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Pädiatrie: ADHS-Syndrom und Methylphenidat

In einer Vortragsveranstaltung der DPhG am 21. Januar in Würzburg sprach Dr. Knut Baumann (Institut für Pharmazie, Universität Würzburg) über das Thema: Vom Zappelphilipp zum Ritalin-Kind Ų Therapie der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störung.

Symptomatik und Ursachen der ADHS

Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) ist weder ein Mythos oder eine Modeerkrankung noch ein Erziehungsfehler der Eltern, sondern eine ernstzunehmende, chronische Krankheit, so Baumann. Aufgrund der noch unklaren Ursache, des Fehlens biologischer Marker und der allein symptomatischen Diagnose wird die ADHS sehr kontrovers diskutiert. Das Missbrauchspotenzial der zur Therapie eingesetzten Stimulanzien trägt zudem – auch in Fachkreisen – zur geringen Akzeptanz der medikamentösen Therapie bei.

Kernsymptome der ADHS, die schätzungsweise mit einer Prävalenz von 3 bis 5% bei Schulkindern auftritt, sind die Aufmerksamkeitsstörung (leichte Ablenkbarkeit), die Hyperaktivität (exzessive Ruhelosigkeit) sowie die Impulsivität (plötzliches Handeln ohne zu überlegen).

Im Hinblick auf die Ursache der ADHS nimmt man zurzeit an, dass die Störung mit großer Wahrscheinlichkeit erblich bedingt ist, wobei gleich mehrere Gene involviert sind. Auch umweltbedingte Faktoren, wie z. B. Tabak-, Alkohol- und Drogenkonsum in der Schwangerschaft, sind in epidemiologischen Studien als Risikofaktoren identifiziert worden.

Therapieoptionen

Die Therapie der ADHS kann sowohl verhaltenstherapeutisch als auch medikamentös erfolgen, wobei auch die Kombination der Therapiemaßnahmen sinnvoll ist und von der überwiegenden Zahl der nationalen und internationalen Fachgesellschaften empfohlen wird. Die Verhaltenstherapie zielt nicht nur auf den Patienten ab, sondern bezieht auch die Eltern und Pädagogen in Kindergärten und Schulen mit ein.

Für die medikamentöse Therapie der ADHS kommen neben Stimulanzien, wie z. B. Methylphenidat (Ritalin®) oder Amphetamin, auch selektive Inhibitoren der Noradrenalin-Wiederaufnahme im synaptischen Spalt (Re-uptake-Inhibitoren) und trizyklische Antidepressiva (Desipramin) zum Einsatz.

Die am häufigsten eingesetzten Wirkstoffe sind Amphetamin und Methylphenidat, wobei letzteres mit einem Anteil von ca. 70 bis 90% die größte Rolle spielt. Während Amphetamin nur in der Rezeptur verwendet wird, ist Methylphenidat in Form von 10 mg Tabletten im Handel und muss 2- bis 3-mal täglich appliziert werden. Im Ausland (z. B. Schweiz) sind zudem noch 20 mg Retardtabletten im Handel (Ritalin®-SR).

Wirkungen von Methylphenidat

Methylphenidat hemmt die präsynaptische Wiederaufnahme von Dopamin und Noradrenalin, sodass diese Substanzen sich im synaptischen Spalt anreichern. Da Methylphenidat den Dopaminspiegel auch in Hirnarealen des körpereigenen Belohnungssystems erhöht, was ein gewisses Missbrauchspotenzial darstellt, untersteht es dem Betäubungsmittelgesetz.

Doch obwohl das neuropharmakologische Profil und die Wirkung auf den Dopamin-Transport bei Methylphenidat dem Cocain vergleichbar ist, ist der tatsächliche Missbrauch verglichen mit Amphetamin und Cocain minimal. Des weiteren besteht kein Zusammenhang zwischen einer Methylphenidat-Medikation im Kindes- und Jugendalter und späterem Drogenkonsum.

Klinische Studien

Da mittlerweile zahlreiche klinische Studien zur Behandlung der ADHS publiziert sind, können evidenzbasierte Therapieleitlinien erarbeitet werden. Bewertende Beurteilungen der Studienlage wurden bereits von amerikanischen, kanadischen und britischen Zulassungsbehörden vorgenommen. Demnach ist die Wirksamkeit von Methylphenidat in plazebokontrollierten klinischen Studien gut belegt ist. Weiterhin wurde in Vergleichsstudien verschiedener Stimulanzien festgestellt, dass Methylphenidat, Amphetamin und Pemolin in der Wirksamkeit vergleichbar sind. Für Pemolin sind allerdings einige Fälle von schwerem Leberversagen dokumentiert.

Längerfristig angelegte Studien ergaben, dass Methylphenidat nur wirksam ist, solange es eingenommen wird. Besonders nachteilig ist, dass die Medikation oft zu früh abgebrochen wird. Unter den unerwünschten Wirkungen traten bei Methylphenidat besonders Schlaflosigkeit, Appetitmangel, Magenbeschwerden und Kopfschmerzen auf. Vor allem bei Kindern kann die für Stimulanzien typische und relativ häufige Appetitlosigkeit sehr problematisch sein.

Eine längerfristig angelegte (14 Monate), etwa 600 Kinder umfassende, multizentrische Studie in Nordamerika hatte zum Ziel, die Einzeltherapien (Verhaltenstherapie, medikamentöse Therapie mit Beratung) mit der kombinierten (multimodalen) Therapie zu vergleichen. Dabei wurde in den Kernsymptomen der ADHS kein signifikanter Unterschied zwischen multimodaler Therapie und alleiniger medikamentöser Therapie gefunden, während diese beiden Therapieformen gegenüber der alleinigen Verhaltenstherapie statistisch signifikant überlegen waren.

Allerdings wird diskutiert, ob das Studiendesign den verhaltenstherapeutischen Zweig benachteiligte. Auch war die Verhaltenstherapie in dieser wie auch in anderen Studien nicht unwirksam, wie zum Teil fälschlich berichtet wurde.

Atomoxetin

Ein neues Medikament zur Therapie der ADHS ist Atomoxetin (Strattera®), ein selektiver Inhibitor der Noradrenalin-Wiederaufnahme, der im August 2002 von der FDA für die Behandlung von Kindern und Erwachsenen zugelassen wurde und in den USA nicht als Betäubungsmittel eingestuft wird. In bislang fünf Studien konnte gezeigt werden, dass Atomoxetin bei Kindern und Erwachsenen wirksam ist, und zwar ähnlich wie Methylphenidat; doch gibt es Unterschiede in der Verträglichkeit. Für eine abschließende Beurteilung ist die Studienlage zurzeit noch nicht ausreichend.

Am Ende seines praxisnahen Vortrages betonte Baumann nochmals das sehr geringe Suchtpotenzial der Stimulanzien und die Bedeutung der multimodalen Therapie, bei der sowohl verhaltenstherapeutische Maßnahmen als auch Medikamente zum Einsatz kommen. Gleichzeitig warnte er vor alternativen, wissenschaftlich nicht belegten Therapieansätzen, da die Gefahr besteht, dass den betroffenen Kindern eine wirksame Therapie vorenthalten wird.

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