Versand: Versandhändler in den Startlöchern

Mit rund rund 200 Teilnehmer war der vom Management Forum veranstaltete zweitägige "Jahreskongress für Versandhändler, Apotheker, Pharmagroßhändler und Hersteller" in Bad Homburg gut besucht. 15 Referenten, darunter viele einschlägig bekannte Namen, beleuchteten "Chancen und Risiken einer Liberalisierung der Vertriebswege bei Arzneimitteln". Im Auditorium viele Apothekerinnen und Apotheker, die sich Ų bei aller Skepsis gegenüber dem Versandhandel mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln Ų über das Ob und Wie der geplanten Regelungen informieren wollten.

Wie bereits auf der Interpharm ließ Dr. Gert Schorn, Ministerialrat im Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS), auch in Bad Homburg keinen Zweifel daran, dass die Bundesregierung beabsichtigt, spätestens Anfang nächsten Jahres den Versandhandel mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln in Deutschland zu legalisieren – und zwar unabhängig vom Ausgang des inzwischen vor dem Europäischen Gerichtshof anhängigen Verfahrens zwischen DocMorris und dem Deutschen Apothekerverband.

Wer, wie die ABDA, Fundamentalopposition betreibe, müsse damit rechnen, bei der Ausgestaltung der rechtlichen Regelungen nicht hinreichend Gehör zu finden. Zu berufspolitischen Eigentoren könne es auch führen, permanent worst-case-Szenerarien zu entwickeln, nach denen der Versandhandel zwangsläufig zur Aufhebung des Mehrbesitzverbotes und Mehrbesitz zwingend zur Beseitigung des Fremdbesitzverbotes führe.

(Nicht nur) Branchenfremde sitzen in den Startlöchern

Zustimmung fand die vorgesehene Aufhebung des Versandhandelsverbots in Bad Homburg erwartungsgemäß bei den Referenten, deren (zum Teil apothekenfremde) Unternehmen bereits seit einiger Zeit in den Startlöchern sitzen, um vom "Milliardenmarkt der Zukunft" profitieren zu können:

  • DocMorris, das – wie sein "Chief Exekutive Officer" Ralf Däinghaus vollmundig ankündigte - den deutschen Markt aufrollen möchte;
  • die Deutsche Post, Abteilung Euro Express, die in Bad Homburg schon einmal Flyer zum Versandhandel verteilen ließ;
  • der Bundesverband Deutscher VersandapothekerInnen (BVDVA), der meint, mit seinem Mitgliedsapotheken bereits heute eine flächendeckende Arzneimittelversorgung in Deutschland gewährleisten zu können und
  • die in Sachen "Aufruf zum Versandhandel" berühmt (und berüchtigt) gewordene Gmünder Ersatz-Kasse (GEK) mit ihrem Vorstandsvorsitzenden Dieter Hebel, der mit seinen Ausführungen ("Sie können ja auch auf die Zuzahlungen verzichten") deutlichen Widerspruch aus dem Auditorium provozierte.

"Virtuelle Apotheke": Hand in Hand mit Gmünder Ersatzkasse und Quelle

Letztgenannte Ersatzkasse stand in Bad Homburg auch in anderem Zusammenhang mit Mittelpunkt des Interesses: In seinem Vortrag kündigte Björn Wallacher, Industriekaufmann und Geschäftsführer des Gesundheitsportals www.virtuelle-apotheke.de" nämlich an, in Zukunft noch enger mit der GEK zusammen arbeiten zu wollen! Zur Erinnerung: Für das Portal der Walldorfer Firma VitaNet GmbH wurde in den letzten Monaten bei Apothekern massiv, u.a. mehrfach mit doppelseitigen Anzeigen in der Pharmazeutischen Zeitung, geworben.

