Gesundheitspolitik

VFA mit neuem Reformmodell

Hersteller plädieren für Deregulierung und wollen selbst Arzneimittelpreise mit Krankenkassen verhandeln

Berlin (ks). In der pharmazeutischen Industrie wird der Ruf nach einer Abschaffung der zentralen Steuerungsinstrumente in der Arzneimittelpolitik lauter. Auch die forschenden Arzneimittelhersteller würden in Zukunft lieber mit den Krankenkassen direkt über die Preise ihrer Produkte verhandeln. Dies geht aus einem Positionspapier des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) zur „Reform des Gesundheitssystems und des Arzneimittelmarktes“ hervor.

Auch wenn in diesem (Wahl-)Jahr keine große Gesundheitsreform zu erwarten ist – die nächste Reform kommt bestimmt. Und selbstredend möchte jeder am Gesundheitswesen Beteiligte zur Diskussion beitragen. So auch der VFA mit seinem Positionspapier, das bereits im Oktober letzten Jahres verfasst, aber erst im Dezember auf der Mitgliederversammlung des VFA in Berlin diskutiert und verabschiedet wurde.

„Unsere Position ist im Kern ganz einfach“, erklärt VFA-Hauptgeschäftsführerin Cornelia Yzer: „Wir wollen mehr wettbewerbliche Lösungen im Gesundheitswesen und weniger starre Regulierungen. Konkret heißt das, wir können uns direkte Verhandlungen mit den Kassen über Art und Umfang der Arzneimittelversorgung vorstellen, wenn im Gegenzug starre Regulierungen wie Festbeträge und Zwangsrabatte entfallen.“ Größtmögliche Flexibilität und Wahlfreiheit sind also gefragt – insbesondere im Arzneimittelbereich, aber auch darüber hinaus im gesamten Gesundheitssystem.

Absage an Zentrale Kosten-Nutzen-Bewertung

Die Bestandsaufnahme ist nicht neu. Auch andere Verbände beklagen seit Langem das Nebeneinander der vielfältigen Steuerungsinstrumente, die sich teilweise zuwiderlaufen. Ein Beispiel sind Festbeträge und Rabattverträge: Bei der Festsetzung der Festbeträge soll der Marktpreis der Präparate Grundlage sein. Doch dieser ist als Folge der Rabattverträge nicht mehr öffentlich zugänglich. Dieses „in seinen Effekten weitgehend intransparente Regulierungssystem“ bietet aus Sicht des VFA nicht den ordnungspolitischen Rahmen, in dem sich wettbewerbliche Instrumente funktionsgerecht entfalten können. So seien auch die Rabattverträge als erstes wettbewerbliches Element unsystematisch implementiert. Die Lösung sehen die Arzneimittelhersteller in der Deregulierung. Dabei soll auch die zentrale Kosten-Nutzen-Bewertung weichen. Zuletzt hatte sich der VFA stets zu dieser bekannt. Auch nun räumt der Verband ein, dass die Kosten-Nutzen-Bewertung im gegenwärtigen System zwar einen hohen Stellenwert habe. Unter durchgängig wettbewerblichen Bedingungen sei sie jedoch dezentral von den einzelnen Kassen durchzuführen.

Allerdings fordert auch der VFA nach wie vor einen Rahmen, der sicherstellt, dass sich ein fairer Wettbewerb entfalten kann, und jedem Bürger im Bereich der solidarisch finanzierten Gesundheitsversorgung die gleiche Teilhabe zusteht. Um zu vermeiden, dass die Kassen sich nur um gesunde Versicherte bemühen, müsse gewährleistet sein, dass alle Krankenkassen vergleichbare Therapieoptionen anbieten. Einen Vorschlag, wie ein solcher Rahmen konkret ausgestaltet werden könnte, liefert aus Sicht des VFA das Gutachten der Professoren Wille, Cassel und Ulrich: Danach würde die Nutzenbewertung von Arzneimitteln zwar weiterhin zentral durch einen Bewertungsausschuss erfolgen. Die Auswahl erstattungsfähiger Arzneimittel und ihrer Konditionen würde jedoch dezentral durch die Kassen erfolgen. Denkbar sei aber auch eine vollkommen dezentrale Steuerung, bei der die einzelnen Kassen selbst Nutzenbewertungen vornehmen. In einem solchen Modell wären die Kassen nur noch durch den Ordnungsrahmen, der qualitative Anforderungen stellt, gebunden.

Frei muss nach Ansicht des VFA auch die Wahl der Vertragsmodalitäten sein. Neben schlichten Rabattverträgen könnten zunehmend Mehrwertverträge eine Rolle spielen. Schon heute gibt es einige Cost- oder Risk-Share-Verträge über patentgeschützte Arzneien. Im Vergleich zu den Rabattverträgen mit Generika nimmt sich ihre Zahl jedoch gering aus.

Kartell- und Wettbewerbsrecht muss gelten

Im Ergebnis soll der informierte Versicherte in die Lage versetzt werden, seine persönlichen Präferenzen in einer informierten Wahlentscheidung für oder gegen eine Kasse zu treffen. Das Credo lautet: Weg von der Einheitsversicherung und hin zur bedarfsgerechten Versorgung. Eine weitere Voraussetzung für einen solchen Systemwechsel ist aus Sicht des Verbandes jedoch, dass die Krankenkassen wie normale Unternehmen dem nationalen wie auch europäischen Kartell- und Wettbewerbsrecht unterliegen. So soll angesichts der fortgeschrittenen Konzentration auf Kassenseite einem Marktmissbrauch entgegengewirkt werden.

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