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- AZ 35/2006
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Apotheken "können" auf Handelsspanne verzichten
Der Arbeitsentwurf der Fachbeamten vom 17. August setzt die Eckpunkte zur Gesundheitsform auf rund 200 Seiten in Gesetzestext um. Dazu kommen gut 270 Seiten Begründung. Diese Vorarbeit dient als Grundlage für die weiteren Gespräche der Regierungskoalition. Vater betonte jedoch, dass das Arbeitspapier lediglich den "Beginn eines Prozesses markiere", der die politische Ebene noch nicht erreicht habe. Nach Informationen der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Ausgabe vom 25. August) werden sich ab Anfang September zunächst die Teilnehmer der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die auch die Eckpunkte verfasst hatte, mit dem Entwurf befassen. 80 kleinere Änderungen sollen der FAZ zufolge bereits vorgenommen worden seien. In der vergangenen Woche hatten vor allem Medienberichte über einen radikalen Umbau der Privaten Krankenversicherung (PKV) für heftige Kritik gesorgt. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel wies die Reformvorschläge der Ministerialbeamten zurück, die zu einer massiven Verteuerung der PKV führen würden. Sie entsprächen "noch nicht den Eckpunkten, wie wir sie vereinbart haben", sagte Merkel.
Festpreise weichen Höchstpreisen
Die für Apotheken relevanten Änderungen im Arzneimittelbereich blieben von der Tagespresse bislang weitgehend unbeachtet. Wesentliche Neuerung ist, dass die Preise für verschreibungspflichtige Arzneimittel auf Höchstpreise umgestellt werden. Dabei soll der bisherige einheitliche Apothekenabgabepreis künftig die preisliche Obergrenze sein. Der neue Höchstpreis setzt dem Arbeitsentwurf nach auf einem einheitlichen Herstellerabgabepreis auf.
Der pharmazeutische Unternehmer ist mithin verpflichtet, ein bestimmtes Arzneimittel stets zum gleichen Preis anzubieten. Dieser darf bei der Abgabe an den Großhandel und an Apotheken nicht unterschritten werden – Naturalrabatte bleiben damit passé. Die Vereinbarung von Skonti und Zahlungsfristen im Rahmen marktüblicher Bedingungen bleibt ausweislich der Begründung von der Neuregelung unberührt. Vereinbaren Krankenkassen mit Herstellern Rabatte auf den einheitlichen Abgabepreis, so bleibt dieser dennoch Grundlage für die höchstzulässigen Preisspannen der Handelsstufen.
Apotheken sollen 500 Mio. Euro sparen
Apotheken werden eine Reihe von Instrumenten an die Hand gegeben, wie sie auf ihre Handelszuschläge verzichten können. Ziel ist es, Einsparungen in Höhe von 500 Mio. Euro zu generieren. In der Begründung heißt es, dieses Einsparziel entspreche einem Anteil von etwa 5 Prozent des GKV-Umsatzes mit patentfreien, wirkstoffgleichen Arzneimitteln und "erscheint somit realisierbar". Möglich machen sollen dies insbesondere eine ergänzte Aut-idem-Regelung (§ 129 SGB V), die Einbindung der Apotheken in die Rabattverträge zwischen Krankenkassen und Herstellern sowie eigene Verträge zwischen Apotheken und Herstellern (§ 130a Abs. 8 SGB V). Ob das Einsparziel tatsächlich erreicht wird, ist maßgeblich für die 2009 anstehende Anpassung des Apothekenrabattes. Sparen die Apotheken weniger, müssen sie damit rechnen, dass sich der derzeitige Rabatt von zwei Euro für verschreibungspflichtige Arzneimittel erhöht.
Erweiterte Aut-idem-Regelung
§ 129 Abs. 1 SGB V, der den Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung regelt, sieht insbesondere eine erweiterte Aut-idem-Regelung vor. So müssen Apotheken die Substitution wirkstoffgleicher Arzneimittel künftig durch solche Präparate vornehmen, für die Vereinbarungen über Preisnachlässe nach § 130a Abs. 8 bestehen. Nur wenn solche Rabattverträge nicht existieren, greift die bekannte Regelung wieder. Apotheken sollen zudem die Möglichkeit erhalten, die auf Landesebene vereinbarten Preise für Arzneimittel, die nicht der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisVO) unterliegen, sowie die auf Bundesebene vereinbarten Höchstpreise für Rezepturarzneimittel bei der Abrechnung mit der Krankenkasse zu unterschreiten. Vorgesehen ist auch, dass Apotheken bei der Abgabe von Arzneimitteln teilweise oder ganz auf die Erhebung der Versichertenzuzahlung verzichten können. Die Abrechnung mit den Krankenkassen bleibt hiervon unberührt. Dies soll insbesondere die Wettbewerbsnachteile inländischer Versandapotheken gegenüber ihrer ausländischen Konkurrenz beseitigen. Abgeschlossen wird der Bundesrahmenvertag nach § 129 SGB V künftig zwischen dem Apothekerverband und dem neu zu schaffenden Spitzenverband der Krankenkassen. Auf Landesebene wird die Möglichkeit eröffnet, die Verträge nicht nur mit den Verbänden, sondern auch mit einzelnen Krankenkassen abzuschließen. Dabei kann zudem vereinbart werden, dass die Apotheker bei der Aut-idem-Abgabe Zielvorgaben über die Durchschnittskosten einzuhalten haben.
