Unterstützungskultur in der Apotheke

Paten sorgfältig auswählen und auf ihr "Amt" vorbereiten

Der neue Mitarbeiter ist da. Ihm wird ein Pate oder Mentor zur Seite gestellt, der ihn einarbeiten soll. Die Auswahl des Paten verläuft meistens nach dem Prinzip Zufall: "Wer hätte denn gerade mal Zeit?" Das geht in den meisten Fällen nicht gut. Wichtig ist die sorgfältige Auswahl des Paten, der über bestimmte fachliche, aber auch pädagogische Kompetenzen verfügen sollte, damit er sein "Amt" im Sinne des Neuen und der Apotheke ausüben kann.

Patenschafts-Situationen in der Apotheke

Es ist ja nicht nur der neue Apothekenmitarbeiter, der Unterstützung während der Probezeit und in der Einarbeitungszeit benötigt. Es gibt überdies zahlreiche weitere Situationen, in denen es zielführend erscheint, einen Mitarbeiter "abzustellen", damit sich dieser intensiv um einen Kollegen kümmern kann.

Da wäre zum Beispiel der Kollege, der erhebliche Probleme in seinem Arbeitsbereich hat oder mit einer bestimmten Kundenklientel nicht zurechtkommt. Er gehört eher zu den "Low Performern", mithin zu den Mitarbeitern, die im alltäglichen operativen Geschäft ein wenig Hilfestellung durch einen Paten benötigen, um gute Leistungen zu erzielen.

Oder nehmen wir den Fall einer Weiterbildungsmaßnahme, die jedoch nur von einem Mitarbeiter besucht worden ist und auch nur von einem Kollegen besucht werden sollte. Der Grund: Auf der Schulung hat der Mitarbeiter neue Methoden kennengelernt, im Frei- und Sichtwahlbereich Zusatzverkäufe anzustoßen. Dieses Wissen soll er im Rahmen einer zeitlich befristeten Mentorenschaft an das Team weiterreichen.

Und dann haben wir noch das Beispiel des älteren Mitarbeiters, der weniger sein pharmazeutisches Know-how, sondern seinen Erfahrungsschatz beim Aufbau stabiler Kundenbeziehungen an den jüngeren Kollegen weitergeben soll.

Potenzielle Problemfelder

Die Beispiele deuten darauf hin, welche potenziellen Problemfelder auftreten können:

  • Die Übernahme einer Patenschaft bei einem neuen Mitarbeiter zählt erfahrungsgemäß zu den eher unbeliebten Aufgaben, die als lästig empfunden werden. Der Pate fühlt sich aus seiner Arbeit herausgerissen, er muss liegen gebliebene Arbeit nachholen und fühlt sich durch die Patenschaft bei der Erledigung seiner Arbeit gestört.

  • Zuweilen kriselt es auf der zwischenmenschlichen Ebene: Zwischen dem Paten und dem Neuen stimmt die Chemie nicht; der Mitarbeiter mit jener Zusatzqualifikation, der sein Wissen ans Team weiterreichen soll, reagiert überheblich und hochnäsig. Und der Low Performer fühlt sich von seinem Mentor wie von einem Oberlehrer bevormundet, der ältere Mitarbeiter wiederum wird vom jüngeren Schützling als arrogant bezeichnet.


Dass diese Schwierigkeiten im Rahmen einer Patenschaft nichts Ungewöhnliches sind und überall in der freien Wirtschaft vorkommen, zeigt eine offene zehntägige Ausbildung zum "zertifizierten Mentor", die das Beratungsunternehmen Janus gemeinsam mit der Frankfurt School of Finance & Management anbietet. Die Ausbildung dient dazu, den Mentor oder Paten intensiv auf seine Aufgaben vorzubereiten.

Was aber kann der Apotheker selbst tun, um das an sich sinnvolle Konzept der Patenschaft oder Mentorenschaft in seiner Apotheke so zu etablieren, dass es für alle Beteiligten und die Apotheke einen Nutzen bringt?

Paten-Konzept als Führungsaufgabe interpretieren

Der Apotheker sollte sich verdeutlichen, dass es sein ureigenes Interesse ist, wenn das Konzept der Patenschaft funktioniert. Denn es führt natürlich für die Apotheke und ihn selbst zu erheblichen Vorteilen, wenn der neue Mitarbeiter gut eingearbeitet wird und sich die Kollegen gegenseitig unterstützen. Ganz abgesehen davon, dass der Apotheker persönlich Zeit spart, wenn er sich nicht selbst um die Einarbeitung des Neuen und die Weiterentwicklung des Low Performers kümmern muss.

