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Gesundheitspolitik
Die Kostenschraube zieht weiter an
Die meisten Apotheken haben inzwischen mit ihren Großhändlern neu verhandelt. "Die Konditionen sind trotzdem besch…!", sagte ein von der AZ befragter Apotheker, der mit seiner Apotheke und einem siebenköpfigen Team in einer kleinen Kooperation von rund 70 Apotheken zusammenarbeitet. Durch die Kooperation ergäben sich jedoch keine Vorteile, die Großhandelskonditionen seien deutlich schlechter geworden. Für seine Apotheke bewege sich der Großhandelsrabatt für den rezeptpflichtigen Bereich schätzungsweise zwischen 0,5 und 1,5 Prozent. Dabei seien die Konditionen bei allen Großhändlern gleich. Die Entscheidung für einen Großhändler treffe er nun nach der Gewährung der günstigsten Skonti. Direktbestellungen beim pharmazeutischen Unternehmer seien für seine Apotheke nur lohnenswert, wenn große Aufträge generiert werden könnten. Der Bezug über mehrere Großhändler und der Direktbezug führen jedoch auch zu einem erheblichen Mehraufwand im Apothekenalltag: Jede Sendung müsse einzeln verbucht werden, die Beobachtung der Preise im Direktbezug erfordere viel Arbeit.
Großhändler "zuverlässige Verbündete" der Apotheken
Andere von der AZ befragte Apotheker äußerten sich ähnlich. Trotzdem gibt es durchaus auch optimistisch-positive Stimmen. Hier ein Beispiel: In der Pelikan-Apotheke im hessischen Gießen will man erst mal bis zum Monatsende warten, um genaue Zahlen in den Händen zu halten. Man habe zwar vor dem 1. Januar 2012 Rechenmodelle entwickelt, um die Auswirkungen der veränderten Konditionen greifbar zu machen, sagte Apotheker Paul B. Schneider, doch detaillierte Analysen seien wohl erst nach dem ersten Quartal durchführbar. Die Verhandlungen mit dem Großhandel gestalten sich laut Schneider "sachlich, vertrauensvoll und intelligent". Die Pharmagroßhändler seien seit Jahren die einzigen, die man als "zuverlässige Verbündete" der Apotheken bezeichnen könne.
Neu seit 1.1. 2012 – laut AMNOG IIDer Großhändler darf auf den Herstellerabgabepreis einen Fixbetrag von 0,70 Euro aufschlagen, plus maximal 3,15 Prozent des Herstellerabgabepreises. Nur dieser prozentuale Aufschlag ist gegenüber der Apotheke verhandelbar: Er kann komplett erhoben, teilweise erhoben oder auch erlassen werden. Der maximale Höchstzuschlag pro Fertigarzneimittel darf 37,80 Euro betragen. |
Die Quittung kommt erst am Monatsende
Im Genossenschaftsgroßhandel gesine.net AG mit Sitz in der Nähe von Berlin freut man sich zurzeit über steigende Anfragen vonseiten der Apotheker. Die ursprünglich reine Apothekenkooperation gesine hat sich erst 2010 zur Gründung eines genossenschaftlich organisierten Pharmagroßhandels entschlossen. Mittlerweile sind 227 Apothekerinnen und Apotheker an der Genossenschaft beteiligt. Rund 160 Apotheken werden vom gesine-Großhandel beliefert. Nach Einschätzung des Vorstandsvorsitzenden Dirk Ehrich werden die Apotheken erst am Monatsende merken, wie negativ sich die neuen Leistungsausschlüsse (verringerte Lieferfrequenz, Aufschläge für Zusatzlieferungen etc.) auf die Erträge der Apotheken auswirken. Die Änderungen in der Großhandelsvergütung gingen sicherlich auch nicht spurlos an gesine-Apotheken vorüber, es treffe sie aber nicht so deutlich. Eine wesentliche Rolle spiele dabei das eigene Geschäftsmodell: Der Genossenschaftsgroßhandel gesine.net AG sei nicht gegründet worden, um eigene große Gewinne zu erwirtschaften, sondern um die Ertragslage der angeschlossenen Apotheken zu verbessern.
Wenn man sich in der Branche umhört, ist häufig allerdings auch von einem "stark angegriffenen Verhältnis" zwischen Großhandel und Apotheken die Rede. Und man erfährt auch, dass die Apotheken mit den Rabattverlusten unterschiedlich umgehen: Einige setzen auf eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation, zum Beispiel durch verstärkte Tendenz zu Kooperationen, Stärkung der Kundenbindung durch Aktionen und mehr Freiwahl. Andere neigen dazu, alle zusätzlichen Aktivitäten einzustellen und Verluste durch komplette Sparmaßnahmen wettzumachen. Nie zuvor habe sich deutlicher gezeigt, so Branchenkenner, wie wirtschaftlich instabil viele Apotheken dastehen. Das AMNOG und seine Folgen sei nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringe.
Diese Meinung unterstützt auch Seniorprofessor Dr. Burkhard Strobel von der Fachhochschule Worms, der sich auf die Bereiche Apotheken- und Kooperationsmanagement spezialisiert hat. Im Interview gegenüber dem "Aktuellen Wirtschaftsdienst für Apotheker" (AWA) sagte Strobel aber auch, dass die nun geforderten Auseinandersetzungen der Apotheken mit dem Großhandel zu Verbesserungen bei beiden Marktpartnern führen können.
Dr. Stefan Hartmann, Vorsitzender des Bundesverbands der Apothekenkooperationen (BVDAK) erklärte auf Anfrage, dass sein Verband für das Jahr 2012 einen Rohertragsverlust von 18.000 € pro Durchschnittsapotheke voraussehe. Die hohe Zahl an Apothekenschließungen im Jahr 2011 könne im neuen Jahr noch weiter ansteigen, da die Verluste durch strategischen Einkauf nicht mehr zu kompensieren seien.
Hart und existenzbedrohend
Peter Eiberger, Geschäftsführer der vom Großhandel unabhängigen Apothekenkooperation "Guten Tag" mit über 380 beteiligten Apotheken, sagte gegenüber der AZ, die Kooperation würde aufgrund der neuen Entwicklungen vermehrt von Apotheken angefragt. Viele Apotheker erhofften sich durch die Beteiligung an einer Kooperation bessere Konditionen. Dennoch zähle Leistung gegen Gegenleistung. Eiberger betonte, dass er nicht nur aus den Apotheken aus seiner Kooperation, sondern generell aus dem Markt sehr negative Rückmeldungen über die neue Großhandelsvergütung erhalte. Während der Großhandel durch die neuen gesetzlichen Regelungen nicht weiter finanziell belastet worden sei, führe die aktuelle Situation in den Apotheken zu harten und existenzbedrohenden Rohertragseinbußen von bis zu 3 Prozent.
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