Rabattverträge mit der Industrie
Die Neufassung des § 130a Abs. 8 SGB V räumt Apotheken die Möglichkeit ein, mit pharmazeutischen Unternehmen in eigener Initiative Rabatte auf die einheitlichen Listenpreise zu vereinbaren, wenn eine Krankenkasse diese Möglichkeit nicht schon nutzt. Dies soll dem Arbeitsentwurf zufolge im "Benehmen" mit der Kasse erfolgen. Die vereinbarten Preisnachlässe sollen nach Vorstellung der Ministerialbeamten abzüglich eines Betrages in Höhe von 15 Prozent des Rabattbetrages (maximal 15 Euro pro Packung) an die Kassen weitergeleitet werden. Die Krankenkassen können für Arzneimittel, für die eine solche Rabattvereinbarung besteht, die Zuzahlungen ermäßigen oder ganz auf sie verzichten.
Neue Regelungen zum Auseinzeln von Tabletten
In der Apothekenbetriebsordnung, dem Arzneimittelgesetz und der AMPreisVO sind zudem Änderungen vorgesehen, die das Auseinzeln von Arzneimitteln durch den Apotheker regeln. Diese betreffen insbesondere die Kennzeichnungspflicht – so dürfen ausgeeinzelte Tabletten nur mit der vorgeschriebenen Packungsbeilage ausgehändigt werden. Zudem wird bestimmt, dass sie nicht der AMPreisVO unterliegen, sondern ihr Preis im Wettbewerb frei zu vereinbaren ist. Ebenso werden individuell angefertigte Arzneimittelblister von der AMPreisVO ausgenommen. Die Packungsbeilage ist hier nur bei der Abgabe des ersten Blisters nötig, bzw. wieder dann, wenn sich seine Zusammensetzung verändert. Geschaffen wird zudem eine Vergütungsregelung für die Rückgabe und erneute Abgabe nicht genutzter verschreibungspflichtiger Arzneimittelpackungen. Die maximale Vergütung der Apotheke ist hierfür mit 6,10 Euro beziffert, also zwei Euro niedriger als bei der erstmaligen Abgabe eines Arzneimittels. Damit sollen finanzielle Anreize zur kommerziellen Weiterverwendung nicht benutzter Arzneimittel ausgeschlossen werden.
Erstattungshöchstpreise für nicht-festbetrags–geregelte Arzneimittel
Änderungen bei den Arzneimittelpreisen bringt auch die neu eingeführte Kosten-Nutzenbewertung mit sich. So sollen die GKV-Spitzenverbände für nicht-festbetragsgeregelte Arzneimittel künftig einen Erstattungs-Höchstbetrag auf Grundlage der vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen vorgenommenen Kosten-Nutzenbewertung festsetzen. Dies kann auch im Einvernehmen mit dem pharmazeutischen Unternehmer erfolgen. Übersteigt der Preis eines Arzneimittels diesen Höchstbetrag, muss der Patient die Mehrkosten tragen. Die Verordnung von Arzneimitteln, für die noch kein Höchstbetrag existiert, ist im Falle der Richtgrößenüberschreitung als Praxisbesonderheit anzuerkennen, wenn zuvor eine zustimmende Zweitmeinung eingeholt worden ist.
Kassen dürfen auf preisgünstige Apotheken hinweisen
Zu den weiteren apothekenrelevanten Regelungen des Arbeitsentwurfes gehört auch, dass Krankenkassen künftig die Möglichkeit erhalten sollen, ihre Versicherten ebenso wie Vertragsärzte über preisgünstige Bezugsquellen für Arzneimittel informieren zu können. Ob und wie weit all diese im Arbeitsentwurf vorgesehenen Änderungen im folgenden Gesetzgebungsverfahren Bestand haben werden, werden die kommenden Wochen zeigen.
Freundinnen? – Wer regiert wen bei der Gesundheitsreform? Der Arbeitsentwurf trägt noch deutlich die Handschrift der roten Ulla. Da sollte Angie noch kräftig widersprechen.
Foto: Imago/Montage: DAZ
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