Es gehört also zu seinen Führungsaufgaben, die Voraussetzungen für eine gelungene Verwirklichung des Patenschaftsgedankens zu schaffen.

Die Mitarbeitersitzung ist die geeignete Gelegenheit, an welcher der Apotheker den Nutzen für alle Apothekenmitarbeiter darstellen und betonen kann, dass es für sie von Vorteil ist, wenn sie sich an der Unterstützungskultur beteiligen und bereit sind, dem anderen zu helfen – und auch willens sind, Unterstützung vom Kollegen anzunehmen. Denn wenn der Low Performer den Mitarbeiter, der ihm unter die Arme greifen soll, als hochnäsig empfindet, kann dies auch am Low Performer liegen: Er lehnt es ab, sich helfen zu lassen.

Das Prinzip der Freiwilligkeit

Sind die Voraussetzungen geschaffen, wird die Übernahme einer Patenschaft vielleicht nicht mehr als Bürde, sondern als Auszeichnung und als Möglichkeit definiert, der Allgemeinheit und damit der Apotheke zu helfen – und letztendlich sich selbst. Es liegt im Interesse aller, wenn der Neue gut einschlägt und zum Apothekenerfolg beiträgt, oder wenn die Kompetenz zum Zusatzverkauf von möglichst vielen Mitarbeitern beherrscht wird.

Die Mitarbeiter werden dann Patenschaftsaufgaben akzeptieren und freiwillig übernehmen, wenn sie zum einen ohne größere Mehrbelastung die Zeit dafür erübrigen können und zum anderen über die entsprechenden Kompetenzen verfügen.

Es darf nicht geschehen, dass die Patenschaft vergeben wird, ohne zu überprüfen, ob der Pate dazu die Zeit hat oder wie man ihm das notwendige Zeitkontingent dafür freimacht. Im Falle der Einarbeitung des neuen Mitarbeiters droht schlimmstenfalls dessen Vertreibung, wenn er spürt, dass seine Probezeit überhaupt nicht vorbereitet worden ist und der Pate eigentlich gar keine Zeit für ihn hat.

Menschlichen Aspekt berücksichtigen – der empathische Pate

Ähnlich schaut es auf der Kompetenzseite aus. Dabei ist der fachliche Aspekt meistens das geringere Problem. Trotzdem sollte der Apotheker prüfen, ob der Pate über die Fähigkeiten verfügt, die er braucht, um den Neuen einarbeiten oder den Low Performer unterstützen zu können.

Die größere Herausforderung stellt die pädagogisch-didaktische Seite dar. Es ist hilfreich, wenn der Pate in der Lage ist, Inhalte verständlich und nachvollziehbar zu kommunizieren.

Am schwierigsten jedoch ist die Aufgabe zu bewältigen, sich in die Lage des anderen zu versetzen. Es ist aber gerade diese Fähigkeit zum Perspektivenwechsel, die es verhindert, dass der Pate als arroganter Oberlehrer auftritt, der aufgrund seines Wissensvorsprungs oder seiner Position in der Hierarchie glaubt, Anweisungen und Befehle geben zu dürfen. Hier muss der Apotheker Gespräche führen und zum Beispiel dem Mitarbeiter, der die Schulung besucht, verdeutlichen, dass es nicht darum geht, gegenüber den Kollegen den Besserwisser herauszukehren.

Mit anderen Worten: Der Pate muss zur Empathie fähig sein und wertschätzend kommunizieren. Der Apotheker sollte diesen Aspekt schon bei der Auswahl des Paten beachten. Es nutzt herzlich wenig, wenn der fachlich versierte Mitarbeiter eine Patenschaft übernimmt, aber nicht in der Lage ist, mit dem Mitarbeiter wertschätzend umzugehen.

Fazit

Eine Patenschaft in der Apotheke ist kein Selbstläufer, sondern sollte gut vorbereitet werden. Entscheidend ist, dass der Pate die Zeit und die fachliche und menschliche Kompetenz hat, eine Patenschaftsaufgabe zu übernehmen..


Dr. Michael Madel, freier Autor und Kommunikationsberater



AZ 2012, Nr. 41, S. 6

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