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- AZ 25/2007
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Die "offene Tür" ist nicht immer gut
Wie sollen ApothekenleiterInnen sich in diesen Situationen verhalten? Zunächst einmal ist zu unterscheiden zwischen unangemeldeten Besuchern und vereinbarten Gesprächsterminen – bei Letzteren ist eine effektive Besuchsplanung und -vorbereitung notwendig: Der Apotheker legt etwa mit dem Pharmavertreter den Zweck und das gewünschte Gesprächsergebnis fest, bereitet einen Gesprächsleitfaden vor und klärt zu Beginn des Gesprächs mit dem Gesprächspartner die Zielsetzungen.
Die eigentliche Herausforderung stellen die unangemeldeten Besucher dar – vor allem die MitarbeiterInnen. Hier sollte sich der Apotheker von dem Paradigma der stets offenen Tür verabschieden. Bei aller Mitarbeiterorientierung: Es verführt zur Bequemlichkeit. Denn warum sollte sich ein Mitarbeiter der Mühsal unterziehen, eine Problemlösung zu erarbeiten, wenn der Vorgesetzte sie frei Haus liefert? Was zugleich den Vorteil hätte, die Verantwortung von sich schieben zu können: "Der Chef hat doch selbst gesagt ...!"
Unangemeldete Besucher, denen der Apotheker dennoch Zeit und Arbeitsenergie widmet, bringen seinen Tagesablauf durcheinander, führen zu Verzögerungen, Stress, Hektik und dem Gefühl, heute wieder nicht das geschafft zu haben, was er sich vorgenommen hat. Diese Schwierigkeiten sind häufig selbst verschuldet: Die Mitarbeiter nehmen sich nur das Recht, das der Vorgesetzte ihnen einräumt, indem er stets ein offenes Ohr für die Anliegen der anderen hat. Damit erwirbt er sich den Ruf des jederzeit zuständigen Chefs. Das mag seinem Ego schmeicheln – doch er bezahlt einen hohen Preis für die falsch verstandene Auffassung von Kooperation: Schnell gilt er als jemand, der einfach nicht "Nein" sagen kann – und das wird zuweilen ausgenutzt.
Besprechungsrituale einführen
Der Ausweg aus dem Dilemma besteht darin, verbindliche Besprechungsrituale einzuführen: Zwar steht die Bürotür des Apothekers jedem Mitarbeiter beispielsweise zwischen 12.00 und 12.30 Uhr offen. Er richtet also eine "Besucherstunde" ein und strebt an, gleich mehrere kurze Gespräche "im Block" zu führen. Für diese Zeit legt er Spielregeln fest: Priorität hat immer der Kunde – wenn sich der Apotheker um einen Kunden kümmern will oder muss, steht der Mitarbeiter hintan. Wenn es aber zum Gespräch kommt, stehen höchstens fünf Minuten zur Verfügung, der Mitarbeiter hat das Gespräch vorbereitet, fasst die Problemstellung und die wichtigsten Fakten zusammen und resümiert sein Anliegen in einer konkreten Frage. Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist der Apotheker zum Gespräch bereit.
Ist das nicht möglich, weil die Problembehandlung länger ausfallen würde, vereinbart er mit dem Angestellten einen Gesprächstermin. Oder er setzt das Anliegen auf die Agenda des nächsten Teammeetings. Dies ist vor allem dann sinnvoll, wenn die Frage des Mitarbeiters auch die Kollegen betrifft.
Konsequent bleiben
Was aber, wenn sich ein Besucher nicht an das Ritual hält? Dann muss der Apotheker konsequent abblocken oder so früh wie möglich die Verantwortung zurückgeben: "Ich fasse das Problem zusammen: ... Was schlagen Sie als weitere Vorgehensweise vor?" Oder er beauftragt den Mitarbeiter, das Problem und die Ursachen klar zu benennen, zu überlegen, ob es dafür nicht einen Lösungsweg aus der Vergangenheit gibt, und eigenständig Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Jeder muss also wissen: "Erst, wenn ich selbst nach sorgfältiger Analyse des Problems und der Lösungsalternativen nicht weiter weiß, ist es legitim, die offene Tür des Chefs zu nutzen."
Bleiben die Situationen, in denen Besucher die "Stunde der offenen Tür" einfach nicht respektieren wollen. Einen Königsweg gibt es nicht: Der Apotheker entscheidet von Fall zu Fall, ob eine kurze Unterredung sinnvoll ist, er das Gespräch delegieren kann – oder ob er für den Besucher nicht zur Verfügung steht.
Zudem kann sich der Apotheker Strategien überlegen, ein unerwünschtes Gespräch rasch, aber dennoch höflich zu beenden. Das gilt insbesondere für informelle Gespräche. Dabei hilft die klare Aussage weiter: "Ich bitte um Entschuldigung, ich habe jetzt einfach keine Zeit mehr. Können wir uns vielleicht später, am besten um ... Uhr, unterhalten?" Oder er machte eine resümierende Bemerkung wie: "Lieber Pharmavertreter, ich fasse zusammen ..." So gibt er zu verstehen, dass er die Unterredung jetzt gerne beenden möchte. Dabei kann er aufstehen und den Besucher zur Tür geleiten.
Eine weniger höfliche, aber bei hartnäckigen Besuchern wirksame Methode ist, sich die Post vorzunehmen oder zum Telefon zu greifen: "Interessant, aber ich muss jetzt ein wichtiges Telefonat führen, ich habe einen Telefontermin ausgemacht." Wie überhaupt manchmal kleine psychologische Tricks weiterhelfen: Zu empfehlen ist, das Gespräch im Stehen zu führen – der Besucher kann sich dann nicht setzen, das Gespräch bekommt etwas Eiliges. Sitzt er dem Apotheker erst einmal gegenüber, glaubt er, sich länger in dem Büro niederlassen zu können, im wahrsten Sinn des Wortes.
Klug ist es zudem, den Schreibtisch so aufzustellen, dass ein Mitarbeiter bei geöffneter Tür den Apotheker nicht sehen kann. Denn oft huschen Mitarbeiter am Büro vorbei, erblicken den Chef und denken: "Da kann ich ja mal schnell meine Frage loswerden ...".
Dr. Michael Madel, freier Autor und Kommunikationsberater
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