Kommentar

Mut zum Hinschauen

Es ist ein Randaspekt in der aktuellen Haushaltsdebatte, aber der hat es in sich: Finanzexperten aus allen Parteien lehnen die geplanten weiteren Erhöhungen der Tabaksteuer ab. Denn für die Fiskalpolitiker hat sie einen Schönheitsfehler: Sie wirkt. Die Menschen rauchen weniger. Schädigen sich weniger. Sie bringen aber nicht das Geld in die Kassen, das der Finanzminister im neuen Etat eingeplant hat. Offenbar haben höhere Preise vielen Rauchern geholfen, weniger zu qualmen - so vielen, dass der "Schaden" allein für die Tabakindustrie rund 900 Mio. Euro beträgt (auch wenn einige Raucher wohl auf Selbstgedrehte umgestiegen sind). Und diesen guten Weg wollen die Finanzpolitiker jetzt verlassen, weil er dem Bund weniger Geld beschert? O-Ton der Grünen-Finanzexpertin Hermenau: "Die Haushaltspolitiker von SPD und Grünen werden diesen Trend nicht akzeptieren". Ist es dann auch inakzeptabel, wenn die Leute weniger Auto fahren? Weil dann weniger Öko(!)steuer in die Kassen kommt?

Keine Frage - die Steuerausfälle schmerzen. Doch wie bei einem kranken Unternehmen hilft uns wohl nur noch die Reduktion auf Kernkompetenzen, der Weg zurück zu den Tugenden, die die deutsche Wirtschaft einst stark gemacht haben. Gesundheitsfördernde Maßnahmen wegzusparen ist makaber. Es wird kommende Generationen finanziell noch weiter belasten.

Die Debatte zeigt auch: Klagen, wegdiskutieren, wegschauen nutzt nicht. Die Ökonomisierung der Gesundheitspolitik wird nicht nur kommen - sie ist schon da. Veränderung passiert. Man kann sie zwar ausblenden. Doch dann wird sie sich schleichend ihren Weg bahnen, subversiv, unkontrolliert. So wie jetzt. Ob wir wollen oder nicht: Die Finanzen werden auch künftig unsere Gesundheitspolitik beeinflussen. Das ist politisch gar nicht korrekt. Und da ducken wir Deutsche uns ja gerne mal weg (siehe etwa die Debatte um die Gentechnik). Nur: Wer die Zukunft mitbestimmen will, darf sich nicht gegen alles sträuben. Er muss akzeptieren, dass es Parameter gibt, die nicht ins eigene Weltbild passen. Und dann mit anpacken. Schauen Sie mal hin.

Gerrit Brinkhaus

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