DPhG-Jahrestagung

DNA-Reparatur in somatischen Zellen

Die Gentherapie ist eine noch junge Disziplin mit breiten Anwendungsmöglichkeiten. Wie Prof. Dr. Christopher Baum, Medizinische Hochschule Hannover, erläuterte, steht derzeit vor allem die Analyse der Mechanismen, die für Nebenwirkungen verantwortlich sind, im Fokus der Forschung.
Christopher Baum
Foto: DAZ/cb

Das Kernprinzip der Gentherapie besteht darin, genetische Informationen in somatische Zellen einzubringen, um auf diesem Wege Krankheiten zu diagnostizieren, zu behandeln oder zu heilen. Nach Baums Aussage stellt sie jedoch keine Konkurrenz zur Pharmakotherapie dar, im Gegenteil: Beide können miteinander vernetzt werden. Beispielsweise könnte die Aktivität von Genen, die in Körperzellen eingeschleust wurden, über die Gabe von Pharmaka gesteuert werden.

Das Problem der Gentherapie ist vor allem ein quantitatives, erläuterte Baum: Denn wenn man ein Gen in eine Zelle eingeschleust hat, muss man sicherstellen, dass es inmitten eines Genoms von mehr als 20.000 Genen auch tatsächlich abgelesen und exprimiert wird. Daher sind adulte Stammzellen mit ihrem hohen regenerativen Potenzial besonders gut für die Gentherapie geeignet.

Erfolge bei seltenen Erkrankungen

In den bisher durchgeführten Gentherapie-Studien zeigte sich eine besonders hohe Effizienz bei Hauterkrankungen, Abstoßungsreaktion nach Transplantation (Graft-versus-host-disease), Hämophilie, Morbus Parkinson sowie bei einer seltenen erblichen From der Blindheit. Die meisten Studien finden jedoch derzeit bei häufiger vorkommenden Erkrankungen – vor allem Krebserkrankungen – statt.

Was kann schiefgehen?

Bei der Gentherapie unterscheidet man grundsätzlich zwei Herangehensweisen: die Ex-vivo-Modifikation der Zellen oder die direkte Applikation in die Zellen mithilfe von Vektoren wie z. B. Adeno-, Herpes-simplex- oder Retroviren. Einen Grund für Probleme, die bei der Etablierung der Gentherapie auftreten können, sieht Baum darin, dass bei letztgenannter Strategie nicht selten veraltete Technologien eingesetzt wurden und werden. Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Gründe, weshalb eine Gentherapie unwirksam sein oder zu schweren Nebenwirkungen führen kann. Dazu zählen beispielsweise:

  • Die eingesetzten Genvehikel lösen genotoxischen Stress aus,
  • bei der Insertion des Gens kommt es zur Aktivierung von benachbarten Protoonkogenen,
  • es tritt ein Aktivitätsverlust auf ("transgenic silencing"),
  • Protein oder Vehikel lösen eine Immunotoxizität aus.

Wie Baum erläuterte, wird gegenwärtig viel dafür getan, die Mechanismen zu verstehen, die zum Versagen der Gentherapie führen können. Um die Erfolgsrate dieser Therapieform zu erhöhen, wird außerdem an der Etablierung einer "Gentransfer-Toxikologie" gearbeitet. Vor allem muss sichergestellt werden, dass während einer Gentherapie keine Transmission in die Keimbahn stattfindet.

Genreparatur mittels Zinkfinger-Technologie

Als wichtige und extrem spannende Innovation auf dem Gebiet der Gentechnik nannte Baum die Zinkfinger-Technologien, die auch in seiner Arbeitsgruppe entwickelt werden. Herzstück sind gentechnisch hergestellte Nucleasen ("DNA-Scheren"), die in der Lage sind, bestimmte Sequenzen der DNA zu erkennen, Doppelstrangbrüche zu induzieren und somit defekte Genabschnitte herauszuschneiden. Den Zellen werden anschließend gentechnisch hergestellte, korrekte DNA-Stränge angeboten, die von den Reparaturenzymen eingebaut werden können.

Reprogrammierung somatischer Zellen

Als ein weiteres spannendes Feld bezeichnete Baum die Reprogrammierung somatischer Zellen zu Stammzellen. Einer japanischen Arbeitsgruppe um Yamanaka war es bereits 2006 gelungen, mittels transgener Expression von vier Genregulationsfaktoren differenzierte Zellen erwachsener Menschen in undifferenzierte pluripotente Stammzellen zu überführen. Baum und seine Mitarbeiter forschen gegenwärtig daran, diese Methode durch die Herstellung spezifischer viraler Vektoren technologisch weiterzuentwickeln.

Yamanakas Team hatte vier Genregulationsfaktoren gemeinsam mit dem Gen eines fluoreszierenden Pluripotenzmarker-Proteins unter der Kontrolle eines einzigen Promotors in Fibroblasten eingeschleust. Mithilfe der Fluoreszenz konnten die Forscher den Zeitpunkt erkennen, an dem die Übertragung der Gene gelungen war. In diesem Experiment war bereits nach sechs Tagen die Reprogrammierung von Fibroblasten in pluripotente Stammzellen geglückt.

Baum und seine Mitarbeiter wollen diese Methode anwenden, um aus somatischen Körperzellen hämatopoetische Stammzellen herzustellen. Damit könnte man Patienten mit angeborenen Blutbildungsstörungen oder Patienten, deren Knochenmarkzellen durch eine Tumortherapie zerstört wurden, sehr nachhaltig helfen, so Baum.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.