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- AZ 25/2007
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Immer dreister
Achtung, festhalten! Sie könnten sonst an die Decke gehen. Die Versuche, mit Arzneiversand Kohle zu machen, werden immer dreister. Unlängst wurden viele Haushalte mit einem Flyer eines Versenders mit Postanschrift in Chemnitz beglückt, dessen Geschäftsstelle in den Niederlanden liegt und sich "Apotheke postPills" nennt. "Wir liefern alle Medikamente, die Sie auch in Ihrer Apotheke bekommen" – so preist der Versender sein Sortiment an. Der erste Unterschied zu "Ihrer Apotheke" – gemeint ist offensichtlich die Apotheke vor Ort – wird allerdings sogleich deutlich: "Wir versenden keine Betäubungsmittel, Rezepturen, Impfstoffe, Tierarzneimittel, Inkontinenzartikel, Trinknahrung und Kompressionsstrümpfe". Na klar: Der Versender klinkt sich aus, sobald es aufwendig und ertragsschwach wird, wenn Service und pharmazeutische Verantwortung erforderlich sind. Aber es kommt noch schöner: Bei Fragen zu "Risiken und Nebenwirkungen", so heißt es weiter, sollen sich die Versandkunden an "Ihren Arzt oder Apotheker" vor Ort wenden. Die einen wollen das Geschäft, die anderen sollen die Arbeit machen und leisten,was pharmazeutische Versorgung ausmacht.
Der Gesundheitsministerin, aber auch den letzten Bundestagsabgeordneten sollte dieses Beispiel klar machen, welchen unfairen, wettbewerbsverzerrenden, unverantwortlichen Geschäftsmodellen und Geschäftemachern sie mit ihrer Zustimmung zum Arzneiversandhandel freie Bahn verschafft haben. Die Apotheken vor Ort werden auf Dauer weder bereit noch in der Lage sein, die Lückenbüßerrolle zu übernehmen.
Es ist an der Zeit, diese Fehlentwicklung zu korrigieren. Die mutige Bundesratsinitiative des NRW-Sozialministers Laumann (CDU) verdient deshalb volle Unterstützung: Er will, dass der Arzneiversand – soweit EU-rechtlich möglich – wieder verboten wird. Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen, aber auch das SPD-regierte Rheinland-Pfalz haben dem Vernehmen nach bereits Zustimmung signalisiert. MdBs (auch aus der CDU), die bislang Skepsis oder Ablehnung in Richtung Laumann signalisiert haben, sollten ihre Position überdenken. Sie hätten sonst nicht nur die skizzierten Verwerfungen zu verantworten. Bedenken sollten sie, dass der Arzneiversand auch das gefährlichste Einfallstor für Arzneimittelfälschungen ist. Die Bevölkerung kann zwischen halbwegs seriösen und brutal unseriösen Versendern faktisch nicht unterscheiden. Und auch die Behörden sind überfordert, gefälschte Arzneimittel und unseriöse oder illegale Versender herauszufischen, solange der Arzneiversand generell erlaubt bleibt.
Klaus G. Brauer
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