" – das Risiko sinkt nach neuen Studien um 30 bis 40 %.
Das Thema, das die Frauen im Zusammenhang mit der Hormonsubstitution am meisten beschäftigt, ist das Brustkrebsrisiko. Eine Re-Analyse der Daten von mehr als 50 Studien an der Universität Oxford hat ergeben, dass bei einer fünfjährigen Hormonbehandlung die Wahrscheinlichkeit der Diagnose eines Mammakarzinoms von 63 auf 65 Fälle pro 1000 Frauen steigt. Daraus lässt sich aber nicht schließen, dass die Hormonersatztherapie Krebs verursacht, heißt es in einem gemeinsamen Statement der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) und der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin (DGGEF).
Sehr viel wahrscheinlicher scheint zu sein, dass durch Östrogene lediglich das Wachstum bislang okkulter Karzinome gefördert wird, was aber wiederum zu deren früherer Diagnose führt. Dazu passt die Beobachtung, dass unter einer Hormonersatztherapie Mammakarzinome in der Regel frühzeitiger entdeckt werden, die Tumore biologisch benigner und seltener Metastasen vorhanden sind sowie die Prognose der Krebserkrankung insgesamt günstiger ist als bei nicht mit Hormonen vorbehandelten Frauen. Zudem sinkt das relativ höhere Risiko nach dem Absetzen der Hormontherapie sehr rasch wieder ab.
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