Management

Motivationsbremse "Chef"

Wenn der Apotheker in der Vorurteilsfalle feststeckt

Wenn Mitarbeiter nicht die Leistungen erbringen, die aufgrund ihrer Qualifikationen zu erwarten wären, suchen Chefs überall nach Gründen und Fehlern – nur nicht bei sich selbst. Doch oft genug ist es der Apotheker, der den Mitarbeiter in die Demotivationsfalle treibt.

Allerdings geschieht dies in den seltensten Fällen bewusst: Meistens lässt sich der Apotheker zu unzutreffenden Beurteilungen durch die Vorurteilsfalle hinreißen – ein Beispiel: Ein Apotheker beurteilt zwei Mitarbeiter, die sich nahezu identisch verhalten, höchst unterschiedlich:

  • Beide melden sich freiwillig, um schwierige Aufgaben zu übernehmen. Während der Apotheker dies dem einen Mitarbeiter als Zeichen seines verantwortungsbewussten Engagements auslegt, glaubt er bei dem Kollegen, er wolle sich doch nur in den Vordergrund spielen und beim Apotheker einschmeicheln.

  • Beide Mitarbeiter fragen nach, wenn sie eine Anweisung nicht richtig verstanden haben: "Er will unbedingt etwas Neues lernen und an sich arbeiten" – so die Ansicht des Apothekers bei dem einen Mitarbeiter. "Er ist unsicher und scheut die Übernahme von Verantwortung" – das ist die Reaktion bei dem anderen.

Konsequenzen der Vorurteilsfalle

Warum der Chef derart reagiert, ist zunächst einmal zweitrangig. Es scheint, als ob er den einen Angestellten als guten und leistungsfähigen, den zweiten hingegen als "schwachen" Mitarbeiter oder als "Minderleister" einstuft. Dieses einmal gefasste Urteil bestimmt nun die Wahrnehmung jeder Handlung der Kollegen. So entsteht ein unheilvoller Kreislauf: Beide Angestellte können machen, was sie wollen: Ihre Handlungen dienen dem Apotheker lediglich als Bestätigung seiner Meinung.

Im schlimmsten Fall legt der vorgeblich schwache Mitarbeiter Reaktionsweisen an den Tag, die den Chef immer wieder nur bestätigen: Der Mitarbeiter verliert durch das ständige negative Feedback an Selbstbewusstsein und sieht keinen Grund mehr, sich anzustrengen. Der Apotheker kontrolliert ihn immer mehr, ertappt ihn natürlich bei Fehlern – er sucht ja geradezu nach ihnen und findet nur das, was er sucht – und übersieht Erfolge.

Hinzu kommt: Der Apotheker "ermuntert" den Mitarbeiter unbewusst, leistungsminderndes Verhalten zu wiederholen, indem er ihm nur noch Routineaufgaben überträgt oder ihm genaue Ziele vorgibt und den Entscheidungsspielraum beschneidet. Der Mitarbeiter leistet "Dienst nach Vorschrift" und entwickelt immer weniger Initiative. Der Kreislauf von niedriger Erwartung und Demotivation sowie nachlassender Leistung führt zur inneren oder tatsächlichen Kündigung.

Stärken des "Minderleisters" bewusst machen

"Gefangen im Vorurteil" – so weit die Problembeschreibung der Motivationsbremse "Chef". Doch wie kann der Apotheker die Bremse lösen? Hat er erst einmal eingesehen, dass der Grund für die Leistungsschwäche eines Mitarbeiters auch mit seiner – des Chefs – Etikettierung "Minderleister" zu tun haben könnte, ist der erste Schritt zur Überprüfung der fragwürdigen Kategorisierung getan. Der Apotheker sollte sich fragen, inwiefern er dazu beiträgt, wenn ein Mitarbeiter nicht die Leistungen erbringt, zu denen er eigentlich in der Lage sein müsste.

