Gesundheitspolitik

Startschuss für neue AOK-Rabattverträge

Weitere Vergütungsvereinbarungen für Apotheker auf Landesebene abgeschlossen

Berlin (ks). Es ist soweit: Am Pfingstmontag sind die neuen AOK-Rabattverträge für 63 Wirkstoffe in Kraft getreten. Im Vorfeld galt es für die Apotheken, ihr Warenlager entsprechend anzupassen – nun sind sie gefordert, die betroffenen Patienten über die Umstellung zu informieren. Die Spannung ist groß, ob alle Hersteller tatsächlich problemlos liefern können. Den Apotheken bleibt zunächst ein Monat des friedlichen Übergangs, um Altbestände ihres Warenlagers abzuverkaufen und AOK-Versicherte auf die Neuerungen einzustimmen.

Die zahlreichen Nachprüfungsverfahren, die pharmazeutische Unternehmen vor den Vergabekammern und Gerichten angestrengt haben, konnten die dritte Runde der AOK-Rabattverträge nicht gefährden, sondern nur um einige Monate verzögern. Die Kasse hat dank der vorherigen beiden Rabattrunden einiges dazu gelernt. Diesmal erwies sich die Ausschreibung juristisch als wasserdicht. Zwei Jahre lang sollen AOK-Versicherte nun stets das gleiche Arzneimittel vom selben Hersteller erhalten, soweit ihr Präparat von den neuen Rabattverträgen erfasst ist. Aus Sicht der AOK ist dies ein Vorteil für die Patienten wie auch für die Apotheken. Voraussetzung ist selbstverständlich, dass die Hersteller auch immer lieferfähig sind. Und diesbezüglich ist man bei der AOK zuversichtlich, die Apotheker bemühen sich jedenfalls um Optimismus.

Pharmagroßhandel: Ruhe bewahren

Im Pharmagroßhandel sieht man derzeit ebenfalls keinen Anlass zur Sorge. "Wir sind bevorratet, da kann überhaupt nichts passieren", meint Noweda-Sprecher Alexander von Chiari. Auch wenn einige Hersteller mit der Beschaffung von Pillen, Blistern, Packungen und Beipackzetteln etwas ins Hintertreffen geraten sind, gab man sich vor Pfingsten zuversichtlich, dass die AOK-Vertragspartner ihre Zusagen für eine pünktliche Lieferung dennoch einhalten. Auch bei der Anzag glaubt man an einen guten Start der Rabattverträge. Man sei mit allen Herstellern in Kontakt, ausreichend bevorratet und verlasse sich im Übrigen auf die Lieferversprechen der Firmen, erklärte Anzag-Sprecher Thomas Graf gegenüber der AZ. Es bestehe "kein Grund zur Panik". Berichte über angebliche "Leerkäufe" der Großhandlungen durch Apotheken konnte man kurz vor Vertragsstart nicht bestätigen – auch wenn in der vergangenen Woche die Bestellungen durchaus angestiegen sind. Hamsterkäufe sind aus Sicht der Grossisten jedenfalls nicht anzuraten. Sie gefährdeten die Planung und könnten zu Defekten führen. Die AOK-Rabattpartner dürften aber auch ein ureigenes Interesse haben, ihre Lieferfähigkeit unter Beweis zu stellen. Schließlich drohen ihnen nicht unerhebliche Vertragsstrafen, wenn die Versorgung der AOK-Versicherten nicht reibungslos läuft und im Ernstfall wird ihnen gekündigt – gerade für kleine Unternehmen kann dies das Ende bedeuten.

AOK Plus zahlt bis zu 150 Euro an Apotheken

Um einen engen Schulterschluss mit den Apothekern sind die einzelnen AOKen sehr bemüht. Nicht nur der Bayerische Apothekerverband und die AOK Bayern haben einen "Compliance-Bonus" von bis zu einem Euro pro abgegebenem Rabattarzneimittel für die Apotheker vereinbart. Auch andere Landes-AOKen haben mittlerweile ähnliche Vereinbarungen getroffen. So ist etwa die AOK Plus auf die Apothekerverbände Thüringen und Sachsen zugekommen und hat sich mit ihnen auf eine gestaffelte pauschale Vergütung geeinigt, die an die tatsächliche Umsetzung der Verträge gekoppelt ist: Eine Apotheke, die bei den 63 neu rabattierten Wirkstoffen eine Abgabequote von 40 Prozent erreicht, bekommt von der Kasse 100 Euro. Liegt die Quote bei 60 Prozent sind es bereits 125 Euro und erfolgt die Umsetzung zu 80 Prozent, winken 150 Euro – jeweils monatlich und zuzüglich Mehrwertsteuer. Diese Vereinbarung soll von Juni bis September gelten. Man habe sich "aktiv gegen eine packungsbezogene Honorierung" entschieden, sagte ein Sprecher der AOK Plus gegenüber der AZ. "Wir wollen die pharmazeutische Dienstleistung honorieren." Monika Koch, Vorsitzende des Sächsischen Apothekerverbandes, freut sich über die pauschale Anerkennung der apothekerlichen Bemühungen – auch wenn sie deutlich geringer ausfällt als in Bayern. In Sachsen ist die AOK allerdings auch besonders stark vertreten; 56 Prozent der Menschen sind hier AOK-versichert. Die Apotheken haben daher einiges zu leisten, was die Umstellung des Warenlagers und die Patienteninformation betrifft. Auch auf die vom AOK-Bundesverband angekündigten Flyer in mehreren Sprachen warte man noch, so Koch. Daher hat man bereits eigene Flyer erstellt.

Besondere Honorierungen für die Apotheken sind auch mit anderen Landes-AOKen vereinbart worden oder zumindest im Gespräch – etwa in Nordrhein und Sachsen-Anhalt. Ein Sprecher der AOK Brandenburg bestätigte gegenüber der AZ, dass man sich mit dem Landesapothekerverband auf eine Vergütung der Mehrarbeit geeinigt habe. Genauere Details wollte er jedoch nicht preisgeben. Aus Sicht des Sprechers ist eine derartige Vereinbarung aber schon geradezu eine Selbstverständlichkeit. Nach den Erfahrungen der ersten Rabattverträge habe man einiges dazugelernt: "Es geht nur miteinander und nicht gegeneinander." Weniger glücklich über die neuen Sondervergütungen ist man bei der pharmazeutischen Industrie. So hatte Pro Generika bereits letzte Woche den bayerischen Compliance-Bonus kritisiert. Da der Verband in der Vereinbarung auch einen Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz sieht, hat er bereits Abmahnvereine auf den Fall angesetzt. Sie müssen nun entscheiden, ob sie tätig werden wollen.

Änderungen bei Zuzahlung

Die Patienten ihrerseits müssen sich nicht nur mit der Umstellung auf neue Präparate abfinden, sondern möglicherweise auch auf neue Zuzahlungen. Der Deutsche Apothekerverband wies darauf hin, dass die neuer Rabattverträge die Höhe der gesetzlichen Zuzahlungen erheblich beeinflussen können. So könne es sein, dass die Apotheke bisher ein zuzahlungsbefreites Medikament für den Patienten auswählen durfte, aber jetzt ein Rabattarzneimittel mit Zuzahlungspflicht abgeben muss. Theoretisch können die Kassen Rabattarzneimittel zu 50 Prozent oder komplett von der gesetzlichen Zuzahlung befreit werden – dies ist bei den AOKen aber Sache der jeweiligen Landes-AOK. Laut AOK-Chefverhandler Christopher Hermann verzichtet allerdings keine Ortskrankenkasse auf die Zuzahlung.

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