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Arzneimittel-Atlas 2007
Fortschritt in Therapie und Prävention verursacht Kosten
STUTTGART (hel). Die Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) werden im Jahr 2008 voraussichtlich um 2,2 Mrd. Euro bzw. 7,9 Prozent steigen, was rund 0,2 Beitragssatzpunkten entspricht. Am 25. September diskutierten in Stuttgart Vertreter von Industrie, Krankenkassen, Ärzten und Apothekern auf einer Informationsveranstaltung vom Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) über die aktuelle Ausgabe des "Arzneimittel-Atlas 2007", der diese Zahlen näher beleuchtet.
Dr. Ulrich Vorderwülbecke, Geschäftsführer beim Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA), betonte, wie wichtig die aktuelle Datensammlung des Arzneimittel-Atlas sei. Vor allem sei es dadurch möglich, nicht nur auf das vergangene Jahr zu schauen, sondern eine Prognose für die Zukunft zu wagen.
Auch in der Zukunft werden die Arzneimittelausgaben weiter steigen, weil der medizinische Fortschritt immer bessere Medikamente für eine immer älter werdende Gesellschaft hervorbringen wird. So werden im kommenden Jahr die Gesamtausgaben der GKV für Arzneimittel bei rund 28,9 Mrd. Euro ohne Impfstoffe und bei 30,5 Mrd. Euro mit Impfstoffen liegen. Der Autor des Arzneimittel-Atlas, Prof. Dr. Bertram Häussler, stellte in Stuttgart die Daten über den Arzneimittelverbrauch in der GKV im Jahr 2006 vor, auf denen diese Zukunftsprognose basiert.
Im Jahr 2006 lagen die GKV-Gesamtausgaben bei 147,6 Mrd. Euro, davon betrugen die Ausgaben für Arzneimittel 25,9 Mrd. Euro. Damit entfielen 17,5 Prozent der Gesamtausgaben auf die Ausgaben für Arzneimittel. Nur 3,9 Prozent, das entspricht 5,8 Milliarden Euro, wurden für patentgeschützte Arzneimittel aufgebracht.
Der Anstieg der GKV-Ausgaben für Arzneimittel lag 2006 mit 2 Prozent weit unter dem des Vorjahres. Häusslers Fazit: "Die Preise sinken, aber der Verbrauch nimmt zu". Um zu sparen, werden zum Beispiel größere Packungseinheiten verordnet, und die Patienten werden dazu angehalten, ihre Tabletten gegebenenfalls zu teilen.
... und steigender Verbrauch
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass der Verbrauch an Arzneimitteln seit zehn Jahren kontinuierlich steigt. In vielen Indikationen werden heute doppelt so viele Patienten behandelt als noch 1996, und weitere Steigerungen werden erwartet. Ein Grund ist das immer höhere Alter der Versicherten. Ein weiterer Grund ist laut Häussler der günstige Preis vieler Arzneimittel, zum Beispiel der Blutdrucksenker, die damit häufiger verordnet werden als früher. Auch die Verordnungen von Lipidsenkern, Säurehemmern und Antidiabetika haben zugenommen.
Therapiefortschritt und Prävention sind teuer
Die Mehrausgaben verteilen sich zum einen auf die schweren, lebensbedrohlichen Erkrankungen, für die mehr und teurere Arzneimittel benötigt wurden. Dazu gehören Krebs, Hepatitis, Rheuma und die HIV-Infektion. Durch die Einführung wirksamerer und besser verträglicher Medikamente wurden die Behandlungsmöglichkeiten für schwere Krankheiten speziell auch im ambulanten Sektor erheblich verbessert.
"In den nächsten Jahren sind Ausgabensteigerungen durch die ambulante Krebsbehandlung und auch durch eine Zunahme von Impfungen zu erwarten", sagte Häussler. Durch den vermehrten Einsatz von Impfstoffen werden die Ausgaben der Krankenkassen im kommenden Jahr um rund 490 Mio. Euro steigen. Einsparungen wurden unter anderem durch den zunehmenden Umstieg auf Generika erzielt. Auch die Rabattverträge führten bereits zu Einsparungen und "die Wirkung der individualvertraglichen Rabatte wird noch größer", wie Häussler ausführte.
Innovationen vor allem bei schweren Krankheiten
Häussler wies darauf hin, dass es in Zukunft neue Arzneimittel "schwer haben werden". Die Arzneimittel, die heute auf dem Markt sind, seien in vielen Indikationen gut wirksam und zudem preisgünstig. "Innovationen haben nur noch bei schweren Krankheiten eine Chance", so Häussler. "Wir stehen klar zu Innovationen", sagte Andreas Vogt, Techniker Krankenkasse Baden-Württemberg. Er nannte den Arzneimittel-Atlas eine "Bereicherung in der nie endenden Debatte um die Arzneimittelversorgung".
Der Patient sollte im Mittelpunkt stehen
"Wenn wir nicht wieder zurück zu den Heilkräutern möchten, sind wir auf die Innovationskraft der Industrie angewiesen", sagte der Arzt Dr. Jan Geldmacher, Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg. Geldmacher forderte ein patientenorientiertes System, in dem man mit Zahlen kritisch umgeht. Er gab zu bedenken, dass der "Blick des Gesunden" anders ist als der "Blick des Kranken". Jemand müsse für die Behandlung der Kranken "in die Tasche greifen". Das seien überwiegend die Gesunden, und das habe schon immer zu Diskussionen geführt. Geldmacher gab zu bedenken, dass Arzneimittel eine "relativ günstige" Therapiemöglichkeit seien, was wegen der Kostentransparenz gerade auf diesem Sektor immer wieder vergessen werde.
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