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- AZ 46/2004
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Kommentar
Neu nachdenken?
Das Gesundheitsministerium hat jetzt den Entwurf einer Arzneimittelversandhandelsverordnung (AMVersV) vorgelegt. Er stand aus, nachdem über das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) das bisherige Arzneiversandhandelsverbot zu Fall gebracht worden war. Der Entwurf folgt der GMG-Logik. Man darf ihn aber auch als Chance verstehen, noch einmal nachzudenken. Würden die Unterhändler und Experten in jener lauen Julinacht 2003 dem (auch grenzüberschreitenden) Versandhandel so zugestimmt haben, wenn damals schon das Urteil des Europäischen Gerichthofes aus dem Dezember 2003 bekannt gewesen wäre? So als hätte eine geschickte Hand Regie geführt, hatte der EuGH in dem kleinen zeitlichen Fenster zwischen Verabschiedung und Inkrafttreten des GMG verkündet, was viele so nicht mehr erwartet hatten: Das deutsche Versandhandelsverbot sei unvereinbar mit Europarecht - aber nicht generell, sondern nur in Bezug auf nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel. Verschreibungspflichtige Arzneimittel sind verschreibungspflichtig, weil sie ein höheres Risiko beinhalten.
Einiges spricht dafür, nicht nur - wie jetzt über die Verordnung vorgesehen - Betäubungsmittel, Impfstoffe, Sera, Blutzubereitungen und bestimmte Blutbestandteile vom Versandhandel auszuschließen. Es macht Sinn und ist mit dem EuGH-Urteil vereinbar, das Verbot auf alle verschreibungspflichtigen Arzneimittel auszudehnen. Nur so ist ein einigermaßen effektiver Schutz vor den massenhaft aus dem Ausland agierenden kriminellen Versendern überhaupt denkbar. Dort ist ohne "Firlefanz" wie Untersuchungen, Verordnungen, Beachtung von Kontraindikationen etc. nahezu alles zu haben, was für Verbraucher nett und gefährlich sein kann: Hormone, Schmerzmittel, Viagra und Co., Aufputschmittel, Benzodiazepine und, und, und ...
Weder Versandunternehmen noch Behörden können im Alltag zwischen "guten" und "kriminellen" Versendern unterscheiden. Nur ein generelles Verbot des Versendens verschreibungspflichtiger Arzneimittel wäre überhaupt exekutierbar. Andere Länder zeigen uns, dass und wie das geht. Ein gut justiertes Versandhandelsverbot böte als Nebeneffekt keinen absoluten, aber immerhin einen weitgehenden Schutz vor den international zunehmenden Arzneimittelfälschungen, die ansonsten unkontrollierbar über unsere Grenzen schwappen könnten.
Klaus G. Brauer
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