Arzneimittel und Therapie

Erhöhtes Diabetesrisiko unter Statinen?

Eine aktuelle Metaanalyse zeigt einen Zusammenhang zwischen einer Statintherapie und dem vermehrten Auftreten von Diabetes. Da aber das diabetogene Risiko der Statine als gering eingestuft wird, erscheint derzeit keine Intervention bei mit Statinen behandelten Patienten erforderlich. Der Nutzen der Statine wird höher eingeschätzt als ihr vergleichsweise geringer Einfluss auf den Blutzuckerspiegel.

Durch eine Statintherapie kann das kardiovaskuläre Risiko gesenkt werden. Allerdings war bislang unklar, ob Statine das diabetogene Risiko beeinflussen. Da die dazu vorliegenden Studien zu widersprüchlichen Ergebnissen führten, wurde versucht, diese Frage mit Hilfe einer Metaanalyse zu beantworten. Zur Auswertung kamen 13 randomisierte, kontrollierte Studien aus den Jahren zwischen 1994 bis 2009 mit insgesamt 91.140 Teilnehmern, von denen 4278 innerhalb von vier Jahren einen Diabetes entwickelt hatten. Von diesen Patienten hatten 2226 ein Statin erhalten, die 2052 Probanden der Vergleichsgruppe ein Placebo. Daraus errechnet sich ein um 9% erhöhtes Diabetesrisiko (Odds Ratio 1,09; 95% Konfidenzintervall 1,02 bis 1,17). Da dieses Risiko in allen Studien ungefähr gleich ist – unabhängig davon, welches Statin eingesetzt wurde – scheint es sich um einen Klasseneffekt zu handeln. Das diabetogene Risiko ist vor allem bei älteren Patienten erhöht; der Body-Mass-Index und die erzielte Senkung des LDL-Cholesterins haben dagegen keinen Einfluss auf das Diabetesrisiko. Die ermittelte Number needed to harm (NNH) für die Statintherapie beträgt 225 (95% Konfidenzintervall 150 bis 852), das heißt, 255 Patienten müssen vier Jahre lang mit einem Statin behandelt werden, um eine zusätzliche Diabeteserkrankung zu verursachen.

Paradoxer Effekt der Statine

Noch ist unklar, wie Statine das Diabetesrisiko erhöhen; ein direkter molekularer Mechanismus konnte nicht gezeigt werden. Nicht auszuschließen ist, dass es sich um ein Zufallsergebnis handelt, obwohl dies die Autoren für unwahrscheinlich halten. Die Frage, warum kardioprotektive Wirkstoffe wie Statine das Diabetesrisiko erhöhen, bleibt vorerst unbeantwortet. Hier ist anzumerken, dass auch andere kardioprotektive Arzneimittel wie Thiazide (vor allem Hydrochlorothiazid und Chlortalidon), Beta-Blocker und Niacin diabetogen wirken können.

Nutzen der Statine überwiegt

Ein Kommentator wägt Nutzen und Risiken einer Statintherapie gegeneinander ab. Dem Risiko, unter einer Statinbehandlung einen Diabetes zu entwickeln, steht der in zahlreichen Studien bestätigte günstige Einfluss der Statine auf kardiovaskuläre Parameter gegenüber. In Zahlen ausgedrückt ergibt sich folgendes Bild: Werden 225 Patienten während vier Jahren mit einem Statin behandelt, so erkrankt einer an Diabetes. Im selben Behandlungszeitraum können durch eine Statintherapie 5,4 Todesfälle aufgrund eines Myokardinfarkts und annähernd so viele Schlaganfälle oder Eingriffe zur koronaren Revaskularisierung verhindert werden. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis für die Statingabe liegt somit bei etwa 9:1 und spricht eindeutig für die Statintherapie – allerdings unter Berücksichtigung möglicher unerwünschter Wirkungen. So sollten vor allem bei älteren Patienten unter einer Statinbehandlung neben Leberwerten und der Kreatininkinase auch die Blutzuckerwerte kontrolliert werden. Um das diabetogene Potential von Statinen besser einschätzen zu können, sollte dieses zukünftig in Studien mit Statinen als sekundärer Endpunkt zusätzlich bestimmt werden.

Quelle Sattar N., et al.: Statins and risk of incident diabetes: a collaborative meta-analysis of randomised statin trials. Lancet DOI:10.1016/S0140-6736(09) 61965-6. Cannon C.: Balancing the benefits of statins versus a new risk – diabetes. Lancet DOI: 10.1016/S0140-6736 (10)60234-6.

 


Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

Fazit


  • Statine können das Diabetesrisiko geringfügig erhöhen.
  • Die kardioprotektiven Wirkungen der Statine dominieren.
  • Eine Statintherapie sollte aufgrund möglicher diabetogener Effekte nicht abgesetzt werden.
  • Bei älteren Patienten sollten während einer Statintherapie in regelmäßigen Abständen Leber-, Glucose- und Kreatininkinasewerte bestimmt werden.

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