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Die Seite 3
Naturalrabatte und Neid
Es sind gewaltige Vorwürfe, die das ZDF-Magazin Frontal 21 den Apothekerinnen und Apothekern in der Sendung vom 16. August machte: Schädigung von Krankenkassen und Patienten, Abzocke der Patienten, Korruption. Am Pranger steht der Apotheker, der Naturalrabatte annimmt – eigentlich ein legales Wettbewerbsinstrument, dessen sich ein Vollkaufmann (der Apotheker!) in einer wettbewerbsorientierten Gesellschaft ("Wir wollen mehr Wettbewerb", so die Politiker aller Couleur) bedienen darf. Doch die Sache mit dem Wettbewerb scheint dort aufzuhören, wo Krankenkassen mit im Spiel sind. Dann darf es Wettbewerb nur in eine Richtung geben: zum Vorteil der Kassen.
Die nachrichtenärmere Zeit im Sommer scheint für Regierungsberater Lauterbach, für BKK-Chef Schmeinck und jetzt für das ZDF-Magazin Frontal 21 die richtige Zeit zu sein, um das Thema Naturalrabatte hochzukochen und es in die öffentliche Diskussion zu bringen. Die in der Fernsehsendung befragten Pharma- und Apothekenkritiker Schönhöfer und Glaeske gehen dabei sogar soweit, die Apotheker in die Nähe der Korrumpierbaren zu rücken, wenn sie Naturalrabatte annehmen. Ein unglaublicher Vorgang.
Laut Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) fließen jährlich 450 Millionen Euro an Rabatten an die Apotheken, aber 1,2 Milliarden von den Apotheken an die Krankenkassen. Das hält ein Krankenkassenvertreter (Kailuweit, KKH) für unseriös, "sozialpolitisch ein Skandal". Schönhöfer geißelt die Rabatte sogar als Wettbewerbsverzerrung und Mittel zur Korruption. Fazit der Sendung ist der Ruf nach dem Staat, der Naturalrabatte verbieten soll.
Kein Wort davon, dass exorbitant hohe Naturalrabatte keinesfalls auf der Tagesordnung stehen, sondern allenfalls Ausnahmen darstellen, dass wohl die wenigsten Apotheken Geschäfte mit Naturalrabatten machen (können), da sie ihr Kapital nicht in den Übervorrat stecken wollen. Sicher, es mag "unmoralische" Ausrutscher geben wie 1 + 10 und mehr, doch die Regel ist das nicht. Und was nützt es der Apotheke, wenn sie sich mit einem Präparat bevorratet, das dann nicht verordnet wird? Selbst im Rahmen von aut idem muss sich die Apotheke an die gesetzlichen Vorschriften halten und darf nur unter den drei günstigsten Präparaten auswählen – ansonsten retaxiert die Kasse, die Apotheke hat keinen Vorteil.
Entlarvend die Abmoderation der Sendung, die Neid durchblicken ließ: "Die Damen und Herren Apotheker verdienen nun wahrlich nicht schlecht, aber viel ist offensichtlich vielen nicht genug." Für mich hatte diese Sendung nichts mit objektivem Journalismus zu tun, der die Fakten darstellen will. Der Verdacht liegt nahe, dass dieser Beitrag bewusst in dieser einseitigen Form gemacht wurde, indirekt gesteuert von Krankenkassen und pharmakritischen Institutionen. Zur Abrundung fehlt wohl nur noch ein Beitrag in BILD … Irgendwie fühlt man sich da hilflos.
Damit die Freude am Beruf nicht ganz verloren geht: Ich möchte Ihr Augenmerk in diesem Heft auf unser Schwerpunktthema "Hormonersatztherapie" lenken (Seite 50): Seit der Veröffentlichung der Women's Health Initiative-Studie im Jahr 2002, die zeigte, dass die Hormonersatztherapie das Risiko für Brustkrebs, Herzinfarkt und Schlaganfall erhöhen kann, mussten die Ärzte bei der Behandlung der Wechseljahre umdenken. Andererseits gibt es auch Veröffentlichungen von Fachgesellschaften, die das Risiko relativieren, und letztendlich zählt auch die Erfahrung von Ärzten. Wir haben für unser Schwerpunktthema die unterschiedlichen Ansichten zusammengetragen.
Last but not least: Wir müssen davon ausgehen, dass am 18. September gewählt wird. Werfen Sie einen Blick auf unsere Umfrage bei Gesundheitspolitikern (siehe Seite 69). Was können wir als Apotheker von den Parteien erwarten?
Peter Ditzel
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