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Die Ärzte aus dem Internet

Peter Ditzel

Nach Online-Apotheken aus den Niederlanden, Tschechien, Island, Großbritannien und Schweden wird Deutschland nun auch mit Online-Ärzten beglückt – aus Großbritannien. Am 28. November eröffnete in London mit DrEd die erste Online-Arztpraxis, "in der deutsche Ärzte deutschsprachige Patienten beraten und behandeln", heißt es in der Pressemitteilung. Beraten und behandeln – während ich mir das Beraten via Internet noch vorstellen kann, stutze ich beim Wort "behandeln". Wie behandelt man Patienten übers Internet? Be-handeln – da steckt für mich immer noch das Wort "Hand" drin. Der Arzt gibt dem Patienten die Hand, er berührt ihn, er fasst ihn an, um weitere diagnostische Leistungen zu erbringen. Wie soll das übers Internet gehen? Laut ärztlicher Berufsordnung in Deutschland müssen sich Arzt und Patient für eine Diagnose gesehen haben.

Der Pressesprecher von DrEd ist Jens Apermann, bekannt aus Zeiten der ersten Versandapotheke, die in Deutschland Furore machte; 2000 war er Marketingleiter bei DocMorris. Er erklärte, wie eine ärztliche "Sprechstunde" bei DrEd abläuft, nämlich schriftlich. Der Patient loggt sich auf der Internetseite der Ärzte ein, vergleichbar mit dem Online-Banking. Für eine "Sprechstunde" muss er zunächst seine Daten eingeben, einen Fragebogen ausfüllen und seine Gesundheitsstörungen schildern. Die Ärzte erhalten eine Meldung, schauen sich den Fall an und prüfen, ob er telemedizinisch behandelbar ist. Wenn nicht, bitten sie den Patienten, zu einem niedergelassenen Arzt vor Ort zu gehen. Ist der Fall dagegen via Internet "behandelbar", erhält der Patient nach einigen Stunden (es kann auch schon mal ein Tag vergehen) seine Diagnose und einen Therapievorschlag, meist eine Medikation. Der Patient kann sich dann entscheiden, ob er den Vorschlag annimmt, und er muss bestätigen, dass seine Angaben ehrlich gemacht wurden und korrekt sind. Aber wer prüft, ob der Patient geschummelt hat, um beispielsweise ein Wunsch-Arzneimittel verordnet zu bekommen?

Da deutsche Krankenkassen solche telemedizinischen Leistungen nicht erstatten, muss der Patient wie ein Privatpatient Ärzte und Arzneimittel selbst bezahlen. Die Betreiber von DrEd erklären auf ihrer Internetseite zwar, dass "die Behandlungskosten grundsätzlich wie die anderer im europäischen Ausland besuchten Ärzte erstattet werden können". Aber sie trauen dieser Rechtslage selbst nicht, denn der Patient erhält zugleich den Rat, vorher bei seiner Krankenkasse nachzufragen. Die Sprechstunden kosten zwischen neun und 29 Euro, eine Praxisgebühr fällt nicht an. Abgerechnet wird über Kreditkarte.

Die Idee der Online-Sprechstunde geht auf "DrThom" zurück, eine Internetplattform, die 2005 in Großbritannien von Expert Health Ltd. gegründet wurde, einem Unternehmen, das heute zur Celesio-Gruppe gehört. Beliefert werden die Patienten dort exklusiv von der Apothekenkette Lloyds Pharmacy, die ebenfalls zu Celesio gehört.

Zwei Mitarbeiter, die früher bei DrThom arbeiteten, haben sich mit DrEd selbstständig gemacht, zwei deutsche Ärzte mit ins Boot genommen und die Idee auf eine deutschsprachige Sprechstunde übertragen.

Erfahrungen aus England zeigen – es sollen dort seit 2005 bereits 250.000 online behandelt worden sein – , dass sich in erster Linie Patienten, die Diskretion suchen, an solche Internet-Ärzte wenden. So bietet DrEd auch in Deutschland Sprechstunden in sechs medizinischen Schwerpunkten an, also beispielsweise für Männer mit sexuellen Erkrankungen und Problemen, für Frauen, die die Pille benötigen, sexuelle Erkrankungen oder Blasenerkrankungen haben. Auf der Schwerpunktliste der Online-Ärzte stehen aber auch andere Erkrankungen wie beispielsweise Bluthochdruck, erhöhte Blutfettwerte, Asthma, Reisemedizin sowie Allgemeinmedizin. Wie sich die Online-Ärzte von einem erhöhten Blutdruck überzeugen wollen, geht allerdings nicht aus der Seite hervor, den wird der Patient wohl selber messen müssen.

Denkbar, dass es auch in Deutschland Patienten gibt, die sich für eine Online-"Sprechstunde" erwärmen. Der unpersönliche Weg übers Internet lässt den einen oder die andere schon mal leichter ein gesundheitliches Tabuthema "ansprechen" und den Fragebogen entsprechend ausfüllen. Durch entsprechende Eingaben kann sich der Online-Patient so darstellen wie er möchte, um an seine begehrten Arzneimittel zu gelangen. Wer möchte, kann auf diesem Weg also die deutsche Verschreibungspflicht locker umgehen und ohne große Formalitäten, vom heimischen PC aus an sein Wunschpräparat, sei es das Präparat gegen die erektile Dysfunktion oder die Antibaby-Pille, gelangen. Und er kann sich, wenn er es möchte, das verordnete Präparat sogar gleich nach Hause liefern lassen – von der Hamburger Versandapotheke apo-rot, die für DrEd die Arzneimittelversorgung sicherstellt.

Rechtlich dürfte sich dies alles im legalen Bereich abspielen. Europa und unsere Bundesregierung machen es möglich. Dennoch rechnet "DrEd" mit Schwierigkeiten, insbesondere von deutscher ärztlicher Seite. Andererseits, ein wenig rechtliche Publicity kommt DrEd.com zur Steigerung der Bekanntheit gerade recht und hatte damals auch DocMorris nicht geschadet, im Gegenteil.


Peter Ditzel



DAZ 2011, Nr. 48, S. 3

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