Aus den Ländern

Zulassung statt Off-label-use

Die im Jahr 2007 erlassene EU-Verordnung über Kinderarzneimittel hat die Arzneitherapie von Kindern bislang kaum verbessert. Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) startet deshalb die Initiative "Arzneimittel für Kinder", an der sich auch die Apotheker beteiligen sollen. Am 18. März fand hierzu eine Informationsveranstaltung in Bonn statt.
Kirsten Müller-Kuhl mit dem neuen Plakat des HAV zu Kinder-Arzneimitteln.
Foto: DAZ/hb

BAH-Referent Dr. Andreas Franken stellte Hintergrund und Konzept der Initiative vor, die als gemeinnütziger Verein geführt werden soll. Der BAH will hiermit die Tätigkeit der Firma Hexal fortsetzen, die ein ähnliches Projekt von 2003 bis 2011 unterstützt hatte. Aus der Sicht des BAH geht vor allem die Erforschung bekannter Arzneistoffe an Kindern nicht recht voran. Lediglich eine Zulassung für die pädiatrische Verwendung (Paediatric use marketing authorisation) steht bis heute zu Buche, 18 Anträge befinden sich in der Pipeline. Einen Hemmschuh sieht Franken darin, dass Kinder-Arzneimittel nach der Festbetragsregelung wie Erwachsenen-Arzneimittel behandelt werden und aufgrund ihrer geringen Wirkstoffmenge in den niederpreisigen Gruppen landen. Auf diese Weise amortisieren sich die hohen Ausgaben kaum. "Das ist kein Erfolgsmodell", resümierte Franken.

Datenerhebung schleppend

Daneben werden Arzneistoffe, die sich auf dem Markt befinden, anhand vorhandenen Datenmaterials zur Anwendung an Kindern neu begutachtet und die Produktinformationen (SPC und Packungsbeilage) gegebenenfalls um entsprechende Hinweise ergänzt. Im Februar 2013 befanden sich 268 Wirkstoffe im Verfahren, und es wurden 119 Paediatric Assessment Reports veröffentlicht, von denen 74 durch das BfArM ins Deutsche übersetzt wurden. Auch hier ist die Entwicklung schleppend.

Ein weiterer Hemmschuh besteht darin, dass in letzter Zeit viele EU-Fördermittel für die pädiatrische Forschung angesichts der Bevölkerungsentwicklung auf die Geriatrie verlagert wurden.

Wo gibt es Versorgungsmängel?

Prof. Jörg Breitkreutz, Universität Düsseldorf, der sich mit seiner Forschung zu kindgerechten Darreichungsformen einen Namen gemacht hat, schilderte die Ergebnisse einer Studie über das Ausmaß des unlicensed use auf pädiatrischen Krankenhausstationen in Deutschland vor Inkrafttreten der Kinderarzneimittel-Verordnung im Januar 2007. In 40 Krankenhausapotheken wurden über ein halbes Jahr lang 4800 Rezepturverordnungen für pädiatrische Patienten gesammelt und ausgewertet. Normiert auf ein Jahr ergaben sich insgesamt 12.710 Verordnungen mit 306.995 Einzeldosen. Bei 16 von 20 Arzneistoffen für kardiovaskuläre Erkrankungen gibt es heute noch keine kindgerechten Zubereitungen.

Auch Prof. Dr. med. Bernd Mühlbauer vom Institut für Pharmakologie am Klinikum Bremen-Mitte betonte den fortbestehenden Nachholbedarf in der pädiatrischen Arzneimittelforschung. Nach einer Analyse der Off-label-Verschreibungsmuster für Kinder aus dem Jahr 2009 lag der Schwerpunkt mit insgesamt 76% der verordneten Packungen in den Bereichen Atmungssystem, systemische Antiinfektiva, Nervensystem, Verdauung/Stoffwechsel und Dermatika.

"Der verbreitete Off-label-use ist für die Kinderärzte eine extrem missliche Situation", ergänzte der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), Dr. Karl-Josef Eßer, weshalb die DGKJ die BAH-Initiative tatkräftig unterstützen will.

Plakataktion in Apotheken

Auch die Apotheker stehen als Kooperationspartner gern zur Verfügung, versicherte die Pressesprecherin des Hessischen Apothekerverbandes (HAV), Kirsten Müller-Kuhl. Der HAV hat im ersten Halbjahr 2012 eine erfolgreiche Plakat-Kampagne zu unterschiedlichen Fragen in den Apotheken gestartet, der sich auch Apothekerorganisationen anderer Bundesländer angeschlossen haben. Ab Juni/Juli 2013 soll das Thema "Arzneimittel und Kinder" aufs Tapet kommen. Laut Müller-Kuhl bietet es eine ideale Grundlage für die lokale Pressearbeit der Apotheken, um die speziellen Anforderungen an eine kindgerechte und kinderspezifische Arzneimittelversorgung darzustellen.

Der BAH will für seine Initiative auch Patientenorganisationen und Selbsthilfegruppen mit ins Boot holen.


hb



DAZ 2013, Nr. 15, S. 69

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