Erhebung in Westfalen-Lippe: Zu hoher Verwaltungsaufwand in Apotheken

MÜNSTER (was). Zahlreiche Verwaltungsvorschriften tragen zur sicheren Arzneimittelherstellung, -prüfung und -abgabe in Apotheken bei. Neben sachgerechten, notwendigen Regelungen hat sich aber in den letzten Jahren eine überbordende Bürokratie breit gemacht. In einer Umfrage stuften viele Apothekenleiter und angestellte Apotheker in Westfalen-Lippe ihren Verwaltungsaufwand als zu hoch ein.

"Ist das Verhältnis aus heilberuflicher Tätigkeit und Verwaltungsaufwand in Apotheken ins Ungleichgewicht geraten?", fragte sich das Präsidium der Apothekerkammer Westfalen-Lippe aufgrund zunehmender Beschwerden von Seiten ihrer Mitglieder. Deshalb führte die Kammer eine Erhebung zum Thema Verwaltungsaufwand in der öffentlichen Apotheke durch. Ende Februar 2006 erhielten rund 2300 öffentliche Apotheken in Westfalen-Lippe einen Fragebogen.

Bürokratie schränkt stark ein

327 Fragebögen kamen beantwortet zurück; etwa jede siebte Apotheke im Kammergebiet beteiligte sich. In den allermeisten Fällen antwortete neben dem Apothekenleiter mindestens ein angestellter Apotheker. Die Apotheker wurden zu ihrer subjektiven Belastung befragt: "Wie sehr fühlen Sie sich durch aus Ihrer Sicht unnötige administrative Aufgaben in Ihrer heilberuflichen Tätigkeit eingeschränkt?" 29% der Apotheker fühlten sich stark, 28% zu stark und 27% viel zu stark durch Bürokratie eingeschränkt, also insgesamt knapp 85% der Antwortenden, erklärte Kammergeschäftsführer Jochen Stahl am 28. März 2006 in einer Pressekonferenz. Mäßig stark eingeschränkt fühlten sich 14%, nicht übermäßig stark 2% und gar nicht 0,3% der Apotheker.

1,5 bis zwei Stunden täglich

Der Verwaltungsaufwand für Apothekenleiter ist enorm, zeigte Kammergeschäftsführer Dr. Andreas Walter. Verwaltung beansprucht die Hälfte der Apothekenleiter täglich ein bis zwei Stunden lang, ein Viertel zwei bis drei Stunden lang und je ein Zehntel sogar mehr als drei bzw. mehr als vier Stunden lang. Nur 7% der Apothekenleiter kommen mit weniger als eine Stunde Verwaltung am Tag aus. Im Durchschnitt beschäftigen sich Apothekenleiter 1,5 bis zwei Stunden pro Arbeitstag mit administrativen Aufgaben.

Auch angestellte Apotheker bleiben von der Bürokratie nicht verschont. Sie verbringen im Durchschnitt eine bis 1,5 Stunden eines Arbeitstags mit Verwaltung. "Für originäre pharmazeutische Tätigkeiten und Fortbildung bleibt wegen Dokumentitis wenig Zeit", fasste ein Teilnehmer der Erhebung die Situation zusammen. Als Bereiche mit besonders vielen übertriebenen Regelungen nannten die Apotheker Abrechnungen mit den Krankenkassen und Genehmigungsverfahren für Hilfsmittel und Medizinprodukte.

Spreu vom Weizen trennen

Nach Ansicht des Kammerpräsidenten Hans-Günter Friese muss klar zwischen notwendiger und überflüssiger Verwaltung in Apotheken unterschieden werden. Notwendig sei beispielsweise die Dokumentation von Betäubungsmitteln, die aufgrund der besseren Versorgung von Krebspatienten mit Opioiden erheblich zugenommen habe.

Als großes Ärgernis bezeichnete Friese dagegen solche Retaxationen durch die Krankenkassen, bei denen es nur um Cent-Beträge oder um wenige Euro geht. Die Regelungen und Abrechnungspraktiken der rund 260 verschiedenen gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland unterschieden sich zum Teil erheblich voneinander, was die Arbeit der Apotheker erschwere.

Als für den Patienten besonders ärgerlich schilderte Friese das umständliche Genehmigungsverfahren für Hilfsmittel und Medizinprodukte: Beispielsweise kann er einem Kunden die wegen einer Zerrung verordnete Schiene erst nach drei Tagen aushändigen. So lange dauert es üblicherweise, bis die Krankenkasse auf den gefaxten Antrag hin ihre Genehmigung zurückfaxt.

Problem erkannt, Problem gebannt?

In einer zweiten Erhebung will die Apothekerkammer Westfalen-Lippe Verbesserungsvorschläge der Apotheker sammeln und diese an Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung weiterleiten. In vielen Bereichen der Verwaltung in Apotheken dürfte nach Frieses Ansicht ein Referenzverfahren nützlich sein. So könnten bestimmte Beträge als Obergrenze festgelegt werden, bis zu denen Hilfsmittel und Medizinprodukte ohne Genehmigungsverfahren sofort abgegeben werden dürfen. "Wir wünschen uns, dass mehr in die persönliche Verantwortung des Apothekers gelegt wird", erklärte Friese.

Wo die Bürokratie regiert

Bereiche mit nach Auffassung der westfälisch-lippischen Apotheker besonders vielen übertriebenen Regelungen: 1. Abrechnungen mit den Krankenkassen 2. Genehmigungsverfahren für Hilfsmittel und Medizinprodukte 3. Dokumentation von Betäubungsmitteln 4. Rezeptkontrolle 5. Arbeitsmedizinische und technische Untersuchungen sowie Bestimmungen des Datenschutzes 6. Erstellung von Zuzahlungsbescheinigungen, Patientenquittungen und Jahresbelegen 7 Abrechnung von Sprechstundenbedarf 8. Verordnungen und Prüfprotokolle 9. Suche nach Reimporten und deren Lieferfähigkeit 10. Überprüfung der Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln

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