Pharmaindustrie: Arzneimittelversorgung in Gefahr

BERLIN (ks). Die geplante Gesundheitsreform wird aus Sicht des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI) zu tiefgreifenden Einschnitten in der Arzneimittelversorgung führen. "Die Bundesregierung betreibt eine Politik, die die Bevölkerung zunehmend vom medizinischen Fortschritt abschneidet", erklärte der BPI-Vorsitzende Dr. Bernd Wegener am 6. September in Berlin. Statt auf therapeutische Vielfalt zu setzen, schlage man den Weg in ein "restriktives Einheitssystem" ab. Auch die neu vorgesehenen Rabattverhandlungen zwischen Apothekern und Arzneimittelherstellern betrachtet man beim BPI kritisch.

Wegener ist überzeugt: Bleibt die Bundesregierung auf ihrem eingeschlagenen Reformweg, so werden innovative Therapien und moderne diagnostische Verfahren zukünftig nur noch begrenzt auf dem GKV-Markt verfügbar sein. Denn durch "politisch gewollte Zugangsbarrieren" werde deren Marktzutritt praktisch verhindert oder zumindest zeitlich verzögert - so etwa durch die geplante Kosten-Nutzenbewertung.

Zwar heißt es im Reform-Arbeitsentwurf ausdrücklich, dass die Erstattungsfähigkeit von neuen Arzneimitteln nicht zurückgestellt wird, bis eine Kosten-Nutzenbewertung vorliegt. Dennoch sieht man beim BPI faktisch eine "vierte Hürde" aufgebaut. Denn bis eine Kosten-Nutzenbewertung vorliegt, ist der Arzt, der innovative Arzneimittel verordnen und sein Budget nicht überstrapazieren will, an die Zustimmung eines Zweitgutachters gebunden. Soweit es sich um so genannte, vom Gemeinsamen Bundesausschuss geregelte, "besondere Arzneimittel" handelt können seine Verordnungen dann als Praxisbesonderheit anerkannt werden.

Weg zu staatlich administrierten Preisen

Darüber hinaus kritisierte Wegener, dass die Kosten-Nutzenbewertung direkt nach Markteinführung erfolgen soll. Dies konterkariere die wissenschaftliche Auffassung, eine solche Bewertung könne sinnvoll erst nach drei bis fünf Jahren der Arzneimittelanwendung erfolgen. Auf Widerstand stoßen beim BPI zudem die neuen Erstattungs-Höchstbeträge für Nicht-Festbetragsarzneimittel. Nach erfolgter Kosten-Nutzenbewertung sollen diese von den GKV-Spitzenverbänden festgesetzt werden.

Für Wegener ist dies der Weg in staatlich administrierte Preise. Bedauerlich sei zudem, dass die im ersten Arbeitsentwurf enthaltene Regelung, nach der Patienten etwaige Aufzahlungen für Arzneimittel, deren Preis über dem Höchstpreis liegt, auf ihre Belastungsgrenze anrechnen können, im zweiten Entwurf gestrichen wurde. Immerhin einen positiven Aspekt kann man beim BPI erkennen: So soll die Kosten-Nutzenbewertung dem Arbeitsentwurf zufolge anhand international üblicher Standards erfolgen und die Pharmaindustrie in das Verfahren einbezogen werden.

Vertrags-Kuddelmuddel

Auch die Regelung, nach der Apotheken künftig mit Pharmaunternehmen Rabattvereinbarungen treffen können, wenn eine Kasse nicht schon einen entsprechenden Vertrag geschlossen hat, sieht man beim BPI kritisch. So kann sich BPI-Hauptgeschäftsführer Henning Fahrenkamp kaum vorstellen, wie die neue Vielzahl von Rabattverträgen zwischen Kassen, Apothekern und Herstellern in der EDV überschaubar bleiben kann: "Das gibt ein einziges Kuddelmuddel."

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