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- AZ 42/2006
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Phagro: Reform gefährdet Vollversorgung
Vor allem die Neuregelung des § 305a SGB V ist den Großhändlern ein Dorn im Auge: Danach dürfen Vertragsärzte Daten über von ihnen verordnete Arzneimittel nur noch eingeschränkt übermitteln. So ist eine Verarbeitung dieser Daten mit regionaler Differenzierung innerhalb einer Kassenärztlichen Vereinigung, für einzelne Vertragsärzte oder Einrichtungen sowie für einzelne Apotheken unzulässig. Diese Bestimmungen gelten auch für die Übermittlung von Daten durch Apotheken, den Großhandel, Krankenkassen sowie Rechenzentren.
Der Gesetzgeber will mit dieser Neuregelung unterbinden, dass Pharmahersteller in Besitz von Verordnungsdaten kommen, die die Verordnungen einzelner Vertragsärzte nachvollziehbar machen und damit zu Marketingzwecken verwendet werden können. So soll die Aufgabe des Pharmaberaters auf ihren eigentlichen Zweck, nämlich die Information des Arztes, zurückgeführt werden, heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs.
Die pharmazeutischen Großhändler fürchten, dass die Hersteller aufgrund dieser Einschränkung künftig auf die Direktlieferung an Apotheken ausweichen werden. Damit hätten die Hersteller Zugriff auf viel detailliertere - weil nämlich auf die einzelne Apotheke bezogene - Daten als vorher, die wiederum sehr gezielte Rückschlüsse auf das Verordnungsverhalten der Ärzte im Umfeld der jeweiligen Apotheke zulassen würden. Der Großhandel wäre somit aus der Belieferung der Apotheken entweder ganz ausgeschlossen oder nur noch als Logistikdienstleister mit einem "fee-for-service" an der Auslieferung beteiligt.
Phagro verweist in diesem Zusammenhang auf das Modell zur Direktbelieferung von Apotheken, das Pfizer im vergangenen Jahr durchsetzen wollte. Dieses habe man damals noch erfolgreich zugunsten des Unabhängigkeit des vollversorgenden Großhandels abwehren können - nun würde es durch den Gesetzgeber gefördert.
Wettbewerb fraglich
Nach Auffassung des Phagro kann den Arzneimittelherstellern der Zugang zu Daten auch wegen des vom Gesetzgeber gewollten Wettbewerbs nicht völlig abgesprochen werden: So benötigten sie zum einen Datenmaterial für den Wettbewerb mit ihren Konkurrenten. Zum anderen sei es nicht zu vertreten, dass die Krankenkassen, mit denen sie Rabattverträge schließen sollen, im Gegensatz zu ihnen über die Abrechnungsdaten verfügen können. Dies wäre ein ungerechtfertigter Wettbewerbsvorteil der Kassen, kritisiert der Phagro.
Aus Sicht des Verbandes müsste eine Lösung gefunden werden, die sowohl dem Willen des Gesetzgebers, Missstände im Bereich der Pharmaberater abzustellen, als auch den berechtigten Interessen aller Marktbeteiligter Rechnung trägt. Dies könnte eine Regelung sein, die für alle Markteilnehmer bestimmt, dass eine Übermittlung allein möglich ist, wenn ein Rückschluss auf das Verordnungsverhalten des einzelnen Arztes ausgeschlossen ist. So könnten statt der Verordnungsdaten die Abverkaufsdaten erhoben werden, die auf eine größere Region als bisher bezogen sind, aber dennoch vernünftige wirtschaftliche Entscheidungen der Marktbeteiligten zulassen.
AVWG muss für alle gelten
Auch der geplante einheitliche Herstellerabgabepreis (§ 78 Abs. 3 Arzneimittelgesetz) stößt beim Phagro auf Ablehnung. Der Verband sieht hierin eine zusätzliche Verschärfung der bereits im AVWG geschaffenen ungleichen Wettbewerbsbedingungen. Schon heute werde der pharmazeutische Großhändler durch die seit Mai geltende Begrenzung der Barrabatte auf die Großhandelsspanne gegenüber den direkt liefernden Herstellern benachteiligt. Denn diese könnten im Direktgeschäft über die volle Großhandelsspanne verfügen, während der Großhandel einen Teil davon zur Erwirtschaftung eines betriebswirtschaftlichen Ergebnisses benötige.
Wenn nun der Hersteller seinen einheitlichen Herstellerabgabepreis nach dem Willen der großen Koalition nur noch unterschreiten kann, wenn er Rabattverträge mit Sozialleistungsträgern oder mit Apotheken abschließt (gemäß § 130a Abs. 8 SGB V), führe dies dazu, dass die Vorschriften des AVWG ohne ersichtliche Rechtfertigung nur noch zwischen Hersteller und Großhandel gelten. Dies hätte die Folge, dass sich die Arzneimitteldistribution mit den oben bereits beschriebenen Konsequenzen auf das Direktgeschäft verlagern würde. Ein fairer Wettbewerb sei nur bei gleichen Ausgangsbedingungen möglich. Deshalb müsse es entweder bei den Regelungen des AVWG bleiben oder der vom Hersteller gelistete Herstellerabgabepreis müsse auch auf der Stufe des Großhandels als Höchstpreis definiert werden.
Nein zur Neuverblisterung
Darüber hinaus wird die industrielle Auseinzelung von Arzneimitteln und anschließende Neuverblisterung vom Phagro aus Gründen der Arzneimittelsicherheit generell abgelehnt. Das gleiche gilt für die patientenbezogene Verblisterung von Bulkware. Der Verband verweist darauf, dass sogar in den USA, wo in der Regel Bulkware Verwendung findet, derzeit darüber nachgedacht werde, alternativ Fertigarzneimittel einzuführen, um insbesondere bei der Konfektionierung die Arzneimittelsicherheit zu gewährleisten.
Darüber hinaus leiste das Fertigarzneimittel einen wichtigen Beitrag zur Abwehr von Arzneimittelfälschungen. Dass die industrielle patientenbezogene Verblisterung von Arzneimitteln zu teuer ist und keine Einsparungen, sondern vielmehr Mehrausgaben für die GKV bringt, habe zudem ein Gutachten von Prof. Eberhard Wille deutlich gemacht (siehe AZ Nr. 27, 2006, S. 1).
Beim Phagro besteht durchaus Hoffnung, dass der Gesetzentwurf im Hinblick auf § 305a SGB V nochmals überarbeitet wird. So seien mittlerweile auch im Ministerium und bei Fachpolitikern Zweifel an der Regelung aufgekommen. Was die weiteren Bestimmungen des Reformgesetzes betrifft, ist der Verband hingegen weniger zuversichtlich.
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