AZ-Interview mit ABDA-Präsident Wolf: Hier ballt sich Widerstand zusammen!

BERLIN (diz). Der vorliegende Arbeitsentwurf zur Gesundheitsreform sieht zahlreiche Instrumente vor, die die Qualität des Apothekenwesens verschlechtern und mit denen einige Apotheker in starke wirtschaftliche Bedrängnis kommen dürften. Im Vorfeld des Deutschen Apothekertags sprach die AZ mit dem ABDA-Präsidenten Heinz-Günter Wolf, wo und wie die ABDA ansetzen will, um den Maßnahmenkatalog zu entschärfen.

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Das Verwaltungsgericht Saarlouis hat Minister Hecken angewiesen, die erteilte Betriebserlaubnis für DocMorris zurückzunehmen, die Apotheke zu schließen. Ein erster Sieg für unser Apothekensystem. Und Freude bei der ABDA?

Wolf:

Ja, wir freuen uns natürlich, dass das deutsche Apothekenrecht auch im Saarland gilt und dass die Verwaltungsjustiz dafür gesorgt hat, dass deutsches Recht deutsches Recht bleibt.

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Über eine ABDA-Pressemitteilung wurde der Erfolg für die Apotheker nach außen getragen. Hätte man nicht besser herausstellen sollen, dass dies ein Erfolg für den Verbraucherschutz ist?

Wolf:

Natürlich ist diese Gerichtsentscheidung ein wichtiger Erfolg für alle Apotheker, denn das Gericht hat sich klar für das Apothekengesetz ausgesprochen. Und natürlich stärkt dieses Urteil auch die Stellung des unabhängigen Apothekers. Dieser Aspekt des Verbraucherschutzes ist zweifellos auch in dieser Entscheidung enthalten.

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Kommen wir zur Gesundheitsreform: sie ist um drei Monate verschoben. Der zweite Arbeitsentwurf, der mittlerweile vorliegt, soll überprüft und überarbeitet werden. Grund zur Hoffnung, mögliche Änderungen für den Apothekenbereich noch einzubringen, oder muss man eher mit einer Verschlimmerung rechnen?

Wolf:

Einerseits haben wir mehr Möglichkeiten, hier im Dialog unsere Vorstellungen einzubringen. Aber niemand darf glauben, dass die Reform nicht kommt. Es kann aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass bereits in Kürze die Ausgabenseite der Reform mit einem Vorschaltgesetz behandelt wird. Möglicherweise wird also die Reform zweigeteilt. Es gibt also keine Entwarnung, und wir müssen nach wie vor hart arbeiten und mit allen Abgeordneten reden.

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Schaut man sich die Maßnahmen an, die die Apotheken betreffen, muss man zur Ansicht gelangen, dass die Apotheken wieder einmal massiv zur Kasse gebeten werden. 500 Mio. Euro an Einsparungen sollen mindestens dabei herauskommen, zusätzlich werden die Apotheken einem Wettbewerb ausgesetzt, den kleinere Apotheken kaum überleben werden. Vorgesehen sind z. B. Verhandlungen mit Unternehmen oder Kassen, Rabattverhandlungen und Verzicht auf Zuzahlungen. Hat die kleine Apotheke überhaupt noch eine Chance?

Wolf:

Wenn dieser Maßnahmenmix so kommt, dann sieht es allerdings finster aus. Aber der vorliegende Entwurf ist nicht konsistent: Analysiert man das Reformvorhaben, kommt man zu dem Schluss, es sollen zwei verschiedene, sogar konkurrierende Wettbewerbssysteme installiert werden, die einander stören. Mit dem einen Wettbewerbssystem können Apotheken und die Krankenkassen kollektiv ihre Interessen bündeln, um gemeinsam wirtschaftliche Vorteile für das Gesundheitssystem zu erarbeiten - kollektiv und gemeinsam. Andererseits will der Reformentwurf die Apotheken einfach gegeneinander in den Wettbewerb schicken. Und das bringt rein gar nichts für unser Gesundheitssystem - denn die Nachfrage ist einfach bei einer einzelnen Apotheke überhaupt nicht da. Betrachten wir die individuelle Möglichkeit, auf die Zuzahlung zu verzichten - das steht übrigens in den Eckpunkten nicht drin und wurde in den Arbeitsentwurf nachträglich hineingeschrieben: Wenn eine Apotheke also individuell auf die Zuzahlung verzichten soll, verlieren die Krankenkassen ein effizientes Instrument der Steuerung. Denn eine Zuzahlung hat immer eine Doppelfunktion: zum einen eine Beteiligung des Patienten in finanzieller Form und zum andern ist es eine Steuerungskomponente. Es ist schädlich fürs System, wenn die Politiker wirkungsvolle Steuerungsinstrumente entschärfen.

