"Kein unbedingter Kontrahierungszwang"

BAH hinterfragt Unklarheiten zum neu geregelten Belieferungsanspruch des Großhandels

Berlin (ks). Mit dem im Zuge der 15. Novelle des Arzneimittelgesetzes (AMG) eingeführten Belieferungsanspruch des pharmazeutischen Großhandels geht kein unbedingter Kontrahierungszwang einher. Das geht aus einem Schreiben des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) an den Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) hervor.

Nach dem neuen § 52b Abs. 2 Satz 1 AMG müssen pharmazeutische Unternehmer "im Rahmen ihrer Verantwortlichkeit eine bedarfsgerechte und kontinuierliche Belieferung vollversorgender Arzneimittelgroßhandlungen gewährleisten". Der BAH sieht einen Widerspruch zwischen dem Wortlaut dieser Norm und ihrer Amtlichen Begründung, derzufolge die Vorschrift keinen Kontrahierungszwang begründet und pharmazeutische Unternehmer grundsätzlich frei sind, in welcher Form und welchen vollversorgenden Großhandlungen gegenüber sie ihrer Pflicht zur Belieferung nachkommen. Daher wandte sich der Verband zur Klärung dieser Frage an das BMG.

Das Ministerium bestätigt in seinem Schreiben vom 1. September, dass ein unbedingter Kontrahierungszwang nicht bestehe. Sollten auf der Nachfrageseite mehrere vollversorgende Großhandlungen um die Belieferung eines bestimmten Arzneimittels konkurrieren, sei der pharmazeutische Unternehmer nicht verpflichtet, an jede Großhandlung in gleicher Menge und zu gleichen Konditionen liefern zu müssen. Allerdings müsse der Unternehmer bei der Vertragsausgestaltung das Diskriminierungsverbot (§ 52 Abs. 4 AMG i.V.m. § 20 GWB) und die grundsätzliche Zielsetzung des § 52b beachten. Daraus resultiere ein gegenseitiges Rücksichtnahmegebot. Sollte eine der Handelsstufen die Erfüllung ihrer Aufgaben bewusst unmöglich machen oder unangemessen erschweren, sei das nicht mit § 52b Abs. 2 bzw. Abs. 4 AMG vereinbar.

Dies dürfte laut BMG insbesondere für Exklusivverträge gelten, die nur mit einem Teil der vollversorgenden Arzneimittelgroßhändler abgeschlossen werden, mithin von vornherein andere von einer Belieferung ausschließen. Vollversorgende Großhändler dürften weder direkt noch indirekt und ohne sachlichen Grund von einer Belieferung ausgeschlossen werden, so das Ministerium. Mengenkürzungen dürften nur aus objektiv vorliegenden Gründen vertretbar sein, etwa wenn die Produktionsleistung nichts anderes zulässt. Im Übrigen gebe das Gesetz keine starren mengenmäßigen Grenzen vor, ab wann ein Belieferungsanspruch nicht mehr besteht oder an wie viele Großhändler zu welchen Teilen geliefert werden müsse. Da hier wegen der unterschiedlichen Marktsituationen bei den einzelnen Arzneimitteln große Unterschiede bestünden, räume das Gesetz den Beteiligten bewusst einen gewissen Handlungsspielraum ein.

Der BAH sieht die beklagten Widersprüche durch die Antwort des BMG nicht aufgeklärt. Auch die Ausführungen hinsichtlich der mengenmäßigen Belieferung hält der Verband nicht für ausreichend. Er verwies darauf, dass das Schreiben zwar eine Auslegung durch das BMG sei, eine rechtsverbindliche Klärung der Streitfragen könnten aber nur die Zivilgerichte, gegebenenfalls auch der Europäische Gerichtshof, in Rechtsstreitigkeiten herbeiführen.

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