Arzneimittel und Therapie

Fortgeschrittenes Nierenzellkarzinom

mTOR-Inhibitor Temsirolimus zur First-Line-Therapie zugelassen

Der mTOR-Inhibitor Temsirolimus (Torisel®) hat die Zulassung für die Erst-Linien-Therapie des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms bei Patienten mit schlechter Prognose erhalten. Er hemmt die Kinase mTOR, die eine Schlüsselposition in der intrazellulären Signaltransduktion einnimmt, und verlängert so das Gesamtüberleben im Vergleich zur bisherigen Standardtherapie mit Interferon-alpha deutlich.

Die Therapieoptionen bei metastasiertem Nierenzellkarzinom waren lange Zeit rar. Im Vordergrund stand die Metastasenchirurgie, die primär palliativ ist. Sie kann das Leben verlängern, stößt allerdings bei ungünstiger Lokalisation oder vielen Metastasen an ihre Grenzen. Chemotherapie ist beim Nierenzellkarzinom nahezu wirkungslos. Standard in der medikamentösen Behandlung war die unspezifische Immuntherapie mit Interferon-alpha, allerdings mit geringen Ansprechraten und starken Nebenwirkungen. Innovative zielgerichtete Therapien, sogenannte targeted therapies, markieren deshalb gerade für das Nierenzellkarzinom einen großen Fortschritt. Entwickelt wurden Substanzen, die über verschiedene Angriffspunkte in die intrazelluläre Signaltransduktionskaskade von Tumorzellen eingreifen und dadurch Zellproliferation und Angiogenese hemmen und die Apoptose aktivieren. Mit Temsirolimus (Torisel®) wurde nun ein Wirkstoff für die Erst-Linien-Therapie des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms bei Patienten mit schlechter Prognose zugelassen, der die Serin/Threonin-spezifische Kinase mTOR (mammalian Target Of Rapamycin) hemmt.

mTOR nimmt eine Schlüsselposition bei der intrazellulären Signalvermittlung von Wachstumsfaktoren ein. Aktiviert wird die Kinase über den PI3K-AKT-Weg. Bei Tumorzellen kommt es häufig zu einer Überaktivierung dieses Signalwegs, entweder aufgrund eines Funktionsverlusts des Tumorsuppressorgens PTEN oder wegen einer übermäßigen PI3K-AKT-Aktivierung durch rezeptorunabhängige Signale, etwa über den Ras-Signalweg. Folge ist eine Aktivierung der nachgeschalteten Signaltransduktionswege, die Transkriptions- und Translationsprozesse aktivieren und so Zellproliferation und Zellwachstum vorantreiben und die Apoptose hemmen. mTOR-Inhibitoren wie Temsirolimus zeigen in Krebszellen antiproliferative Effekte durch Hemmung von Zellzyklus und Proteinsynthese, Induktion der Apoptose und Beeinflussung der RNA-Stabilität. Zudem wirken sie antiproliferativ und antiinvasiv in Endothelzellen mit einer Reduktion der VEGF-Expression.

Gesamtüberleben deutlich verlängert

Entscheidend für die Zulassung von Temsirolimus waren die Ergebnisse der dreiarmigen Phase-III-Studie Global-ARCC (Advances Renal Cell Carcinoma). Behandelt wurden 626 Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom und schlechter Prognose entweder mit Temsirolimus (25 mg i.v. 1 x/Woche; n = 209), Interferon-alpha (Dosiseskalation bis 18 Mio IE 3 x/Woche; n = 207) oder einer Kombination der beiden Wirkstoffe (15 mg Temsirolimus i.v. 1 x/Woche plus 6 Mio I.E. IFN alfa 3 x/Woche; n = 210). Als ungünstige Prognosefaktoren galten beispielsweise eine Anämie, erhöhte Laktatdehydrogenasespiegel, hohe Serumkalziumspiegel, mindestens zwei Metastasen und ein schlechter Allgemeinzustand. Um in die Studie aufgenommen zu werden, musste der Patient drei von sechs Risikofaktoren aufweisen. Das Ergebnis: Unter der Therapie mit Temsirolimus lag das Gesamtüberleben signifikant höher als unter der Standardtherapie (10,9 Monate versus 7,3 Monate). "Dies entspricht einer Verlängerung um 49%", betonte Professor Thomas Otto, Neuss. Dagegen gab es keinen signifikanten Vorteil für die Kombinationstherapie (8,4 Monate versus 7,3 Monate). Beim progressionsfreien Überleben schnitt sowohl Temsirolimus als auch die Kombinationstherapie besser ab als die alleinige Immuntherapie (5,5 Monate versus 4,7 Monate versus 3,1 Monate).

