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- DAZ 49/2005
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Abrechnungsbetrug: Kasse kann Vergütungsansprüche aufrechnen
Der Antragsteller ist ein Berliner Apotheker, gegen den die Polizei im September 2004 Ermittlungen wegen des Verdachts des Abrechungsbetruges aufnahm. Ihm wird vorgeworfen, gemeinsam mit einem Internisten "Luftabrechnungen" vorgenommen zu haben. Der Apotheker habe die Rezepte mit der Krankenkasse abgerechnet, obwohl er die Medikamente nicht beim Großhandel gekauft und nicht an Patienten abgegeben habe. Die Einsatzgruppe "Medicus" des Landeskriminalamtes kam zu dem Ergebnis, dass allein im Zeitraum Januar 2004 bis Februar 2005 für die gesetzlichen Krankenkassen ein Schaden von 154.000 Euro entstand. Eine abschließende Verfügung der Staatsanwaltschaft liegt allerdings noch nicht vor.
AOK rechnet auf
Die AOK Berlin hat daraufhin bei der routinemäßigen Abrechnung mit der Apotheke des Antragstellers die Auszahlung von 80.000 Euro einbehalten. Sie berief sich darauf, dass sie berechtigt sei, die laufenden Vergütungsansprüche der Apotheke gegen ihre Schadensersatzansprüche aus dem Abrechnungsbetrug aufzurechen. Auf Grund eigener Überprüfungen und Berechnungen sei sogar ein weiterer Schaden von 200.000 Euro möglich, erklärte die Kasse. Gegen dieses Vorgehen der AOK zog der Apotheker vor Gericht. Beim SG beantragte er den Erlass einer einstweiligen Anordnung, um die Auszahlung der 80.000 Euro zu erwirken und der AOK Berlin zu untersagen, weitere Aufrechnungen vorzunehmen. Zur Begründung führte er aus, dass vor Abschluss des Strafverfahrens die Unschuldsvermutung für ihn gelte. Zudem gefährde die Aufrechnung akut seine berufliche und private Existenz. Die Apotheke stehe wegen erheblicher Zahlungsrückstände bereits kurz vor der Schließung. Auch beliefere ihn kein Großhändler mehr.
Berufung auf Unschuldsvermutung greift nicht
Das SG wies den Antrag zurück. In der Entscheidungsbegründung heißt es unter anderem, dass die für das Strafrecht geltende Unschuldsvermutung auf das vorliegende Verfahren keine Auswirkung habe. Das gerichtliche Verfahren sei nicht auf eine mögliche Bestrafung des Apothekers gerichtet, sondern lediglich auf eine schnelle und vorläufige Entscheidung über Zahlungsansprüche. Im Eilverfahren ist lediglich eine summarische Prüfung der Sachlage möglich und erforderlich – hierbei kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass sich aus den polizeilichen Ermittlungen ausreichende Anhaltspunkte für den Vorwurf des Abrechnungsbetrugs ergeben. Ein Vergleich der Bestellungen der Apotheke bei den Großhändlern zeige, dass die streitigen Medikamente dort gar nicht eingekauft worden seien. Verschiedene angebliche Patienten hätten bei der Polizei angegeben, dass sie die Apotheke überhaupt nicht kennen würden und dass sie nie ein Rezept dort abgegeben hätten. Darüber hinaus habe der Antragsteller nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass das Vorgehen der AOK seine Existenz gefährde. Insbesondere habe er nicht dargelegt, wofür seine zwischen Dezember 2004 und Juli 2005 verbuchten Privateinnahmen in Höhe von fast 100.000 Euro verwendet wurden. Die AOK habe daher die streitige Summe zurückbehalten dürfen. Auch bei der Interessenabwägung entschied das SG zu Gunsten der Krankenkasse. Die Kasse müsse die Möglichkeit haben, einem Leistungsmissbrauch zeitnah zu begegnen.
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