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Breite Koalition gegen Pick-up-Stellen
Breite Koalition gegen Pick-up-Stellen
Zur Eröffnung des Deutschen Apothekertags zeigt sich die Politik auf der Seite der Pharmazeuten"Wir sind gegen die Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes und hoffen, dass der Europäische Gerichtshof in unserem Sinne entscheiden wird", machte Beckstein deutlich. Grund zu Hoffnung gebe ihm dabei auch, dass der zuständige Generalanwalt "aus Frankreich und nicht aus Großbritannien" komme. Der CSU-Politiker betonte, dass es keine Verdrängung inhabergeführter Apotheken durch Großkonzerne geben dürfe – nicht zuletzt weil er hierdurch die Versorgung im ländlichen Raum gefährdet sieht. Apotheker seien "keine Verkäufer, sondern Berater"; es gehe nicht darum, lediglich Arzneimittel zu "besorgen", sondern darum, Patienten zu "versorgen". Beckstein verwies auf die im Lebensmittelhandel zu beobachtenden Entwicklungen, wo "Multis" mittlerweile den Markt beherrschten. "Das darf in anderen gesellschaftspolitischen Feldern nicht geschehen – sonst ist das Rückgrat der sozialen Marktwirtschaft gefährdet", warnte er. Man müsse "nicht nur die Kirche, sondern auch die Apotheke im Dorf lassen", so der Ministerpräsident. Auch den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln hält er unter gesellschaftspolitischen Aspekten für eine "verheerende Fehlentwicklung". Er müsse daher schleunigst verboten werden. Medikamente seien nun einmal kein Buch und keine CD.
Was das Fremd- und Mehrbesitzverbot betrifft, konnte auch der Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, Dr. Klaus Theo Schröder (SPD), dem bayerischen Ministerpräsidenten beipflichten. Er hält die Argumente der Bundesregierung für den Erhalt der bestehenden Vorschriften für überzeugend – zugleich machte er deutlich, dass man bis zur Entscheidung aus Luxemburg noch eine gute Wegstrecke vor sich habe. Eine zusätzliche Zuversicht schöpft Schröder aber aus dem am 11. September ergangenen Urteil des EuGH zur Arzneimittelversorgung von Krankenhäusern. Hier habe man der Patientensicherheit eine höhere Bedeutung beigemessen als der Effizienz. Dagegen verteidigte der Staatssekretär erwartungsgemäß den Arzneimittelversandhandel. Er betonte, dass der Europarat im vergangenen Jahr die deutschen gesetzlichen Voraussetzungen für den Versand als vorbildlich herausgestellt habe. Auch eine Existenzgefährdung für die übrigen Apotheken kann Schröder durch die Versender nicht erkennen. Man sei sich aber einig, dass der Vollzug des dm-Urteils des Bundesverwaltungsgerichts die Arzneimittelsicherheit nicht gefährden dürfe. Daher werde das Ministerium in Kürze ein elektronisches Siegel vorstellen, das den Verbrauchern eindeutig verdeutliche, ob die gewählte Versandapotheke sicher ist.
Volkmer will mehr
Während man sich in Sachen Fremd- und Mehrbesitz weitgehend einig ist, wird die Frage, welche Konsequenzen aus dem dm-Urteil zu ziehen sind, in der SPD-Fraktion noch kontrovers diskutiert. Die SPD-Gesundheitspolitikerin und Ärztin Dr. Marlies Volkmer hat allerdings eine klare Meinung zu diesem Thema: Ausfransungen in der Arzneimittelversorgung können aus ihrer Sicht nur verhindert werden, wenn der Versandhandel auf das europarechtlich geforderte Maß zurückgeführt wird. "Ein Verbot von Pick-up-Stellen wäre nicht weitreichend genug", betonte sie. Für Volkmer besteht kein Zweifel: "Jede Instanz, die zwischen der Abgabe durch die Apotheke und den Empfang durch den Patienten steht, erhöht das Risiko." Zudem ist es für die SPD-Abgeordnete unerlässlich, dass der Apotheker die Möglichkeit haben muss, Patienten auf eigene Initiative zu beraten. Die derzeit im Bundesgesundheitsministerium laufenden Überlegungen, ein elektronisches Siegel für zertifizierte Versandapotheken einzuführen und Anforderungen an die Ausstattung von Pick-up-Stellen zu definieren, sind aus Volkmers Sicht nicht falsch. Allerdings müssten diese beiden Maßnahmen zusätzlich zum Rx-Versandverbot greifen – für jene Versandapotheken, die dann noch OTC versenden.
Linke warnt vor "McDonaldisierung"
Auch die Linken zeigten sich ganz auf Schmusekurs mit der Apothekerschaft. Für die erkrankte Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Martina Bunge, machte der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag Klaus Ernst die Position seiner Fraktion deutlich: "Der Arzneimittelbestell- und -abholdienst, der von einigen Drogeriemärkten in Zusammenarbeit mit Versandapotheken angeboten wird, führt zu einer McDonaldisierung mit hohem Gefährdungspotenzial" – und das sowohl für die Patienten als auch für die Apotheken. Daher habe seine Fraktion den Antrag in den Bundestag eingebracht, den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln wieder zu verbieten. Die Zusage der Großen Koalition, mögliche Handlungsoptionen zu prüfen, sei "zu wenig", betonte Ernst. Eine Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes mit der Folge, dass Apothekenketten Fuß fassen können, ist für die Linken ebenfalls indiskutabel – darunter würde zwangsläufig die Qualität der unabhängigen Beratung leiden.
FDP für Pick-up-Verbot
Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Daniel Bahr, versicherte in seinem schriftlichen Grußwort, dass seine Fraktion weiterhin für die Freiberuflichkeit der Apotheker kämpfe. Mit Blick auf den Versandhandel, dessen Einschränkung auf OTC die FDP nicht für durchsetzbar hält, betonte er, es könne nicht angehen, "dass die Apotheker eine Vielzahl von Verpflichtungen erfüllen müssen, während Drogerien sich zwar den Anschein einer Apotheke geben, aber diese Pflichten nicht erfüllen". Daher setze sich seine Fraktion im Bundestag dafür ein, Pick-up-Stellen für Medikamente zu unterbinden. Ein Vertreter der Grünen war – wie gewohnt – auch in diesem Jahr nicht zum Apothekertag erschienen..
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