Gesundheitspolitik

Novartis obsiegt im Lucentis-Streit

Landgericht Hamburg: Ausgeeinzelte Fertigspritzen bedürfen gesonderter Zulassung

BERLIN (ks) | Novartis hat sich vor dem Landgericht Hamburg gegen den auf patientenindividuelle Sterilrezepturen spezialisierten Herstellerbetrieb Apozyt durchsetzen können: Apozyt bedürfe einer gesonderten zentralen Zulassung für seine mit flüssigen Augenarzneimitteln befüllten Fertigspritzen, entschied das Gericht letzten Mittwoch. Indem Apozyt unter anderem das Novartis-Präparat Lucentis® (Ranibizumab) in Spritzen fülle, werde es so verändert, dass es von der ursprünglichen Zulassung nicht mehr umfasst sei. (LG Hamburg, Urteil vom 14. Januar 2014, Az.: 416 HKO 78/11)

Der Rechtsstreit um die Auseinzelung mehrerer Lucentis®-Dosen aus einer Durchstechflasche, die Novartis für den einmaligen Gebrauch vorgesehen hat, hat sich über zwei Jahre hingezogen. Da eine Lucentis-Durchstechflasche 2,3 mg Ranibizumab in 0,23 ml Lösung enthält, die empfohlene Einzeldosis jedoch nur ein Injektionsvolumen von 0,05 ml vorsieht, lassen sich aus einem Fläschchen bis zu vier Einzeldosen fertigen. Ein Umstand, den auch Apozyt nutzt – zum großen Missfallen von Novartis. Der Pharmakonzern erhob daher vor dem Landgericht Hamburg Klage gegen den Herstellerbetrieb. Bevor dieses letzte Woche sein Urteil traf, hatte es zunächst den Europäischen Gerichtshof (EuGH) angerufen. Das Landgericht wollte wissen, wie weit der Herstellungsbegriff hier – also im Fall eines monoklonalen Antikörpers – im Sinne der europäischen Vorgaben auszulegen sei. Bedürfe es einer gesonderten – zentralen – Zulassung, wenn nach ärztlicher Verschreibung und Beauftragung von einem Arzneimittel wie Lucentis® Teilmengen in ein anderes Gefäß abgefüllt werden, hierdurch aber die Zusammensetzung des Arzneimittels nicht verändert wird? Der EuGH kam im April 2013 zu dem Ergebnis, dass das Umfüllen eines Medikaments in eine kleinere Verabreichungsform nicht gesondert zulassungspflichtig sei, wenn das betreffende Mittel hierdurch nicht verändert werde und ihm ein individuelles Rezept zugrunde liegt. Ob das bei der beklagten Apozyt, einem Tochterunternehmen der Aposan Dr. Künzer GmbH, der Fall war, hatte nun wieder das LG zu prüfen. Beide Seiten sahen sich durch den EuGH gestärkt – oder jedenfalls nicht schon vorab als Verlierer.

Das Gericht folgte am Ende der Argumentation von Novartis. Das Unternehmen hatte darauf verwiesen, dass die Herstellung von Fertigspritzen durch Entnahme von Teilmengen aus dem Original-Arzneimittel nicht von der zugrundeliegenden Zulassung gedeckt sei und dies damit eine Veränderung des Ausgangsprodukts im Sinne des EuGH darstelle. Stabilität und Wirksamkeit des Arzneimittels seien im Rahmen des Zulassungsverfahrens nur für das Original-Arzneimittel und für die zugelassene direkte Anwendung am Patienten nachgewiesen, nicht aber für aus diesem hergestellte und sodann gelagerte Fertigspritzen.

Auch das Landgericht meint, dass im gegebenen Fall eine Veränderung des Arzneimittels gegenüber der ursprünglichen Zulassung vorliege. Diese Zulassung umfasse etwa nicht die Darreichung als Spritze. Novarits begrüßte das Urteil: „Damit ist sichergestellt, dass Patienten ein sicheres, wirksames und verträgliches Lucentis gemäß der erteilten Zulassung erhalten“.

Apozyt will die noch nicht rechtskräftige Entscheidung jedoch nicht akzeptieren. „Das Urteil steht nicht im Einklang mit der seit Jahren gelebten Praxis“, erklärte Geschäftsführer Dr. Clemens Künzer. In Deutschland würden etwa die Hälfte der betreffenden Augen-Operationen mit patientenindividuell ausgeeinzelten Fertigspritzen durchgeführt. Diese bisherige Praxis werde das Unternehmen verteidigen. „Wir meinen, dieses Verfahren („Off-Label Use“) gehört zur ärztlichen Therapiefreiheit“, so Künzer.  

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