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Man kann nicht nicht kommunizieren

Peter Ditzel

Wir sind als Menschen in einem ständigen Kommunikationsaustausch mit unseren Mitmenschen, mit der Umwelt. Kommunizieren bedeutet miteinander sprechen, sich verständigen, aber auch ganz einfach in Verbindung stehen, sich mitteilen. An dieser weiteren Definition lässt sich schon ablesen, dass Kommunikation und Kommunizieren nicht unbedingt nur miteinander sprechen bedeutet. Man steht mit Mitmenschen, mit den Menschen um einen herum auch dann in Verbindung, wenn man nichts sagt. Allein schon durch die bloße Anwesenheit, die der andere irgendwie wahrnimmt, kommuniziert man: durch Körperhaltung, durch Mimik und Gestik und durch Blicke.

Dieser Tatsache sollten wir uns gerade als Apothekerinnen und Apotheker immer wieder bewusst werden, wenn wir in einer öffentlichen Apotheke arbeiten. Wer den Beruf als Apotheker wählt und den Weg in die Apotheke einschlägt, sollte auch wissen, dass seine Fähigkeiten zur aktiven Kommunikation gefragt sind. Täglich tritt er vielen Kunden gegenüber, mit denen er kommuniziert – beratend, erklärend, informierend.

Ein Vortrag auf dem Bayerischen Apothekertag zum Thema Kommunikation führte deutlich vor Augen, dass genau diese Kommunikationsfähigkeiten Schwachstelle von vielen von uns sind – übrigens auch von vielen Ärzten. Wir haben zwar ein großes Fachwissen, aber wenn es darum geht, wie man dieses Wissen im Informations- und Beratungsgespräch an den Kunden bringt, dann ist es bei vielen nicht unbedingt zum Besten bestellt. Freilich, es gibt auch Kommunikationstalente, die sich im Gespräch immer verständlich ausdrücken können, die den richtigen Ton, die richtige Ansprache treffen und dabei noch offen und freundlich sind – aber den meisten von uns, insbesondere den naturwissenschaftlich Begabten, ist dies nicht unbedingt in die Wiege gelegt.

Besonders schwierig wird es, wenn Kommunikation mit Kranken und Schwerkranken gefordert wird. Hier spielen nicht selten Emotionen mit, auch mal Tränen. Hier werden Fragen gestellt nach dem Sinn einer Chemotherapie oder "wie lange habe ich noch zu leben?" Hier sind frühestens erst im zweiten Schritt fachliche Antworten gefragt. An erster Stelle kommt es hier auf die richtige empathische, einfühlende Kommunikation an. Der Referent auf dem Bayerischen Apothekertag nannte es einen Skandal, dass die Heilberufler wie Arzt und Apotheker auf dem Gebiet der Kommunikation, der Gesprächsführung keine Ausbildung haben. Immerhin ist das Gespräch eine der häufigsten Handlungen, die ein Heilberufler am Patienten ausübt. Gespräche können maßgeblich den Heilungsverlauf und -erfolg mitbestimmen, allein schon dadurch, dass der Patient versteht, wie er sein Arzneimittel einnehmen muss und dementsprechend compliant ist oder nicht, und durch die im Gespräch gezeigte Zuwendung. Unsere Art der Kommunikation und Gespräche können darüber entscheiden, ob wir einen Kunden als Stammkunden gewinnen oder ob wir ihn verlieren.

Wichtig zu wissen: Kommunikation kann man lernen. Bisher galt Kommunikation als profan und war eines akademischen Fachs für Heilberufler nicht würdig. Vielleicht wird in ein paar Jahren die Erkenntnis gereift sein, dass die Fähigkeit zur guten Kommunikation mindestens genauso wichtig ist wie das Wissen. Kommunikation kann gelehrt, gelernt und trainiert werden.


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Dass man nicht nicht kommunizieren kann, zeigt das aktuelle Beispiel der ABDA-Einladung von Thilo Sarrazin als Festredner zur Eröffnung des Fortbildungskongresses der Bundesapothekerkammer in Meran. Unabhängig davon, welche Meinung man zu Sarrazin und seinen Thesen hat: Dadurch, dass man dem Ex-Banker eine Plattform bietet, kommuniziert unsere Berufsorganisation mit der Umwelt und sendet ein Signal aus. Ob dieses Signal bei vielen Empfängern so ankommt, wie es der Sender möglicherweise verstanden wissen will, ist fraglich. Ja, gerade bei einer Person wie Sarrazin, die mit zum Teil umstrittenen Ideologien provoziert, fragt man sich erst recht: Warum jetzt diese Einladung als Festredner bei einem pharmazeutischen Fortbildungskongress? Was will die ABDA der Berufsöffentlichkeit, aber auch der Öffentlichkeit mit dieser Einladung sagen? (Vielleicht: Die Apotheker sind von gestern?) Warum wärmt unsere Berufsvertretung solche Themen, die bereits in zahlreichen Polit-Talkrunden ausdiskutiert wurden, jetzt auf? Welche Affinität besteht zum Heilberuf Apotheker? Alles legitime Fragen, die sich auch außenstehende Beobachter stellen werden. Die offizielle Begründung, gerne auch polarisierende Persönlichkeiten nach Meran einzuladen, deren Ansichten man nicht unbedingt teilt, mag stimmen, aber: Das Thema Sarrazin ist in der medialen Öffentlichkeit nicht mehr aktuell. Und ob es auf einem pharmazeutischen Fortbildungskongress etwas zu suchen hat, darf bezweifelt werden. Sarrazin ist out. Die ABDA hat sich mit dieser Einladung keinen Gefallen getan.



DAZ 2011, Nr. 21, S. 3

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