Gesundheitspolitik

Fairness kann man erwarten

Dr. Benjamin Wessinger

Das muss man sich mal vorstellen: Ein Händler liefert die richtige Ware in der richtigen Menge und richtigen Qualität. Unglücklicherweise hat er sie aber vom falschen Lieferanten bezogen und sie war deswegen etwas teurer, als mit dem Käufer vereinbart. Der Käufer beschließt daraufhin, dass es nicht ausreicht, dem Verkäufer die Rechnung auf den vereinbarten Preis zu kürzen, nein, der Händler bekommt überhaupt kein Geld. Die Ware aber, die behält der Käufer. Es kommt zum Gerichtsverfahren, und das Gericht entscheidet: Das Verhalten des Käufers ist absolut rechtmäßig, der Käufer darf die Ware behalten, muss sie aber nicht bezahlen.

Wenn Sie nun sagen: Das kann in Deutschland nicht passieren, dann sind Sie kein Apotheker. Denn genau das oben beschriebene Verhalten praktizieren die gesetzlichen Krankenkassen routinemäßig. Ja sie haben sogar Dienstleister engagiert, die ihnen die Fälle heraussuchen, wo der Händler – der Apotheker – das Arzneimittel des falschen Herstellers (oder auch des falschen Reimporteurs!) abgegeben hat. Nicht etwa, um den Apotheker freundlich auf seinen Fehler hinzuweisen und ihn zu bitten, in Zukunft doch etwas aufmerksamer zu sein. Und auch nicht, um den Rechnungsbetrag um die Preisdifferenz zwischen Taxe und Rabattvertrag zu kürzen – sondern um den Preis für das abgegebene (!) Arzneimittel auf Null zu retaxieren.

Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass dieses Vorgehen der Kassen rechtmäßig ist. Auf viele Apotheken kommen nun weitere Retaxationen zu. Deutscher Apothekerverband und die beteiligten Kassen hatten vereinbart, bis zur gerichtlichen Klärung keine Null-Retaxierungen mehr vorzunehmen – diese können die Kassen nun aber "nachholen". Das Verhalten der Kassen in der jüngsten Vergangenheit lässt befürchten, dass diese Nachforderungen auf jeden Fall kommen werden.

Dankbarkeit ist im Geschäftsleben keine Kategorie, mit der man rechnen darf. Auch die Apotheker sollten von den Kassen keine Dankbarkeit dafür erwarten, dass sie mit der Umsetzung der Rabattverträge dabei helfen, Milliarden einzusparen. Aber Fairness kann man erwarten! Hoffentlich sind die Regelungen im neuen Arzneimittelliefervertrag wirklich so, dass Nullretaxationen in Zukunft weitgehend ausgeschlossen sind. Das immerhin würde erklären, warum die GKV dem Vertrag immer noch nicht zugestimmt hat.


Benjamin Wessinger

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