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DPhG-Jahrestagung
Biologicals – problematisch, aber lukrativ
Weltweit sind derzeit rund 150 Protein-Arzneimittel zugelassen. Viele sind global als Blockbuster gelistet, mit Jahresumsätzen von mehr als 1 Mrd. US-Dollar. An der Spitze der Top-Biologicals 2008 steht die Gruppe der Anti-TNF-α-Antikörper (u. a. Enbrel, Remicade, Humira, Cimzia) zur Therapie von soliden Tumoren, dicht gefolgt von den Anti-Krebs-Antikörpern (u. a. Rituxan/MabThera, Herceptin, Erbitux) und – mit einigem Abstand – von den Insulinen und Insulin-Analoga (u. a. Humalog, Novorapid) sowie den Erythropoetinen (u. a. Aranesp, Neo-Recormon, Dynepo). Dabei machen 13 Präparate weltweit 81 Mrd. US-Dollar Umsatz.
Deutschland steht auf dem Gebiet der Innovationen international gut da. Im Jahr 2008 wurden von insgesamt 31 weltweit eingeführten neuen Wirkstoffen sechs in Deutschland erfunden, und der Anteil an den Patentanmeldungen für gentechnische Wirkstoffe lag bei 9%. Nach rasanten Zuwächsen entfielen 2008 mit einem Gesamtumsatz von 4,4 Mrd. Euro 16% des deutschen Pharmamarktes auf gentechnisch veränderte Arzneimittel.
Suche nach neuen Targets
Der Motor für die Entwicklung therapeutischer Proteine ist die Identifikation und Charakterisierung infrage kommender Wirkstoffziele. Angesichts der Anzahl von ca. 25.000 Genen mutet die Schätzung von
- 60 bis 375 Targets nur für niedermolekulare Wirkstoffe,
- 150 bis 225 Targets nur für Biopharmazeutika und
- 450 bis 675 gemeinsame Targets für beide Stoffklassen
recht überschaubar an. Die speziellen Nachteile der Produktgruppe, d. h. die Größe und Komplexität der Moleküle und deren häufig schlecht definierte molekulare Struktur, die mögliche Immunogenität, geringe Gewebe-und Membran-Permeabilität, geringe metabolische Stabilität und die häufig hochspezifischen Targets sorgen für eine weitere Auslese möglicher Arzneistoffkandidaten.
Hohe Investitionskosten
Hinzu kommen die für New Biological Entities (NBEs) im Vergleich zu chemisch definierten Wirkstoffen deutlich höheren Investitionskosten. Zwar zeigen sich die Zulassungsbehörden aufgeschlossen, besonders wenn es um Substanzen geht, die bestehende therapeutische Lücken füllen könnten, aber um die breite Palette an präklinischen und klinischen Untersuchungen sowie zur industriellen Herstellbarkeit und Chargenkonstanz kommen auch solche Wirkstoffe nicht herum. Gerade die speziellen Probleme hinsichtlich der Herstellung führen im Übrigen dazu, dass in die Entwicklung der Produktionsanlagen einschließlich Prozess-Transfer und Scale-up zu einem erheblich früheren Zeitpunkt eingestiegen werden muss als bei chemisch definierten Arzneimitteln. Im Prinzip gilt es laut Neumann, immer fünf Jahre im Voraus zu denken.
Wie lange dauert es bis zur Marktreife?
Die Zeitdauer von der Entdeckung des Wirkstoffs bis hin zur Marktzulassung wird hierdurch dennoch nicht zwangsläufig determiniert. Dies zeigt ein Vergleich der Entwicklungszeiten für Fertigarzneimittel aus verschiedenen Wirkstoffgruppen:
- Naturstoff Paclitaxel (Taxol®): 28 Jahre,
- Protonenpumpenhemmer Omeprazol (Losec®): 22 Jahre,
- kardialer Natriumkanalblocker Flecainid (Tambocor®): 19 Jahre,
- Tyrosinkinaseinhibitor Imatinib (Glivec®): 17 Jahre,
- humanisierter monoklonaler Antikörper Trastuzumab (Herceptin®): 11 Jahre.
Hier schneidet der monoklonale Antikörper Trastuzumab sogar am besten ab.
Und die Risiken?
Neue Targets schaffen nicht nur neue Optionen, sondern auch immer wieder neue Risiken. So ist die klinische Versagerrate bei NBEs um 50% höher. Gerade in der Phase IV, das heißt bereits nach erfolgter Zulassung, kommt es nicht selten zu völlig überraschenden unerwünschten Ereignissen, die dazu führen können, dass das Arzneimittel wieder vom Markt genommen werden muss, womit alle Anstrengungen und Investitionen mit einem Schlag zunichte gemacht werden. Als gravierende Nebenwirkungen von Biopharmazeutika nannte Neumann schwere bakterielle und Pilzinfektionen nach der Gabe von TNF-α-Antagonisten oder einzelne Todesfälle durch progressive multifokale Leukoenzephalopathie (PML) nach Gabe eines anti-CD11a-Antikörpers (Efalizumab, Raptiva®), der bereits nicht mehr auf dem Markt ist.
Forschungstrieb ungebrochen
Harter globaler Wettbewerb, hohe Enwicklungs- und Herstellungskosten, kaum abzuschätzende biologische Risiken, Erstattungsdruck durch die beschränkten der Etats der Krankenkassen, die mit den kostspieligen Präparaten z. T. sehr restriktiv umgehen, Preiswettbewerb durch Biosimilars (Follow-up Biologicals) nach Ablauf der Patentzeiten, so charakterisierte Neumann das nicht gerade einfache Umfeld der Hersteller von Protein-Pharmazeutika.
Trotz dieser Widrigkeiten befinden sich laut Marktberichten weitere 450 Proteine als mögliche Arzneistoffkandidaten in verschiedenen Stufen der präklinischen und klinischen Entwicklung. Für die Zukunft erwartet Neumann, dass sich die Therapie mit Biopharmazeutika stärker an der Stratifizierung nach Krankheitstyp und -stadium ausrichten wird. Dies wird die Forschung noch weiter komplizieren, denn der Ansatz erfordert zusätzlich die Entwicklung spezieller Biomarker und den Zugang zu erweiterten Patientendaten.
hb
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