Arzneimittel und Therapie

DNA-Chip für zielgerichtete Diagnostik

Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie (FH) sind durch frühzeitiges Auftreten von kardiovaskulären Erkrankungen gefährdet. Da die Krankheit oft gar nicht oder erst sehr spät diagnostiziert wird, kann die Arteriosklerose jahrzehntelang "stumm" fortschreiten. Mit dem DNA-Chip Lipochip® ist es möglich, die familiäre Hypercholesterinämie in nur einem Analyseschritt zu erkennen.
Foto: Trommsdorff
Microarray-basierter Test Ohne medikamentöse Therapie kann sich bei Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie bereits im 4. bis 5. Lebensjahrzehnt eine koronare Herzkrankheit manifestieren – frühzeitige Erkennung ist daher wichtig.

Die autosomal-dominant vererbbare familiäre Hypercholesterinämie zählt zu den am weitesten verbreiteten genetischen Störungen; etwa eine von 500 Personen ist betroffen. Verursacht wird sie durch Mutationen in den Genen des Apolipoprotein B-100 (APOB) und Proprotein convertase subtilisin/kexin type 9 (PCSK9), vor allem jedoch durch solche im LDL-Rezeptorgen (LDLR, low-density lipoprotein receptor). Diese führen zum funktionellen Ausfall der membranständigen LDL-Rezeptoren. Bei gleichzeitig erhöhter Cholesterin-Produktion in den Zellen kann das LDL nicht abgebaut werden. Infolge des stark erhöhten LDL-Spiegels ist das kardiovaskuläre Risiko von FH-Patienten um das Vier- bis Fünffache erhöht.


Familiäre Hypercholesterinämie im Überblick


Klinische Parameter und Zeichen:
  • Lipidablagerungen (z. B. Sehnenxanthome an den Achillessehnen und Extensorsehnen der Hände, Xanthelasmen)

  • frühzeitiger Arcus cornae

  • ab dem Kindesalter fortschreitende Arteriosklerose

  • frühzeitige kardiovaskuläre Erkrankung (bei Männern Manifestation in der 4. Lebensdekade; bis zum Alter von 60 Jahren haben ca. 60% der heterozygoten Männer einen Myokardinfarkt erlitten; Frauen sind durchschnittlich neun Jahre später betroffen


Laborparameter: stark erhöhte Blutfettwerte (Cholesterin, insbesondere LDL-Cholesterin, Triglyzeride)


Ursache: Gendefekte /-mutationen in den Genen

  • LDLR (am häufigsten)
  • APOB und PCSK9 (eher selten)

Gezielte Testung mit dem Lipochip®

Die Diagnose der familiären Hypercholesterinämie erfolgte bisher überwiegend anhand von klinischen Bewertungen und Laborparametern. Da sie jedoch in sehr unterschiedlicher Ausprägung auftritt und die Cholesterinwerte von Kindern kaum erhoben werden, gilt diese Art der Diagnose als relativ unzuverlässig. Die einzige Möglichkeit, die familiäre Hypercholesterinämie zuverlässig von anderen Hypercholesterinämien abzugrenzen, bietet eine genetische Bestimmung, z. B. mit dem von der Firma Progenika entwickelten DNA-Chip Lipochip. Er detektiert derzeit 222 Hotspot-Mutationen (215 auf dem LDLR-Gen, 3 auf dem APOB-Gen, 4 auf dem PCSK9-Gen) inklusive Duplikationen und Deletionen.


Verfügbarkeit


Der Lipochip® war 2004 der erste Microarray-basierte Test, der eine CE-Zertifizierung erhielt. Der Test zur Identifikation genetischer Mutationen, die zur familiären Hypercholesterinämie führen können, ist in Deutschland schon ungefähr drei Jahre auf dem Markt. Aber bis zum April dieses Jahres wurde die Testung in Spanien durchgeführt und erforderte eine Einsendung von Speichelproben nach Spanien. Erst durch die Kooperation mit einem deutschen Labor, das den Test seit April 2011 durchführt, kann man von einer Verfügbarkeit auf dem deutschen Markt sprechen.


Beim Verdacht auf familiäre Hypercholesterinämie kann in nur einem Analyseschritt aus einer Speichelprobe das persönliche Risiko ermittelt werden. Die Auswertung der mit der Patienten-DNA beladenen Chips erfolgt mittels Fluoreszenz-Scanner und Datenbank-gestützter Auswertungssoftware. Dieser Test ist auch deswegen vorteilhaft, weil das LDLR-Gen mit 18 Exonen sehr groß ist; bislang sind über 900 Mutationen mit sehr unterschiedlichen Häufigkeiten und ethnischen Verteilungen bekannt. Eine Komplettsequenzierung wäre zeitaufwendig und teuer. Sie wird nur durchgeführt, wenn beim Verdacht auf familiäre Hypercholesterinämie das Mutationsscreening mittels DNA-Chip negativ ausfällt. Ist die Erkrankung diagnostiziert, wird bereits in der symptomfreien Phase eine aggressive cholesterinsenkende Therapie empfohlen, um den leitliniengerechten LDL-Cholesterin-Wert von unter 100 mg/dl (2,5 mmol/l) zu erreichen und damit der Arteriosklerose-Progredienz entgegenzuwirken. Denn bis zum Alter von 60 Jahren haben ca. 60% der Männer mit heterozygoter familiärer Hypercholesterinämie einen Myokardinfarkt erlitten; Frauen sind durchschnittlich neun Jahre später betroffen.


CholCo e. V. – Ansprechpartner für Patienten


Die im Februar 2011 gegründete Patientenorganisation Cholesterin & Co e. V. (CholCo) ist ein gemeinnütziger Verein, der sich für Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie oder anderen schweren genetisch bedingten Fettstoffwechselstörungen einsetzt. Seine Hauptziele sind:

  • Öffentlichkeitsarbeit und Bekanntmachung der Krankheitsbilder
  • Schaffung von Kontakten zum Erfahrungsaustausch
  • Förderung einer optimalen medizinischen Versorgung der Betroffenen
  • Sicherstellung einer optimalen Prävention durch frühestmögliche Diagnostik
  • Interessenvertretung gegenüber Kostenträgern, medizinischen Leistungserbringern und Entscheidungsträgern

Kontakt:

CholCo e. V., Hoherodskopfstr. 30, 60435 Frankfurt am Main

Tel. (0 69)9 54 42 59 45, E-Mail: info@cholco.de

Vorstandsvorsitzende Michaela Wolf: michaela.wolf@cholco.de

www.cholco.de


Quelle

Prof. Dr. Elisabeth Steinhagen-Thiessen, Berlin; Prof. Dr. Joachim Arnemann, Köln; Prof. Dr. Eberhard Windler, Hamburg; Michaela Wolf, Frankfurt am Main: Pressegespräch "Familiäre Hypercholesterinämie: Weg von der Zufallsentdeckung – hin zur gezielten Diagnostik und Therapie", Berlin, 8. Juni 2011, veranstaltet von der Trommsdorff GmbH & Co. KG Arzneimittel, Alsdorf.


Apothekerin Dr. Claudia Bruhn



DAZ 2011, Nr. 28, S. 50

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