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Wo könnten wir da in den Diskussionen ansetzen?

Wolf:

Die Lösung ist ganz einfach: Alle Maßnahmen, die ausschließlich auf Wettbewerb gerichtet sind und die Apotheken im Rx-Bereich gegeneinander in den Wettbewerb schicken, müssen ersatzlos gestrichen werden. Denn im Bereich der verschreibungspflichtigen Arzneimittel sind die Apotheken keine Nachfrager, keine Bezahler und keine Verbraucher, sie können also überhaupt nichts bestimmen - und deswegen ist es auch konsequent, dass der Apotheker in seiner Funktion als Heilberufler gestärkt wird und der Wettbewerb kollektiv geregelt wird.

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Das erscheint vernünftig, es wird aber nicht einfach sein, die Politiker zu überzeugen. Im Hintergrund der Beratungen um das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz droht aber noch weiteres Unheil: Es gibt Kräfte, die das Fremd- und Mehrbesitzverbot zu Fall bringen möchten - ich erinnere an den aktuellen Antrag der Grünen. Sehen Sie die Gefahr, dass bei den andauernden Beratungen zur Reform solche Anträge mit einfließen könnten?

Wolf:

Genau aus dem Grund haben wir bei der Bundesregierung ausdrücklich nachgefragt. Die eindeutige Antwort: Man wolle hier keinen vorauseilenden Gehorsam zeigen. Wir verstehen das sehr klar: Die Bundesregierung wird keine Maßnahmen ergreifen, die das bestehende Recht infrage stellt. Sie will den Ausgang rechtlicher Verfahren und Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs abwarten.

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Wie schätzen Sie die allgemeine Stimmung ein, wenn Sie Äußerungen der Politik und der Medien betrachten? Man hat den Eindruck, dass die Welt außerhalb der Apotheken die Kette will - und nur wir sie nicht wollen.

Wolf:

Hier wabert mal wieder der so genannte Zeitgeist durch die Landschaft. Und mir scheint: Junge Journalisten, die bislang aufgrund ihrer Konstitution selten auf den Rat und die Hilfe eines Apothekers angewiesen waren, schreiben ihre Kommentare aus dem Bauch heraus gegen die Apotheke. Mir ist aber auch aufgefallen, dass kleine regionale Medien sehr wohl wissen, wie wichtig die inhabergeführte Apotheke auch als Arbeitgeber im Ort ist.

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Sie sehen das also nicht als große Gefahr?

Wolf:

Vor dem Zeitgeist darf man keine Angst haben. Und ich weiß, dass Abgeordnete ähnlich denken. Neulich sagte einer zu mir: CDU und SPD sind sich doch einig, dass es in Deutschland zu wenig Selbstständige gibt. Nun machen 21.500 Apotheken eine große Basis der Selbstständigen aus, die wirtschaftlich zurecht kommen. Wenn man diese Basis jetzt zerstören würde, mache man genau das Gegenteil von dem, was dieses Land braucht. Solche Meinungen lassen hoffen. Und deswegen müssen wir Apotheker mit unseren Abgeordneten in den Wahlkreisen reden. Die Abgeordneten wollen von den Bürgern doch wieder gewählt werden ...

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Und wenn der Zeitgeist doch die Überhand gewinnt? Müsste nicht auch bei der ABDA ein Umdenken in die Richtung erfolgen: was wäre wenn?

Wolf:

Die ABDA pflügt eine gerade Furche. Die Zukunft wird pharmazeutisch entschieden. Apotheker sind Heilberufler. Das Gesundheitssystem, die Patienten, die Bürger brauchen den Apotheker als Heilberufler und nicht als Händler. Diesen Leitgedanken tragen wir in alle Gespräche, die wir führen. Unsere Botschaft werden wir nicht müde zu wiederholen - und ich bin sicher, dass sie auf fruchtbaren Boden fällt.

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Haben Sie schon Signale aus den Bundesländern gehört?

