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Wo lagen die Fehler?

Peter Ditzel

Der Zug ist abgefahren. Zurück bleibt ein Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG), das viele Apotheken in starke finanzielle Bedrängnis bringen wird. Einige Apotheken werden um einschneidende Maßnahmen nicht herumkommen. Laut ABDA-Präsident Wolf vernichtet die Regierung mit diesem Gesetz die Existenz vieler Apotheken. Tausenden Apotheken wird die Luft zum Atmen genommen, die flächendeckende Arzneimittelversorgung in Deutschland ist bedroht, so Wolf.

Wie konnte es so weit kommen? Haben wir uns, hat sich unsere Berufsvertretung zu wenig Gehör in der Politik verschafft? Wurden die Apotheken überhaupt gehört geschweige denn ernst genommen? Konnten wir den Volksvertretern unsere wirtschaftliche Lage nahe bringen? Wo waren eigentlich alle die Politikerinnen und Politiker, die in ihren Grußworten auf Apothekertagen ach so viel Verständnis für die Apotheken zeigen, auf die Arbeit der Apotheken nicht verzichten möchten, unser Apothekensystem als einzigartig loben und die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln nicht missen möchten?

Was bleibt, wenn man auf die letzten Wochen der politischen Diskussionen schaut? Für mich vor allem drei Fragen:

Frage 1: Wie ernst nimmt uns die Politik wirklich? Sonntagsreden sind das eine, der politische und persönliche Einsatz für die Apotheke das andere. Es mutet schon seltsam an, wenn einerseits das hohe Lied auf die Apotheken gesungen wird, andererseits sich das Gefühl breit macht, dass sich doch keiner so richtig für die Apotheken eingesetzt hat. Für Bundesgesundheitsminister Rösler stand schon Mitte Juli fest: "Die Apotheker müssen einen Sparbeitrag von 175 Millionen Euro leisten", sagte er im DAZ-TV-Interview – am Ende wurden es sogar 200 Millionen plus die noch nicht näher bezifferbaren Belastungen, die uns der Großhandel durch eine Kürzung der Rabatte aufdrücken wird. Irgendwie scheint sich bei den Politikern der Gedanke festgesetzt zu haben, die Apotheken könnten diese Belastungen verkraften. Haben wir in den letzten Jahren vielleicht in ähnlichen Situationen überzogen, so dass uns die Politik jetzt nicht mehr glaubt? Ich erinnere an das Jahr 2006, als die Apotheker mit Großdemos in mehreren Städten gegen das "Apothekenvernichtungsgesetz" (das AVWG – Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz) auf die Straße gingen – das Apothekensterben blieb aus, die Zahl der Apotheken stieg danach sogar noch geringfügig an.

Diametral auseinander gingen die wörtlichen Beteuerungen der Gesundheitspolitiker in ihren Sonntagsreden, sich für eine Abschaffung des Pick-up-Verbots einsetzen zu wollen. Herausgekommen ist – mit Verlaub – ein Rohrkrepierer. Keiner derer, die sich wortreich für das Verbot stark gemacht haben, hatte sichtlich wirklich den Mut, für dieses Verbot zu streiten. Zwar hatte der Gesundheitsausschuss des Bundesrates noch Mitte September darüber diskutiert, dem Versandhandel mit Arzneimitteln durch ein Verbot von Pick-up-Stellen enge Grenzen zu setzen. Doch letztlich überwog bei allen Politikern wohl die Sorge, ein solches Verbot nicht gerichtsfest hinzubekommen. Und wer will sich schon die Finger verbrennen.

Zweite Frage: Hat unsere Berufsvertretung alles getan, um die massiven Auswirkungen des AMNOG zu verhindern? Was wir wissen ist: Die ABDA hat gekämpft. Natürlich kann man fragen, ob es ausreichte. Aber: Welche Chance hat man, wenn die Politik für unsere Argumente absolut nicht zugänglich ist? Wer hätte da mit Wolf und Becker tauschen mögen? Andererseits darf schon die Frage gestellt werden, ob wir mit der ABDA-Raubbau-Aktion so gut beraten waren. Hätte es vielleicht doch radikalerer Maßnahmen bedurft, uns Gehör zu verschaffen? Man muss nicht gleich Bäume besetzen wie bei Stuttgart 21 oder sich an die Gleise ketten wie bei den Gorleben-Demos, aber ein paar medienwirksamere Zeichen als Raubbau-Postkärtchen und -Poster hätten es vielleicht schon sein dürfen.

Raubbau-Aktion – sie führt mich zur dritten Frage: Haben die Apotheker selbst alles getan, um ihre Position in der Gesellschaft, im Gesundheitswesen adäquat darzustellen? Negativschlagzeilen über schlechte Beratung, teure Preise stärkten das Image nicht. Diskussionen über Geschäftsgebaren mit Boni, Talern und Rabatten ließen nicht den Eindruck aufkommen, Apotheken nagen am Hungertuch und es könnte Raubbau mit ihnen getrieben werden. In Internet-Foren, z. B. bei DAZ.online, sind einige selbstkritische Stimmen zu lesen wie: "An dieser Situation sind die Apotheker im Grunde selbst schuld, schmeißen sie teilweise geradezu verschwenderisch mit Rabattmarken, Talern, Zeitschriften, Kalender um sich, um der Konkurrenzapotheke noch den letzten Kunden abzujagen …".

Wie denken Sie darüber? Auf eine Diskussion freue ich mich.


Peter Ditzel

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