Kommentar

Recht oder Politik?

Der saarländische Gesundheits- und Justizminister Hecken hat sein zunächst geheim gehaltenes Gutachten "Streinz/Herrmann" vorgelegt. Ja, er habe mit der Erteilung der Betriebserlaubnis für eine Filialapotheke der Kapitalgesellschaft DocMorris "sehenden Auges und willkürlich deutsches Apothekenrecht gebrochen" - bekannte Hecken dabei freimütig. Sein Argument: Das deutsche Fremdbesitzverbot sei "evident" gemeinschaftsrechtswidrig. Deshalb habe seine Behörde so handeln dürfen, ja müssen.

Wie bitte? Dass eine Verwaltungsbehörde sich auf Druck ihres zuständigen Ministers anmaßen muss, ohne irgendeine gerichtliche Klärung geltendes bundesdeutsches Recht zu verwerfen, ist - ob mit EU-Recht oder sonst wie begründet - ein beispielloser, skandalöser Vorgang. Auch ist die Europarechtswidrigkeit des apothekenrechtlichen Fremdbesitzverbotes zu strittig, um evident sein zu können (vgl. die Monografie von Dettling/Mand, siehe DAZ 32 (2006), S. 23 ff.). Verwaltungsgerichte haben nun das nächste Wort. Wenn die Politik im absichtsvollen, vorauseilenden Gehorsam (wie beim Versandhandel) nicht erneut vorher Fakten schafft, wird letztlich der EuGH entscheiden müssen. Ist sein Urteil gegen das Fremdbesitzverbot der Optiker in Griechenland trotz vieler Unterschiede wirklich auf Apotheker übertragbar?

Zweite Kernfrage: Ist die Position angestellter Apotheker nicht ungleich stärker, wenn - anders als bei berufsfremden Gesellschafter und Geschäftsführern - der Eigentümer und Leiter der Apotheke über seine Approbation den gleichen Pflichten und Sanktionen (bis hin zum Approbationsverlust) unterliegt wie seine Mitarbeiter?

Hecken hält seine Vorgehensweise für "rechtlich richtig und politisch zukunftsweisend". Obwohl seine eigenen Gutachter für unzulässig erklären, missliebiges nationales Recht mit dem Argument "gemeinschaftsrechtswidrig" auszuhebeln, verfolgt er munter seine politischen Ziele. Er will mit seinem brachialen Vorgehen, wenn die Verwaltungsgerichte ihn nicht stoppen, erzwingen, dass die Politik das Fremdbesitzverbot zugunsten von Kapitalgesellschaften hinwegfegt.

Vielleicht ist der ehemalige Metro-Jurist ja wirklich nur Überzeugungstäter. Wie ungeniert er sich vor den Werbekarren von DocMorris spannen lässt, mag da Zweifel nähren. Ist jetzt auch politischer Widerstand angesagt? Apothekenstreik im Saarland? Nur noch Notdienst? Verständliche Fragen, die langsam hochkochen.

Klaus G. Brauer

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