Wolf:

Ja, beispielsweise waren die einzelnen Abgeordneten "not amused", dass sie von oben nicht gut informiert wurden über das, was hier in Berlin passiert. So gibt es für den Gesundheitsbereich zuständige Abgeordnete, denen wir erläutern, welche Inhalte die Beratungen haben. Diese Informationsvermittelung ist für uns ein Anknüpfungspunkt für unsere Aktion: Politiker besuchen Apotheker. ABDA und Mitgliedsorganisationen rufen dazu auf, Politiker in die Apotheke einzuladen. Diese einfache Form der Kommunikation ist sehr sinnvoll: Man muss den Abgeordneten in den eigenen Wahlkreisen mal zeigen, dass noch Rezepturen und Tees gemischt werden, dass eine PTA viel Zeit für Qualitätsuntersuchungen im Labor verbringt. Hinzu kommt der Notdienst. Die Berliner Kollegen haben den Grundstein für die Aktion gelegt. Und am 6. September besuchte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt eine Apotheke in ihrer Nachbarschaft und hat sich von einer Apothekerin genau erklären lassen, welche Aufgaben eine Apotheke auch hinter den Kulissen hat. Die Kollegin hatte da gerade eine Kapselrezeptur von einem Kinderarzt - das war schon ein Erlebnis. Wenn alle Abgeordneten von ihrer Apotheke eingeladen werden, dann schaffen wir das größtmögliche Gesprächsfeld mit Politikern. Die Mitgliedsorganisationen erhalten von der ABDA für diese Aktion ein ganzes PR-Bündel.

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Herr Wolf, wir stehen vor einem Apothekertag, der auch für die Lösung der anstehenden Probleme richtungweisend sein sollte und könnte. Wenn ich mir das Programm anschaue, kann ich keine Tagungspunkte erkennen, die sich konkret mit den drängenden Zukunftsfragen befassen: Das Programm sieht aus wie "alle Jahre wieder" oder "business as usual". Absicht? Oder sind die Zukunftsfragen nur gut versteckt? Immerhin überlegen die Ärzte sogar einen außerordentlichen Ärztetag einzuberufen angesichts der Beratungen um die Gesundheitsreform ...

Wolf:

Die Ärzte machen es richtig, dass sie einen außerordentlichen Ärztetag einberufen. Wenn wir jetzt nicht unseren Apothekertag gehabt hätten, dann hätten wir auch einen außerordentlichen Apothekertag einberufen. Und wenn die politische Entwicklung es erfordert, werden wir im Oktober oder im November einen außerordentlichen Apothekertag einberufen. In München widmen wir uns zwei Arbeitskreisen. Einer befasst sich mit der konsequenten Weiterentwicklung der pharmazeutischen Dienstleistungen für den Patienten. Hier werden wesentliche Zukunftsfragen behandelt. Der zweite Arbeitskreis widmet sich der wirtschaftlichen Verantwortung für die Arzneimittelversorgung. Hier werden wir Angebote an die Politik formulieren. Die Versorgung muss kollektiv gewahrt werden und sowohl für Krankenkassen wie auch für den Beitragszahler lukrativ ausgestaltet werden. Den Sonnabend haben wir als politischen Aktionstag konzipiert. Hier wollen wir gemeinsam mit einem Bündnis für Gesundheit demonstrieren und artikulieren, was mit der Reform nicht in Ordnung ist. Hier zeigen wir der Politik, dass wir den Entwurf der Reform aus guten Gründen ablehnen.

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Sie sprechen die geplante Protestveranstaltung am Samstag zwischen 11 und 14 Uhr an. Schön und gut, aber was nützt es, wenn wir in geschlossenen Hallen protestieren? Wie erfährt die Öffentlichkeit davon?

Wolf:

Sie und andere Journalisten sind da und berichten darüber. Gemeinsam mit den anderen Betroffenen werden wir uns deutlich artikulieren.

AZ

Nochmal, Resolution und Proteste intern sind schön und gut, wo bleibt die Außenwirkung?

Wolf:

Wie gesagt, zum einen sind die Medien da, zum andern sind wir Teil einer Aktionskaskade: am Donnerstag ist der Aktionstag der Selbstverwaltung der Krankenkassen, am Freitag ist der Aktionstag der Ärzte in Berlin, der auch verstärkt wird durch die Apothekerschaft. Ich kann mir vorstellen, dass die Kollegen von den umliegenden Ländern von Berlin dort hinfahren werden - das wird auch wahrgenommen. Und am Sonnabend ist dann unser Münchener Aktionstag ebenfalls mit Verbündeten. An mehreren Tagen signalisieren wir der Politik: Hier ballt sich Widerstand zusammen.

AZ

Herr, Wolf, dann viel Glück für den Apothekertag und die Aktionen. Vielen Dank für das Gespräch.

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