"Warum habe ich diesen Mitarbeiter eingestellt, was hat mich damals zu dieser Entscheidung bewogen?" Natürlich ist es schwierig, sich diese Frage im hektischen Apothekenalltag zu stellen. Sie kann jedoch der nächste Schritt sein, der aus der Vorurteilsfalle herausführt, lenkt sie doch die Aufmerksamkeit weg von den Schwächen und hin zu den Stärken, die den Apotheker ja "irgendwann einmal" bewogen haben müssen, den Mitarbeiter einzustellen. Jetzt ist es an der Zeit, sich daran zu erinnern.

Schriftlicher Reflexionsprozess

Es hat sich bewährt, diesen Reflexionsprozess schriftlich vorzunehmen. Dazu fertigt der Apotheker eine Liste an, in der er die Stärken und Schwächen des Mitarbeiters notiert – und die Gründe, die ihn veranlasst haben, eine Handlung oder Aktivität als Schwäche zu bezeichnen. Dies rückt zum einen die Stärken des angeblichen "Minderleisters" in den Vordergrund – und zum anderen reflektiert der Apotheker so die Schwächen, die ihn veranlasst haben, das Urteil "Minderleister" zu fällen.

Zuweilen stellen sich diese Aktivitäten im ruhigen Rückblick in einem anderen Licht dar. Der Apotheker bemerkt, dass er eine Leistung aufgrund von Äußerlichkeiten und Verhaltensweisen des Mitarbeiters, die nicht in sein eigenes Weltbild passen, niedrig eingeordnet hat. Er sollte prüfen: "Gibt es etwas an dem Mitarbeiter – eine Äußerlichkeit, ein bestimmtes Verhalten –, das bei mir negative Gefühle auslöst, so dass ich in meiner Wahrnehmung und Beurteilungsfähigkeit eingeschränkt war und bin?"

Nach und nach ersetzt der Apotheker seine subjektive Einschätzung durch objektive Beurteilungsmaßstäbe. Weiterer Vorschlag: Er nimmt die Mitarbeiterbeurteilung nicht allein vor, sondern sucht Rat und Unterstützung, etwa bei einem Kollegen.

Gespräch führen

Selbstverständlich kann sich herausstellen, dass der Angestellte tatsächlich keine guten Arbeitsergebnisse erzielt. Zuweilen aber erkennt der Chef so, dass diese Minderleistungen Gründe haben, die er – der Apotheker – abstellen kann. Und manchmal konstatiert er: "Ich selbst bin der Hauptgrund oder der Auslöser für die schlechten Leistungen!"

Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, in das persönliche Gespräch mit dem "Minderleister" einzusteigen. Solange der Apotheker nicht analysiert hat, ob er in der Vorurteilsfalle steckt, ist dies sinnlos. Ansonsten besteht nur die Gefahr, dass sich Mitarbeiter und Chef aufgrund ihrer verzerrten Wahrnehmung jeweils negative Motive unterstellen. Eine konfliktreiche Auseinandersetzung ist dann vorprogrammiert, durch die sich jeder nur wieder in seinen Vorurteilen bestätigt sieht. Denn auch der Mitarbeiter ist mittlerweile Gefangener eines verinnerlichten Erklärungsmusters: "Der Chef hat etwas gegen mich und legt mir ja doch alles zum Nachteil aus."

Der Apotheker hat die Möglichkeit, den Teufelskreis zu durchbrechen, indem er im Mitarbeitergespräch den konstruktiven Dialog mit der Frage eröffnet: "Trägt mein Verhalten dazu bei, dass Sie und ich mit Ihren Leistungen nicht zufrieden sind?" Dies setzt voraus, dass er über den eigenen Schatten springen und gegenüber dem Mitarbeiter offen zugeben kann, dass er eine Mitverantwortung für dessen Minderleistungen trägt.

Die ehrliche Aussprache macht den Weg frei, um über das Verhältnis Apotheker-Mitarbeiter hinaus nach Gründen für jene Minderleistungen zu suchen. Denn vielleicht kann der Mitarbeiter tatsächlich etwas an seinem Verhalten und seinen Handlungen verbessern. Dies kann jetzt endlich objektiv diskutiert werden – um produktive Lösungen zu finden.


Dr. Michael Madel, freier Autor und Kommunikationsberater

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