Laut Wallacher hat das Unternehmen inzwischen einige hundert "Partner-Apotheken", die sich den ihnen eingeräumten "Gebiets- und Konkurrenzschutz" einiges kosten lassen müssen. Eingebunden in das Portal der "Virtuellen Apotheke" ist neben der GEK mit ihrer Kundenzeitschrift "Gesundheit konkret" (!) u.a. auch das Versandhaus QUELLE, dessen Gesundheitssortiment von QUELLE direkt an den Apothekenkunden ausgeliefert wird – ein Umstand, der in Bad Homburg bei manchem Apotheker für einige Verwunderung und reichlich Diskussionsstoff sorgte: Ist das mit "virtueller" Apotheke gemeint?

Widerspruch von ABDA und PHAGRO

Gegen den Mainstream des Kongresses schwommen in Bad Homburg – mit durchaus unterschiedlichen Stilnoten – Arndt Preuschhof, Mitarbeiter im Geschäftsbereich Recht der ABDA, und Hermann Ringenaldus, Geschäftsführer des Bundesverbandes des pharmazeutischen Großhandels (PHAGRO). "Versandhandel: Gewinn oder Verderb einer zukünftigen Arzneimittelversorgung" fragte der ABDA-Jurist und beschränkte sich bei seiner rhetorisch blassen Antwort weithin auf altbekannte Argumentationsmuster. Munter wurde es nur, wenn der Referent seinen Politikpartnern im BMGS Meinungsmanipulation und Diffamierung vorwarf. Der Unmut im Publikum war greifbar; auch Diskutanten, die sich kritisch oder skeptisch zum Versandhandel äußerten, warfen dem Referenten (und der ABDA) Unbeweglichkeit und Wagenburgmentalität vor.

Arzneimittelpreisverordnung: den Versandhandel austrocknen

Viel Nachdenklichkeit erzeugte dagegen einen Tag später PHAGRO-Geschäftsführer Hermann Ringenaldus. Inhaltlich souverän und verbindlich im Ton verband er seine grundsätzliche Kritik am Arzneimittelversandhandel mit Elementen einer plausiblen Gegenstrategie. Seiner Ansicht nach ist die Einführung des Versandhandels für die Bundesregierung und die Krankenkassen ein Hebel (!), um wirkungsvoll Preisverhandlungen mit einzelnen Großapotheken (Miniketten) führen zu können. Folgerichtig sieht der Entwurf des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes deshalb auch vor, den Geltungsbereich der Arzneimittelpreisverordnung für "Versandarzneimittel" auszuschließen.

Zwischen "Präsenzapotheken" und "Versandapotheken" soll das "Prinzip der gleich langen Spieße" nicht mehr bestehen, zumal schon heute einige Kassen ihre Patienten "anhalten", Versandapotheken in Anspruch zu nehmen. Nach Ringenaldus ist das tatsächliche Problem "der nicht mehr wettbewerbsfähige Handelsaufschlag im hochpreisigen Marktsegement", der den Versandhandel für Teilsortimenter im oberen Preissegment attraktiv mache. Vor diesem Hintergrund plädierte er für eine weit reichende Reform der Arzneimittelpreisverordnung, um die Rabattspirale Großhandel/Apotheke/GKV zugunsten marktgerechter Handelszuschläge zu verdrängen. Würden die finanziellen Anreize entfallen, habe der Arzneimittelversand keine Zukunft, zumal – wie alle Untersuchungen aus den USA zeigten – der stationäre Handel größere Kundenzufriedenheit schaffe und eine engere Kooperation zwischen Arzt und Apotheke "vor Ort" ermögliche.

Hinzu komme, dass im Gegensatz zum Konsumgüterbereich der Arzneimittelversand weder von der Sortimentsbreite noch von der Verfügbarkeit Vorteile zu bieten habe – im Gegenteil. Ringenaldus räumte ein: "Ohne die Auseinandersetzung über den Versandhandel würde bei unseren Mitgliedern und der ABDA sicherlich nicht die Bereitschaft bestehen, über die Arzneimittelpreisverordnung in den jetzt bekannten Dimensionen zu diskutieren. Bleibt zu hoffen, dass die Akteure daraus das Beste machen."

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