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Arzneimittel und Therapie
Wirkung von Schmerzmitteln hängt von der Erwartung ab
Die Behandlung von Schmerzpatienten, besonders solchen mit chronischen Schmerzen, gestaltet sich häufig schwierig, da neben der somatischen Ursache auch psychische Faktoren für die Beschwerden mitverantwortlich sein können. Unterschiedliche Erwartungen und Erfahrungen beeinflussen darüber hinaus den Therapiererfolg. So kann eine insuffiziente Schmerztherapie dazu führen, dass Patienten das Vertrauen in die Medizin verlieren und dann auch mit starken Opioiden keine Schmerzlinderung mehr erreicht werden kann. Der Patient erwartet ein negatives Ereignis und dieses tritt dann tatsächlich auch ein, man spricht vom Nocebo-Effekt.
Ausgeprägter Placebo- und Nocebo-Effekt sogar bei starken Analgetika
Eine Placebo-Wirkung ist für Schmerzmittel in der Vergangenheit bereits nachgewiesen worden. Mittels Magnetresonanztomographie konnte gezeigt werden, dass ein Scheinanalgetikum eine Hemmung der Aktivität von im Rückenmark befindlichen Neuronen, die auf die Verarbeitung von Schmerzreizen spezialisiert sind (Nozizeptoren), bewirken kann. Es gilt als nachgewiesen, dass psychische Faktoren nicht nur die subjektive Schmerzempfindung verringern können, sondern auch messbare Effekte auf schmerzrelevante Neuronenaktivitäten schon auf der ersten Stufe der Schmerzverarbeitung im Zentralnervensystem bewirken können.
Nocebo-EffektDer Nocebo-Effekt (lat. nocebo = ich werde schaden) und der Placebo-Effekt (lat. placebo = ich werde gefallen) bezeichnen beide eine Reaktion auf eine Intervention ohne eine spezifische Wirkung. Im Gegensatz zur positiven Wirkung beim Placebo-Effekt erfolgt beim Nocebo-Effekt aber eine negative Reaktion. |
Negative Erwartung hebt Arzneimittelwirkung auf
Für die jetzt durchgeführten Untersuchungen wurden 22 gesunde Probanden im Alter zwischen 20 und 40 Jahren ausgewählt. Diese wurden für jeweils einige Sekunden einem Hitzereiz ausgesetzt, der einen mittleren bis starken Schmerz auslöste. Die Intensität betrug im Durchschnitt 66 auf einer Skala von 0 bis 100. Während der Experimente erhielten die Probanden eine Remifentanil-Infusion in drei Phasen. Zunächst wurde das Opioid in einer verdeckten Infusion appliziert, die Probanden erwarteten entsprechend keine Wirkung. Die Schmerzintensität sank dabei ohne Placebo-Unterstützung auf durchschnittliche Werte von 66 dieser Skala. Danach wurde den Probanden mitgeteilt, dass sie ein starkes Schmerzmittel erhalten. Die Schmerzintensität sank nunmehr auf durchschnittlich 39. Bei identischer Dosierung kam es somit fast zu einer Verdopplung des schmerzlindernden Effekts. In der dritten Phase erhielten die Probanden die Information, es gebe kein Schmerzmittel. Entsprechend hätten sie starke Schmerzen zu erwarten. Tatsächlich erhielten sie aber das Opioid in der gleichen Dosierung wie zuvor. Die Probanden bewerteten die Schmerzintensität mit durchschnittlich 64. Nocebo und Opioid waren gleich stark wirksam, die negative Erwartung und die Angst vor den Schmerzen hatten die Wirkung des Medikaments völlig aufgehoben.
Wirkung von Placebo und Nocebo sichtbar gemacht
Verarbeitete sensorische Signale werden vom präfrontalen Cortex empfangen, einem Teil des Frontallappens der Großhirnrinde (Cortex). Mittels funktioneller Magnetresonanztomographie konnten die Auswirkungen von Placebo und Nocebo nachverfolgt werden: Die positive Erwartung war mit einer vermehrten Aktivierung in cingulo-frontalen und subcorticalen Hirnarealen assoziiert, während eine negative Erwartung Regionen im Hippocampus und im medialen frontalen Cortex aktivierte. Die Experimente, die einen kurzen Schmerzreiz verursachten, wurden allerdings an gesunden Probanden durchgeführt. Ob aber entsprechende Studien an chronischen Schmerzpatienten zu vergleichbaren Ergebnissen führen, bleibt abzuwarten.
Quelle
Bingel, V.; et al.: Effect of Treatment Expectation on Drug Efficacy: Imaging the Analgesic Benefit of Opioid Remifentanil. Sci. Transl. Med. 2011; 3(70), 70ra14, vom 16. Februar 2011.
Eippert, F.; et al.: Direct evidence for spinal cord involvement in placebo analgesia. Science (2009) 326: 404.
Dr. Hans-Peter Hanssen
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