Die Ansprechraten lagen in dieser Hochrisikogruppe unter Temsirolimus bei 8,6%, unter der Monotherapie mit IFN alfa dagegen bei 4,8%. Eine Krankheitsstabilisierung oder ein objektives Ansprechen von mindestens sechs Monaten erreichten 32,1% der Temsirolimus-Patienten dagegen nur 15,5% der Patienten, die IFN alfa erhielten.

Nicht nur beim klarzelligen Tumor effektiv

Temsirolimus erwies sich dabei nicht nur beim häufig vorkommenden klarzelligen Nierenzellkarzinom als effektiv, sondern auch bei selteneren Tumorentitäten. So lag das mediane Überleben beim klarzelligen Nierenzellkarzinom (n = 339) bei 10,6 Monaten, bei den anderen Tumortypen (n = 73) bei 11,6 Monaten. Zum Vergleich das Überleben unter Interferon alfa: 8,2 Monate und 4,3 Monate.

Auch die Lebensqualität bessert sich

Die Patienten lebten unter Temsirolimus nicht nur länger, sondern auch besser. TWiST (time without symtoms and toxicity), also die Zeit ohne Symptome und Toxizität, verlängerte sich gegenüber der Interferongabe um 39%. Der Blick auf die relevanten Nebenwirkungen fällt ebenfalls zugunsten von Temsirolimus aus. Insgesamt war Temsirolimus etwas besser verträglich als die Interferonmonotherapie. Grad 3/4 Nebenwirkungen traten um 14% weniger auf. Häufigste Nebenwirkungen insgesamt waren Asthenie, Ausschlag, Anämie und Übelkeit. Bei den Grad 3/4-Nebenwirkungen standen Anämie (20%), Asthenie (11%), Hyperglykämie (11%) sowie Atemnot (9%) im Vordergrund. Ein Hand-Fuß-Syndrom wurde nicht beobachtet. Studienabbrüche aufgrund von Nebenwirkungen waren deutlich seltener als unter der Immuntherapie und der Kombinationstherapie (7% vs. 14% vs. 22%). <

Quelle

Prof. Dr. Thomas Otto, Neuss; Prof. Dr. Jürgen Gschwend, Ulm; Prof. Dr. Wolfgang Berdel, Münster: "Das mTOR ist das Ziel: Mit dem ersten zugelassenen mTOR-Inhibitor Temsirolimus zu verlängertem Überleben beim fortgeschrittenen Nierenzellkarzinom", München 22. November 2007, veranstaltet von der Wyeth Pharma GmbH, Münster.

Apothekerin Dr. Beate Fessler
Hemmung der gesteigerten Angiogenese
Klarzellige Nierenzellkarzinome sind häufig mit einer Mutation des Von-Hippel-Lindau(VHL)-Gens, einem Tumorsuppressorgen, assoziiert. Auch Hypermethylierung kann zur Inaktivierung des Gens führen. Aufgabe von intaktem VHL ist es, die Transkriptionsfaktoren HIF(hypoxia inducible factor)-1alfa und -2alfa für den Abbau durch Proteasomen zu markieren. Bei einem Gendefekt wird HIF nicht mehr abgebaut und Hypoxie-induzierbare Wachstumsfaktoren wie VEGF, PDGF und TGF alfa verstärkt exprimiert. Dies stellt einen Überlebensvorteil von Tumorzellen dar. Eine Überaktivierung von mTOR führt ebenfalls zu einer gesteigerten HIF-1alfa-Expression. Temsirolimus bremst durch die mTOR-Inhibition daher auch die Aktivierung von HIF-1alfa und damit eine gesteigerte Angiogenese.
"Die Immuntherapie ist die längste Zeit als Monotherapie gegeben worden. "

Prof. Dr. Thomas Otto

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